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Analyse zur Dezentralitätsdebatte Energiesystem der Zukunft: Dezentral und doch geordnet

Agora Energiewende fordert in der Energiewende einen konsistenten Ordnungsrahmen für Dezentralität.

01.03.2017

Das Energiesystem wird dezentraler – aber Energiepolitik und Energierecht haben das noch nicht verstanden. Deshalb formuliert Agora Energiewende Thesen zu einem Ordnungsrahmen.

Mit der Energiewende zeigt sich: Dezentralität wird zu einem dauerhaft prägenden Strukturmerkmal des Energiesystems. Schlüsseltechnologien wie Wind, Solar, Batteriespeicher oder Digitalisierung sowie in der Gesellschaft verankerte politische, ökonomische und soziale Präferenzen für Eigenversorgung und Regionalität begünstigen dies.

Das bisherige Konzept einer ausschließlich zentralen Steuerung verbunden mit immer mehr Netzausbau wird dieser Entwicklung aber längst nicht mehr gerecht. Das neue Strom- und Energiesystem benötigt einen eigenen Ordnungsrahmen für Dezentralität. Dieser soll das derzeitige Chaos rund um dezentralitätsbedingte Ausnahmen bei Entgelten, Steuern, Abgaben und Umlagen neu ordnen.

Das sind die Kernergebnisse einer Analyse, die Agora Energiewende veröffentlicht hat. Die Experten der Initiative legen damit gemeinsam mit weiteren Fachleuten einen Vorschlag dafür vor, wie die oftmals hitzige öffentliche Debatte über Dezentralität in der Energiewende auf ein festeres Fundament gestellt werden kann – um so Räume für informierte Debatten und konstruktive Lösungen zu öffnen.

Mehrwert durch Dezentralität

Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende, erklärt: „Dezentralität ist kein Wert an sich. Aber angesichts von dauerhaft erwartbaren Netzengpässen und aufgrund von sozialen oder politischen Präferenzen für Regionalität können dezentrale Strukturen Mehrwert generieren. Wir haben aber keinen zweckmäßig gestalteten Rahmen, in dem dezentrale Lösungen sinnvoll den zentralen Strommarkt ergänzen könnten“.

Ökonomisch liege der Mehrwert in der Regel in vermiedenem Netzausbau, für den bisher jedoch ein monetäres Maß fehle, oder in der Befriedigung des verbreiteten Bedürfnisses nach Regionalität in der Stromversorgung, für das es allerdings noch keinen Marktrahmen gebe.

Aspekte und Dimensionen der Dezenralität

Agora Energiewende schlägt deshalb vor, den Begriff Dezentralität zu definieren, um dann darauf aufbauend die sechs Aspekte des Themenfeldes auszuleuchten, die die bisherige Dezentralitäts-Debatte prägen:

  • Die Rolle der Eigenversorgung,

  • die regionale Verteilung von Stromerzeugung und –verbrauch,

  • die regionale Vermarktung von Ökostrom,

  • regionale Smart Grids und Smart Markets,

  • die Rolle kleiner Akteure mit Fokus auf „Bürgerenergie“ und

  • die Rolle kommunaler Energieversorgung.

Alle Aspekte der Dezentralität werden in der neuen Agora-Veröffentlichung unter jeweils vier Dimensionen analysiert:

  • Die Dimension des Stromnetzes – Was bedeutet der jeweilige Dezentralitätsaspekt für das Stromnetz?

  • Die ökonomische Dimension – Wie ist der jeweilige Dezentralitätsaspekt wirtschaftlich zu bewerten, was bedeutet er für den Strommarkt?

  • Die soziale Dimension – Was bedeutet der Dezentralitätsaspekt beispielsweise für die Akzeptanz der Energiewende?

  • Die politische Dimension – Welche, auch regional-politischen Faktoren spielen jeweils eine Rolle?

Im Anschluss daran werden Chancen und Risiken der jeweiligen Entwicklungen abgewogen und erste Handlungsvorschläge unterbreitet. Als Konsequenz fordert Graichen: „Wir brauchen in der Energiewende einen konsistenten Ordnungsrahmen für Dezentralität. Die heutigen Regelungen zu Dezentralität, gerade im Bereich Netzentgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen sind ein einziges Chaos.“

Stromregionen sollen regionale Märkte schaffen

Stattdessen solle das Stromsystem perspektivisch in eine klare Struktur aus drei Ebenen überführt werden, wobei die Ebenen durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Abgaben und Umlagen geprägt wären: Eine untere Ebene, in der Strom vor Ort und ohne Rückgriff auf das öffentliche Netz erzeugt und verbraucht wird (Eigenverbrauch/Mieterstrom), eine mittlere Ebene innerhalb einer Stromregion und schließlich eine überregionale, auch transnationale Ebene für den überregionalen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch.
Neu an dem Konzept ist vor allem die vorgeschlagene Einrichtung von „Stromregionen“, in denen bei Netzengpässen ein regionaler Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch stattfindet und neue regionale Märkte entstehen können.

Die weitere Ausgestaltung des in der Agora-Analyse skizzierten Ordnungsrahmens für Dezentralität sei eine Aufgabe, die die Politik in der nächsten Legislaturperiode angehen müsse, um das derzeit verworrene Zentralitäts-Dezentralitäts-Anreizsystem, das sich historisch entwickelt habe, zu überwinden.

Die Analyse „Energiewende und Dezentralität – Zu den Grundlagen einer politisierten Debatte“ steht online zum kostenfreien Download zur Verfügung.

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