Differenzdrucksensoren Frei atmen

17.03.2017

Die Inhalation von Medikamenten lässt Asthma-Patienten wieder durchatmen. Für die Messung des Gasflusses im Inhalator kommen mikrothermische Flusssensoren zum Einsatz. Eine Herausforderung für das Produktdesign, um bestmögliche Resultate bei einfacher Herstellung zu erzielen.

Bei Applikationen mit hohen Präzisions- und Kostenanforderungen ist die Messung des Gasflusses ein schwieriges Unterfangen. Das ist zum Beispiel bei Medizingeräten wie Inhalatoren der Fall. Mikrothermische Flusssensoren sind dabei anderen Technologien klar überlegen. Sie lassen sich günstig und zuverlässig herstellen und weisen eine hohe Langzeitstabilität sowie Genauigkeit bei kleinsten Flussraten auf. Kein Wunder, dass viele Unternehmen in der Automobilindustrie, der Medizintechnik und der Gebäudetechnologie auf mikrothermische Gasfluss-Sensorik für ihre Produkte setzen. Dabei tauchen regelmäßig Fragen auf, wo im Gasfluss ein Sensor am besten platziert wird und wie die Gasführung im Produktdesign optimal angelegt werden kann.

Der Gasdurchflusses kann mit Hilfe von mechanischen Volumenzählern, Schwebekörper- und Differenzdruckmessung und Ultraschall-, Coriolis-, magnetisch-induktiven sowie thermischen Durchflussmessern bestimmt werden. Messmethoden ohne Kontakt zwischen Gas und Sensor sind relativ teuer und kommen deshalb für viele Anwendungen nicht in Frage.

Bei der klassischen Differenzdruckmessung, die den Druckabfall über die Verbiegung der Sensormembran misst, führen hingegen Hysterese-Effekte und die Ermüdung der Membran zu einer mangelnden Nullpunktgenauigkeit. Messtechniken, die auf thermischen Prinzipien basieren, umgehen beide Schwierigkeiten. Im einfachsten Fall, dem Hitzdraht-Anemometer, wird die Abkühlung eines elektrisch beheizten Drahts mit temperaturabhängigem Widerstand gemessen. Technisch anspruchsvollere Verfahren basieren auf einem Heizer und mindestens zwei Temperatursensoren, die den Wärmetransport durch das Gas messen. Sind die Sensorelemente auf nur wenige Quadratmillimeter großen Mikrochips integriert, spricht man von mikrothermischen Flusssensoren.

Neben ihrer kleinen Baugröße haben mikrothermische Sensoren noch weitere Vorteile. Die Verwendung standardisierter Herstellungsverfahren aus der Halbleiterindustrie ermöglicht eine konstant hohe Herstellungsqualität bei gleichzeitig moderaten Stückkosten. Außerdem messen moderne Sensorelemente deutlich präziser als klassische Hitzdraht-Anemometer. Eine Glasbeschichtung über dem Sensorelement schützt vor Korrosion.

Direkter Gaskontakt sorgt für Probleme

Der direkte Kontakt mit dem Gas bringt jedoch auch Schwierigkeiten mit sich. Da die Flussgeschwindigkeit nur punktuell bestimmt wird, hängt die Extrapolation auf den Gesamtfluss von der Geschwindigkeitsverteilung im Rohr ab. Diese wird wiederum von den Einlaufbedingungen beeinflusst. Zum Beispiel können eine Rohrbiegung kurz vor dem Sensor, eine unterschiedliche Beschaffenheit der Rohrinnenfläche oder Ecken und Kanten im Strömungskanal das Messresultat verändern.
Auch stark verschmutzte Luft beeinträchtigt eventuell die Mess-
zelle.

Eine bewährte Lösung, diesen Problemen zu begegnen, besteht darin, den Sensorchip in einem Bypass zu platzieren. Eine Blende, eine Venturi-Düse oder Lamellen erzeugen eine Druckdifferenz, aufgrund derer ein kleiner Teil des Gasflusses durch einen Seitenkanal geleitet wird. Der mikrothermische Flusssensor sorgt dabei für hohe Genauigkeit, Reproduzierbarkeit und Stabilität, vor allem bei sehr kleinen Flussraten. Ein gutes Druckabfall-
element im Bypass gewährleistet, dass der Aufbau der Druckdifferenz weniger sensibel auf sich verändernde Einlaufbedingungen reagiert. Die Massenträgheit, ein intelligentes Design der Abgriffe sowie der geringe Fluss im Bypass führen dazu, dass nur sehr sauberes Gas den Sensor erreicht.

Bypass erleichtert die Gasführung

Mit der Bypass-Lösung lässt sich die Produktherstellung erheblich vereinfachen. Die Gasführung kann unabhängig vom Sensor gebaut und der Sensor am Ende des Herstellungsprozesses eingesetzt werden. Bei richtigem Design und exakter Herstellung der Blende ist meist sogar ein Verzicht auf die Endkalibrierung des Gesamtsystems möglich. Um die gewünschten Resultate auch tatsächlich zu erreichen, sind beim Design des Bypass-Messverfahrens jedoch einige Details zu beachten.

Die Blende hat die Aufgabe, den Widerstand des Gasflusses geringfügig zu erhöhen und so eine Druckdifferenz über der Blende zu erzeugen. Für diesen Effekt kann man sich zwei physikalische Phänomene zunutze machen:

  • Die Reibung zwischen dem Gas und den Wandflächen der Blende, parallel zum Fluss, führt zu einem Druckabfall, der linear mit dem Fluss zunimmt.

  • Die Stirnflächen und deren Kanten führen zu Turbulenzen und damit zu einem Druckabfall, der sich quadratisch mit dem Fluss erhöht.

In der Praxis sind Blenden immer eine Mischung aus beidem. Folglich ist ihre Druck- und Fluss-Charakteristik eine Kombination aus linearen und quadratischen Anteilen. Welche der beiden Charakteristiken überwiegt, wird durch das Design der Blende bestimmt. In der Regel ist eine lineare Charakteristik die sinnvollere Variante. Dadurch wird bei kleinen Flüssen die Sensitivität erhöht, beziehungsweise der Nullpunkt
stabilisiert und bei hohen Flussraten der Druckabfall kleiner gehalten.

Als Faustregel gilt, dass eine Blende aus möglichst viel Wand- und möglichst wenig Stirnfläche bestehen sollte. Klassische Ringblenden sind ungeeignet. Ideal, aber teuer sind dünne
Honigwaben-Strukturen. Als guter Kompromiss hat sich eine Lamellenanordnung herausgestellt, die einfach im Spritzguss hergestellt werden kann und eine ziemlich lineare Differenzdruck- und Fluss-Charakteristik aufweist.

Dank der Massenträgheit gibt es im Bypass weniger Staubpartikel als im Hauptkanal. Ein optimiertes Design der Abgrifflöcher verringert die Staubkonzentration im Bypass nochmals erheblich. Der Abgriffkanal sollte rückwärts gerichtet sein, damit das Gas um mehr als 90 Grad drehen muss, um zum Sensor zu gelangen. Führungslamellen vor dem Abgriff halten den Fluss laminar und verringern damit das Rauschen des Messsignals. Das Abgriffloch sollte möglichst klein sein, idealerweise mit einem Durchmesser von 0,6 mm.

Auch wenn die Flussmessung im Bypass-Verfahren weniger sensibel auf Veränderungen der Einlaufbedingungen reagiert, ist es sinnvoll, diese Bedingungen beim Produktdesign zu berücksichtigen. Idealerweise tauchen unmittelbar vor der Messstelle keine scharfen Kurven oder Kanten im Rohr und keine abrupten Änderungen des Rohrquerschnitts auf. Außerdem kann ein über dem Gesamtdurchmesser gleichmäßig verteilter Flusswiderstand vor dem Sensor, zum Beispiel ein Sieb,
helfen, Turbulenzen und andere unerwünschte Einflüsse zu minimieren.

Die Wahl des Sensors

Mit dem richtigen Sensor ist die Flussmessung im Bypass das verlässlichste und zudem kostengünstige Messverfahren. Differenzdrucksensoren sind aus folgenden Gründen ideal auf das entsprechende Anforderungsprofil abgestimmt:

  • Die kleine Baugröße hilft, den Bypass und damit den Platzbedarf für die Flussmessung zu minimieren.

  • Durchflussbasierte thermische Differenzdrucksensoren haben eine exzellente Empfindlichkeit und eine hohe Stabilität um den Nullpunkt herum. So kann ein großer Messbereich abgedeckt werden, zum Beispiel sowohl ein hoher Dynamikumfang, als auch eine hohe Turndown-
    Ratio.

  • Die Sensoren sind trotz des thermischen Durchflussmessverfahrens so kalibriert, dass sie den angelegten Differenzdruck messen. Sie sind damit problemlos auswechselbar.

  • Manche Hersteller bieten eine Temperaturkompensation
    an, die für die spezifischen Gegebenheiten der Bypass-
    Gasflussmessung optimiert ist.

Wird der Sensor kalibriert und temperaturkompensiert geliefert, genügt in vielen Fällen eine Stichprobenkontrolle der Blenden, da die Bauteileschwankung moderner Spritzgussverfahren sehr gering ist.

Die sogenannte Massenfluss-Temperaturkompensation von Differenzdrucksensoren vereinfacht das Messen des Gasdurchflusses im Bypass-Prinzip. Die im Sensor integrierte Kalibrierung ist so ausgelegt, dass Flüsse über den gesamten Temperaturbereich korrekt gemessen werden können. Es bedarf also keiner zusätzlichen Temperaturkompensation bei der Umrechnung des Differenzdruck-Ausgangssignals in Massen- oder Volumenfluss. Das erspart dem Anwender eine aufwendige Charakterisierung des Bypass-Systems über verschiedene Fluss- und Temperaturmesspunkte.

Bypass-Konstruktion meistens überlegen

Zahlreiche Praxiserfahrungen und Härtetests für Produktzertifizierungen haben gezeigt, dass in den meisten Fällen eine Bypass-Konstruktion überlegen ist, wenn der Gasdurchfluss mit hoher Genauigkeit und Konstanz bei gleichzeitig geringen Kosten gemessen werden soll. Verglichen mit Messverfahren im Direktfluss lassen sich dadurch die Auswirkungen der Einlaufbedingungen verringern. Außerdem führt es zu einer deutlich höheren Sauberkeit des Gases über dem Sensor. Wird ein thermischer Differenzdrucksensor eingesetzt, kann dank dessen hoher Genauigkeit bei kleinsten Flussraten auch um den Nullpunkt äußerst präzise gemessen werden. Die Kalibrierung des Sensors auf Differenzdruck und eine geeignete Temperaturkompensation erübrigen in vielen Fällen eine zusätzliche Kalibrierung.

Bildergalerie

  • Die Differenzdruck/Fluss-Charakteristik einer Blende ist meist eine Kombination aus linearen und quadratischen Anteilen.

    Die Differenzdruck/Fluss-Charakteristik einer Blende ist meist eine Kombination aus linearen und quadratischen Anteilen.

    Bild: Sensirion

  • Eine Blende mit Lamellenanordnung kann einfach herstellt werden.

    Eine Blende mit Lamellenanordnung kann einfach herstellt werden.

    Bild: Sensirion

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