Fachbeitrag Welcher Kraftstoff darf‘s sein?

23.08.2012

Batterieelektrische Elektromobilität ist noch nicht massentauglich; Alternativen sind gesucht. Diverse flüssige oder gasförmige Energieträger schicken sich an, den modernen Menschen nachhaltig zu mobilisieren - mit Vor- und Nachteilen. Der Kunde hat die Qual der Wahl.

Was tankt das Auto der Zukunft, wenn es nicht mit Strom aus Batterien fährt? Nachhaltig produzierte Kraftstoffe für herkömmliche Motoren bieten sich als Alternative ebenso an wie gasförmige Kraftstoffe bis hin zu Wasserstoff.

Kontroverse um Biosprit

Aus Biomasse lässt sich flüssiger oder gasförmiger Kraftstoff herstellen. Je nachdem, welcher Teil der Pflanze verwertet wird, unterscheidet man dabei drei Generationen: Die erste verwertet nur die Frucht, die zweite die Pflanze als Ganzes. Auch von der dritten Generation ist die Rede. Dabei zählt vor allem die effiziente Flächennutzung, etwa durch Algen.

Zunächst erscheint Biomasse als nachwachsender Energieträger attraktiv, weil sie das bei der energetischen Nutzung freigesetzte CO 2zuvor aus der Atmosphäre aufgenommen hat - wobei für Ernte und Herstellung der Biokraftstoffe ein zusätzlicher CO 2-Beitrag zu berücksichtigen ist. Der Anbau von Biomasse ist kontrovers, da Flächen gerade in dicht bevölkerten Staaten begrenzt sind und der Anbau zudem die CO 2-Bilanz verschlechtert. Das bereitet auch vielen Unternehmen Schwierigkeiten (siehe Interview auf Seite 41 dieser Ausgabe). Zudem ist der Wirkungsgrad der Nutzung von Solarenergie über Biomasse mit einem Prozent relativ schlecht im Verhältnis zu einer direkten Nutzung der Einstrahlung etwa über Photovoltaik. Erst im Juli hatte die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina mit solchen Argumenten eine Diskussion über Biomasse entfacht, weil sie mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren und die Umwelt beeinträchtigen.

Bio-Reststoffe im Tank

Dieser Kritik, insbesondere der Tank-oder-Teller-Diskussion, entgehen Bio-Reststoffe, deren Potenzial in Europa etwa 0,6 bis 1,0 Exajoule (EJ) pro Jahr beträgt, womit sich etwa 50 bis 90TWh Strom erzeugen lassen. Die Umwandlung der gesamten festen Biomasse zu BtL-Kraftstoff (Biomass to liquid) ergäbe 3 EJ jährlich. Dieses Verfahren zur Biomasseumwandlung in synthetische Kraftstoffe ist allerdings nicht marktreif.

Ansätze zur Verwertung von Reststoffen demonstriert etwa Clariant in Straubing: Das Sunliquid-Verfahren gewinnt aus Weizen- oder Maisstroh Zellulose-Ethanol. Die Prozessenergie dafür stammt aus nicht verwertetem Lignin. Allein in Europa könnten Agrarreststoffe so rund 20 % des aktuellen Benzinbedarfs decken. Zudem ist der Prozess annähernd klimaneutral, denn er spart gegenüber fossilen Brennstoffen knapp 95 % CO 2. Das Unternehmen Verbio ist schon einen Schritt weiter und stellt in großtechnischen Anlagen Biomethan aus Abfällen und agrarischen Reststoffen wie Getreidestroh her.

Erdgas und Biomethan

Eine Rolle bei der Mobilität der Zukunft spielen auch Erdgas und Biomethan („Biogas“), deshalb fördern die EU und die Bundesregierung ihre Nutzung als Kraftstoff (siehe Kasten). Doch einstweilen hat Erdgas (Compressed Natural Gas, CNG) in Deutschland ein Image-Problem: Viele Benzin- oder Diesel-Kunden unterscheiden es nicht vom „petrochemischen Abfallprodukt“ Autogas (Liquefied Petroleum Gas, LPG), das in Sachen Emissionen etwas schlechter abschneidet, aber bei Fahrzeugen (2011: etwa 456.000 Fahrzeuge) und Tankstellen (Juni 2012: etwa 6300 Stationen) einen deutlichen Vorsprung hat. Zudem ist die Auswahl an ab Werk verfügbaren Erdgas-Fahrzeugen noch begrenzt und auf einige Hersteller wie VW (künftig auch Audi), Opel oder Hyundai beschränkt. „Early Adopters“ schätzen jedoch den von konventionellen Fahrzeugen gewohnten Komfort und die vergleichsweise hohe Reichweite der Fahrzeuge sowie die heute schon verfügbare CO 2-Neutralität, wenn sie (über tarifliche Bilanzierungsregeln garantiert) aus Reststoffen gewonnenes Biogas tanken.

Erdgas lässt sich als Kraftstoff selbst aber auch als Quelle für die Wasserstofferzeugung nutzen. Es könnte helfen, den Übergang von fossilem zu erneuerbarem H 2zu bereiten: Im Vergleich zu Wasserstoff ist die Technik zur Erdgas- und Biomethan-Nutzung als Kraftstoff ausgereift. Erdgasbasierter Wasserstoff wäre über die gesamte Energiekette ähnlich effizient wie Diesel, emittiert aber bis zu 30 % weniger Treibhausgase.

Alternative Wasserstoff

Wenn Autos künftig mit regenerativ erzeugtem Strom aus Erneuerbaren fahren sollen, kann Wasserstoff als Kraftstoff ein wichtiger Partner im Verkehr werden: Aus Elektrolyse gewonnen könnte er Energie für die Rückverstromung speichern und beim Lastmanagement helfen. �?hnlich wie Strom ist Wasserstoff ein universeller sekundärer Energieträger, der aus vielen Primärenergiequellen gewonnen werden kann. In Brennstoffzellen erzeugt er sowohl in stationären als auch in mobilen Anwendungen effizient Strom. Dabei bringt der hohe Umwandlungswirkungsgrad Vorteile hinsichtlich Emissionen.

Mit dem Wasserstoffüberschuss in Deutschland etwa bei Köln oder Hamburg wird derzeit nur Wärme erzeugt. Würde man ihn in dabei komplett durch Erdgas ersetzen, ließe er sich als Kraftstoff nutzen, das Potenzial liegt zwischen 800 Mio. und 1 Mrd. Nm³ pro Jahr (neun bis 10,8 Petajoule). H 2-betriebene Brennstoffzellen-Pkw haben im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) mit einem Wert von 1,7 x einen fast doppelt so hohen Wirkungsgrad wie der heutige direkt einspritzende Dieselantrieb. Der Ersatz konventioneller Kraftstoffe durch Wasserstoff ist effizienter als die Nutzung in stationären Energiewandlern wie GuD-Kraftwerken, wo er derzeit mit ähnlich effizienten erdgasbasierten Technologien konkurriert.

Investitionen nötig

Bevor Wasserstoff eine Rolle in der Mobilität spielen kann, müssen zunächst erste konkrete Anwendungen gefördert und die Technologiekosten gesenkt werden, insbesondere für den Antriebsstrang der Wasserstofffahrzeuge. Eine Hürde ist auch die Liquidität während der ersten Aufbauphase: Um den langfristigen Bedarf decken zu können, sind anfangs hohe Investitionen etwa für Produktionseinrichtungen, Tankstellen und Pipelines nötig. Bereits nach drei Jahren wäre eine Senkung der Kraftstoffkosten auf 1,1 bis 1,6 Euro pro Liter Dieseläquivalent abzusehen, erwarten Fachleute. Steigende Rohölpreise dürften zu einer Kostenparität für H 2mit unversteuertem konventionellen Benzin und Diesel führen. Die anfänglich niedrige Auslastung der Infrastruktur muss begrenzt und ihr Aufbau mit der wachsenden Fahrzeugzahl synchronisiert werden. Laut einem Szenario des EU-Projekts Hyways für zehn EU-Länder könnten bis 2030 etwa 15Mio. H 2-Fahrzeuge fahren und 85 bis 100% der Bürger hätte Zugang zu H 2-Tankstellen.

Ein Blick in die Glaskugel

Der beste alternative Kraftstoff im Hinblick auf den höchsten Wandlungswirkungsgrad und die niedrigsten Emissionen wäre wohl Strom in Batteriefahrzeugen. Jedoch sind Batterietechnologie und Infrastruktur noch nicht so weit. Daher wird aus erneuerbarem Strom erzeugter Wasserstoff möglicherweise die beste alternative Kraftstoffoption der Zukunft darstellen, insbesondere in Kombination mit Brennstoffzellenfahrzeugen für mittlere bis lange Fahrstrecken oder für schwerere Nutzfahrzeuge wie Lkw und Busse. Biogenen Kraftstoffe können in jedem Fall zur Verminderung der Treibhausgasemissionen beitragen. Ihre energetische Nutzung für Kraftstoffe stellt jedoch eher eine Ergänzung zu anderen Alternativen dar.

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