Vom Grünbuch zum Weißbuch „Kapazitätsmärkte sind überflüssig“

Podiumsdiskussion: Michael Wübbels (VKU), Dr. Christian Growitsch (HWWI), Dr. Patrick Graichen (Agora Energiewende), Dr. Hermann Falk (BEE), Dr. Dirk Biermann (50Hertz Transmission) und Annegret-Cl. Agricola (Dena)

Bild: Thomas Rosenthal / DNV-GL
03.07.2015

Einschätzungen von Experten aus der Energiebranche

„Sind wir auf dem richtigen Weg?“ fragte der DNV GL im Hinblick auf den politischen Prozess vom Grünbuch zum Weißbuch in einer Podiumsdiskussion am 23. Juni in Berlin Vertreter aus der Energiebranche.

Dr. Dirk Biermann, Geschäftsführer Märkte und Systembetrieb der 50Hertz Transmission sieht den Netzausbau als zentrales Element der Strommarktreform und entscheidenden Faktor für den Erfolg des zukünftigen Marktdesigns. „Um die steigende Netzeinspeisung zum Beispiel von Windstrom aus Deutschlands windstarken Gebieten in die Verbraucherzentren in Mittel- und Süddeutschland zu transportieren, muss ein umfassender Netzausbau oberste Priorität in der energiepolitischen Debatte haben.“

„Bei der Entwicklung eines neuen Strommarktdesigns müssen der Ausbau der erneuerbaren Energien und das Erreichen der Klimaschutzziele im Vordergrund stehen“, forderte Dr. Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE). Ein weiterentwickelter Strommarkt, der durch eine Kapazitätsreserve abgesichert ist, sei langfristig das Fundament für unsere Versorgungssicherheit. Seine Folgerung: „Kapazitätsmärkte sind damit schlichtweg überflüssig.“

Risiko, die Klimaschutzziele zu verfehlen

Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende sieht im Strukturwandel in der Kohlewirtschaft einen entscheidenden Aspekt der aktuellen Debatte zum Klimaschutzziel 2020. „Vor allem in Hinblick auf den hohen Export von deutschem Kohlestrom riskieren wir die Ziele zu verfehlen“, warnt er. „Das Thema bleibt auch für 2030 und 2040 auf der Agenda. Ich rate daher zu einem nationalen Kohlekonsens.“

Laut PD Dr. Christian Growitsch, Direktor und Sprecher der Geschäftsführung des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) sollte bei der Umsetzung der Energiewende der Aspekt der Kosteneffizienz schnellstmöglich mehr Berücksichtigung finden. „Das bedeutet, dass das Bekenntnis der Bundesregierung zu effizienten Preisen in den Energiemärkten wirklich umgesetzt werden muss. Gegenwärtig sehen wir zahlreiche Preisverzerrungen im Strommarkt, und durch die Einführung einer Kapazitätsreserve wird dieser ökonomisch und ordnungspolitisch unglückliche Trend weiter fortgesetzt.“

Als stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) plädierte Michael Wübbels dafür, „in einem konstruktiven Dialog von Politik, Energiewirtschaft und betroffenen Regionen eine klare politische Vereinbarung für einen mittel- bis langfristigen, regional- und sozialverträglichen Auslaufpfad für emissionsintensive fossile Kraftwerke zu erzielen.“ Davon unabhängig müsse kurzfristig der Bestand sowie die Modernisierung und der Neubau von hocheffizienten und umweltfreundlichen Kraftwerken, die zugleich Strom und Wärme produzieren – also KWK – gefördert werden. (kk)

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