Fachbeitrag Wärmeschutz bei Fensterfassaden

Außenliegende Verschattungen: Ein wesentlicher Baustein zum Einhalten des sommerlichen Wärmeschutzes bei großen Glasflächen

22.08.2014

Seit Mai gilt für alle Bauanträge die Neufassung der DIN 4108-2. Sie macht den Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes zur Einhaltung der Energiesparverordnung deutlich aufwendiger, bietet Fachplanern jedoch auch Chancen und führt zu besser funktionierenden Gebäuden.

Die Energieeinsparverordnung EnEV 2014 brachte eine Verschärfung beim Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes: Um die Behaglichkeit in Gebäuden bei bestmöglicher Energieeffizienz zu gewährleisten, ist zum Nachweis nun die verschärfte Fassung DIN 4108-2: 2013-2 zwingend vorgeschrieben; andere Varianten sind nicht mehr zulässig oder anwendbar. Diese Novellierung der Norm hat die Anforderungen deutlich erhöht. Der Nachweis ist vor allem bei Fassaden mit großen Fensterflächen­anteilen schwieriger geworden. Eine dynamisch-thermische Simulation inklusive detailgenauem Abbilden von Gebäudegeometrie und -konstruktionen erfüllt jedoch die Ansprüche. Zugleich bewertet sie die Effektivität des Wärmeschutzes im Sommer genauer und anwenderspezifischer.

Bisheriges Verfahren jetzt häufig unmöglich

Bisher setzten die meisten Fachplaner auf das sogenannte Sonneneintragskennwertverfahren – ein vereinfachtes Tabellen­verfahren, das prinzipiell auch nach Inkrafttreten der novellierten Norm noch möglich ist. Grundlegend neu ist jedoch das Berücksichtigen eines zusätzlichen Kennwertes, der vom grundflächenbezogenen Fensterflächenanteil abhängt und das vereinfachte Verfahren untauglich macht. Denn bei einem Fensterflächenanteil von mehr als 26 Prozent wird der Anforderungswert jetzt verschärft.

In bestimmten Fällen ergibt sich sogar ein unerreichbarer, weil negativer Wert. Mit der bisherigen Norm konnte ein Nachweis für Räume mit raumhohen Fenstern mit Wärmeschutzverglasung (WSV) in Verbindung mit einer effektiven, außenliegenden Verschattung zumeist positiv geführt werden. Durch die Neuerung ist dies so nicht mehr möglich.

Nachweis mit thermischer Simulation

Die novellierte Norm fordert stattdessen eine dynamisch-thermische Simulation des Gebäudes. Der Vorteil für Planer: Faktoren wie zum Beispiel die Wärmeabfuhr über die Bodenplatte und das Dach, die Eigenverschattung oder Verschattung durch umgebende Bauten oder Bepflanzung sowie thermische Speichermassen können detaillierter berücksichtigt werden als mit dem Sonnen­eintragskennwertverfahren. So ist es möglich, gebäudespezifische, stündliche Werte der operativen Innentemperaturen zu bestimmen.

Es gilt jedoch zu beachten, dass die Ergebnisse nur die Vergleichbarkeit von Gebäuden untereinander ermöglichen. Denn die neue Norm beschreibt für die Simulation ausführlich einheitliche Berechnungsrandbedingungen. Durch die standardisierten Daten, zum Beispiel für Wetter, Nutzungszeiten, interne Wärme­lasten oder Luftwechsel, sind Rückschlüsse auf die tatsächliche Temperatur­ent­wicklung der Innentemperaturen nur bedingt möglich.

Zum Bewerten werden anhand der Simulationswerte die Übertemperaturgradstunden ermittelt, in denen die Innenraumtemperatur über dem zulässigen Bezugswert liegt. Dieser ergibt sich aus der geografischen Lage des Gebäudes. Für Deutschland ergeben sich gemäß den drei Sommerklimaregionen sommerkühl, gemäßigt und sommerheiß entsprechende Bezugswerte und zulässige Übertemperaturgradstunden (siehe Tabelle auf Seite 41).

Mustergebäude-Simulation

Als Beispiel nun der Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes mit Hilfe einer thermischen Simulation für ein Mustergebäude mit quadratischer Grundfläche und drei identischen Etagen ohne Unterkellerung. Untersucht wurden nur die fassadennahen Räume mit einer Raumhöhe von 2,8 m und umlaufenden Fensterbändern. Die Raumtiefe variiert für jede der vier Fassadenausrichtungen (siehe Abbildung auf Seite 39), sodass unterschiedliche grundflächenbezogene Fensterflächenanteile (fAG) untersucht und verglichen werden können.

Die gewählten thermischen Qualitäten der Außenhülle entsprechen dem Niveau der aktuellen EnEV 2014. Die Untersuchung erfolgte mit dem thermischen Simulationsprogramm TAS (EDSL, Version 9.2.1.6). Berücksichtigt wurden die in DIN 4108-2:2013-2 beschriebenen Simulationsrandbedingungen für Nichtwohngebäude für die Sommerklimaregion A unter der Annahme eines erhöhten Tagluftwechsels.

Varianten mit Nachtlüftung

Für die Berechnungen der Varianten mit einer Nachtlüftung wurde ein erhöhter nächtlicher Luftwechsel definiert. Bei einem außenliegenden Sonnenschutz wurden für diesen ein Energieabminderungsfaktor (FC-Wert) von 0,25 angenommen – das heißt 25 Prozent der Sonnenenergie dringen hindurch – und eine strahlungsabhängige Steuerung. Im Falle eines innenliegenden Sonnenschutzes wurden ein FC-Wert von 0,8 sowie eine nicht-automatische Steuerung berücksichtigt.

Einfluss des 
Fensterflächenanteils

Um den Einfluss des Fensterflächenanteils der Fassade zu veranschaulichen, wurden außer den Fensterhöhen alle übrigen Parameter konstant gehalten. Die Varianten (siehe Abbildung oben) zeigen jeweils die Ergebnisse bei einer Wärmeschutzverglasung mit einem Gesamtenergiedurchlassfaktor (G-Wert) von 60 Prozent, kombiniert mit einer außenliegenden Verschattung ohne Nachtlüftung. Grün kennzeichnet die Räume, die den Anforderungswert der Übertemperaturgradstunden einhalten; rot gekennzeichnete Räume überschreiten ihn.

Zu beachten ist: Schon bei einer Fensterhöhe von 1,2 m ist ein Nachweis mit dem ­Sonneneintragskennwertverfahren nicht mehr möglich. Denn teilweise liegt der grundflächenbezogene Fenster­flächen­anteil über 26 Prozent. Die Simulation zeigt jedoch: Tatsächlich reichen nur die Eckräume mit Südausrichtung an den zulässigen Höchstwert heran und erfordern weitere Maßnahmen. Für alle übrigen Räume lässt sich der sommerliche Wärmeschutz positiv nachweisen. Bei raumhohen Fenstern (Höhe 2,6 m) ist der Nachweis mit dem Tabellenverfahren für keinen Raum mehr anwendbar. Auch die Simulation zeigt, dass der sommerliche Wärmeschutz in den meisten Räume nicht mehr eingehalten wird. Die Räume im Erdgeschoss sind jedoch weniger kritisch zu beurteilen. Dort berücksichtigt die Simulation den Wärmeaustausch über die Bodenplatte.

Wärmeschutz verbessern

Nach DIN 4108-2 sind verschiedene technische Maßnahmen anrechenbar, um den sommerlichen Wärmeschutz des Mustergebäudes mit raumhohen Fenstern einzuhalten: verschiedene Schutzverglasungen, kombiniert mit verschiedenen Arten der Verschattung sowie Nachtlüftung, siehe Abbildung oben.

Durch den Einsatz einer Sonnenschutzverglasung in Verbindung mit einem außenliegenden Sonnenschutz kann für alle Räume ohne weitere technische Maßnahmen der sommerliche Wärmeschutz erfüllt werden. Der einzuhaltende G-Wert der Verglasung hängt hierbei vor allem von der Ausrichtung des Raums und der Raumtiefe ab und muss aus diesem Grund individuell ermittelt werden. Bei höheren G-Werten – zum Beispiel Wärmeschutzverglasung – ist eine Kombination aus außenliegender Verschattung und Nachtlüftung förderlich, bei der die niedrigeren Außenlufttemperaturen in den Nachtstunden zur Kühlung genutzt werden. Die nächtliche Fensterlüftung kann auch bei Nichtwohngebäuden mit entsprechender mechanischer Steuerung im Sinne der DIN 4108-2 angerechnet werden.

Wird eine Sonnenschutzverglasung mit einer innenliegenden Verschattung kombiniert, beeinträchtigt das die Fassade optisch weniger, jedoch muss der G-Wert der Verglasung niedriger gewählt werden. Denn ein innenliegender Sonnenschutz reduziert die raumwirksame solare Einstrahlung geringer als ein außenliegender.

Wie es weitergeht

Für eine funktionierende Lösung bei zukünftigen Bauvorhaben ist der Nachweis mit Hilfe einer thermischen Simulation, vor allem aber ein engeres Zusammenspiel von Architektur und technischer Gebäudeausrüstung (TGA) nötig. Die Untersuchung des sommerlichen Wärmeschutzes steht jetzt in einer viel früheren Planungsphase des Bauprozesses an. Darin liegen Herausforderung und Chance der novellierten Fassung der DIN 4108-2. Wenn aus dem bisherigen Nebeneinander der Fachplaner ein ganzheitliches Miteinander wird, führt dies zu besser funktionierenden Gebäuden, in denen unzumutbare Temperaturbedingungen vermieden und somit bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen geschaffen werden.

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