Fachbeitrag Wem gehört die Smart City?

22.08.2014

Smarte städtische Infrastrukturen können Effizienzvorteile bringen, doch in den Kommunen regt sich Unbehagen, wenn die Technik Lösungen diktiert. Die Städte sehen die Aktivitäten der Technologie-Anbieter kritisch.

Wer steht denn eigentlich hinter der Begeisterung für Smart Cities, die viele Diskussionen um die Entwicklung von Städten heute prägt? Was ist eigentlich eine Smart City? Und in welchen Bahnen soll Entwicklung dahin verlaufen? „Bislang scheinen große Konzerne die Deutungshoheit zu haben“, stellt Prof. Harald Herrmann, Direktor des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) jüngst in einer Broschüre [1] zu diesem Thema fest. Zu den Motiven der Konzerne hat er auch eine Vermutung: „Sie ringen um Marktanteile auf diesem vielversprechenden, aber noch jungen globalen Markt.“

Das hat bereits so viele Projekte und Technologien hervorgebracht, dass die Zeit gekommen scheint, Ordnung in den anschwellenden Markt der Produkte zu bringen, da die Vielzahl von nicht miteinander kompatiblen Lösungen die Begeisterung potenzieller Kunden zu abzukühlen droht. Der VDE hat daher im April eine Normungs-Roadmap vorgestellt, die eine Übersicht über acht relevante Themenbereiche gibt:

  • Gebäude und bauliche Infrastrukturen

  • Sicherheit und Schutz

  • Mobilität

  • Energie

  • Information und Kommunikation (IKT)

  • Urbane Prozesse und Organisation

  • Produktion

  • Logistik

Als wäre das nicht schon ambitioniert genug, existieren noch Schnittstellen zu Themen wie Ambient Assisted Living (AAL), Elektromobilität, E-Energy/Smart Grids, Smart Home sowie Smart Building, Industrie 4.0 sowie IT-Sicherheit. Mehr als 20 Normungsgremien bei VDE, DKE und DIN sind somit zuständig und sollen existierende Initiativen, Projekte, Modellregionen und Studien mit Blick auf ihre Normungsrelevanz auswerten.

Solche Technik-getriebenen Aktivitäten schrecken jedoch die Betroffenen auf: „Problematisch sind die Bemühungen nationaler Normungsorganisationen zur Durchsetzung von Standards der Smart City“, heißt es in den Berichten des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) schon zwei Monate später [2]. Difu-Experte Jens Libbe vermutet: „Hier werden mehr oder weniger unverblümt Interessen global tätiger Konzerne verfolgt.“ Auf die Frage nach der Begründung für diese Aktivitäten werde vonseiten der treibenden Akteure auf internationale Bemühungen zur Normenharmonisierung verwiesen – ein Argument, das man auch beim Deutschen Städtetag nicht gelten lässt (siehe Interview mit dem Beigeordneten des Deutschen Städtetags Hilmar von Lojewski auf Seite 16).

Machbarkeit versus Notwendigkeit

„Die angestrebte Normungs-Roadmap ist auf die Machbarkeit von Technologien ausgerichtet. Städte werden dabei allein als Marktplatz der Technologieanwendung begriffen“, klagt das Difu und stellt „abgesehen von der inhaltlich einseitigen Ausrichtung dieser Aktivitäten“ auch deren Legitimation infrage. Zwar wurden verschiedene „Akteursgruppen“ eingeladen, am Prozess mitzuwirken, doch fehle einer solchen „Governance“ die demokratische Bindung. „Die Intention der Implementierung scheinbar freiwilliger Standards droht dabei letztlich die Interessen der in den Städten lebenden Menschen zu verfehlen, zumal die breite Öffentlichkeit über diese Aktivitäten kaum Bescheid weiß.“ Kein Wunder, dass der Difu-Bericht in seinem „Standpunkt“ zu dem Schluss kommt, dass in Deutschland die kommunalen Spitzenverbände und nicht zuletzt der Deutsche Städtetag „vor dem Hintergrund der skizzierten wirtschaftspolitischen Interessen“ den Begriff „Smart City“ als Leitbegriff kritisch sehen.

Doch trotz aller Vorbehalte stehen die Zeichen nicht auf reine Konfrontation. „Kommunalpolitik hat die Aufgabe, die Technologien in das Planungshandeln zu integrieren und sie für eine nachhaltige Stadtentwicklung zu nutzen“, heißt es beim BBSR. „Dafür gilt es vor allem, die Kraft des privaten Sektors bei der Erneuerung der Infrastruktur und der Anwendung vernetzter Technologien zu nutzen und in Kooperationen einzubinden.“

Weitere Informationen

[1] Dr. Peter Jakubowski: Auf dem Weg zu Smart Cities, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Juni 2014, www.bbsr.bund, Direktlink: http://goo.gl/H4mGBl

[2] Jens Libbe: Smart City: Herausforderung für die Stadt­entwicklung. In: Difu-Berichte 2/2014, S. 2-3, Juni 2014, www.difu.de, Direktlink: http://goo.gl/6UQ4Km

[3] VDE [Hrsg.]: Deutsche Normungs-Roadmap Smart City, VDE Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik e.V. als Träger der DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE, Juni 2014. www.dke.de, Direktlink: http://goo.gl/f1H9D8

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