Auf Basis von Stammzellen Gehirngewebe aus dem 3D-Drucker

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Künstlich nachgezüchtete Nervenzellen könnten dabei helfen, Erkrankungen näher zu erforschen.

Bild: iStock, 4X-image

28.07.2017

Durchbruch in der Medizin: Australischen Forschern ist es gelungen, mit einer „Bio-Tinte“ aus Stammzellen Nervengewebe per 3D-Druck nachzuzüchten.

Sogenannte pluripotente Stammzellen sind eine Geheimwaffe in der Medizin, denn sie sind in der Lage, sich zu jeder beliebigen Körperzelle zu entwickeln. Das prädestiniert sie zu einer idealen Lösung, um beschädigtes Körpergewebe nachzuzüchten, ohne auf künstliche Implantate zurückgreifen zu müssen. Diese werden vom menschlichen Immunsystem selten so gut angenommen wie körpereigenes Gewebe.

Lebendiges Gerüst aus dem 3D-Drucker

Das wohl komplexeste Gewebe im menschlichen Körper will das australische Forscherteam um Dr. Jeremy Crook mithilfe von 3D-Druck nachproduzieren: Nervengewebe. Diese haben sie mit dem 3D-Drucker schichtweise in einer Art Webmuster aufgetragen, bis ein winziger Würfel mit 5 Millimetern Kantenlänge entstanden ist. in dieses gedruckte Gerüst haben die Forscher dann Nährstoffe und Chemikalien injiziert, die die Stammzellen zum Wachsen stimulieren. Ein größeres Stück Gewebe müsste man über eine Art Blutkreislauf versorgen. Für Studien in einem so kleinen Rahmen sei aber diese Art der Versorgung ausreichend, meint Dr. James Crook.

Über den genauen Verlauf dieses Experiments hat unter anderem das Magazin Advanced Healthcare Materials berichtet.

Stammzellen gegen Schizophrenie und Parkinson

Aus den auf diese Weise gezüchteten Stammzellen sollen Neuronen für Transmitter der Botenstoffe GABA und Serotonin entstehen. Denn ein chemisches Ungleichgewicht ebendieser Stoffe aufgrund von defekten Nervenzellen liegt unterschiedlichen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Epilepsie zugrunde. Eine fehlerhafte Dopamin-Produktion hingegen ist mitverantwortlich für Parkinson, daher will Dr. Jeremy Cook mit seinem Team als nächstes Nervenzellen für die Dopamin-Produktion mithilfe dieser Methode „nachzüchten.“

Nägel im Gehirngewebe?

So beeindruckt die Stammzellentechnologie auch ist, birgt sie - von moralischen Fragestellungen abgesehen - ihre eigenen Risiken. Denn nicht immer lässt sich genau kontrollieren, zu was sich Stammzellen entwickeln. Im schlimmsten Fall wuchern sie zu Teratomen, einem abnormalen Mischgewebe, das andere Körperzellen enthält als die gewünschten. Das geht bis hin zu Fingernägeln im Gehirngewebe oder Zähnen in Eierstöcken. Deshalb testet Dr. Crooks Team derzeit, ob auch aus ihrem 3D-gedruckten Gewebe sich Teratome bilden.

Ganze gedruckte Organe sind noch Zukunftsmusik

Studien wie die von Dr. Crook sind lediglich ein erster Schritt in Richtung künstlich erschaffener Körperorgane auf Basis von körpereigenen Zellen. So ist das von den Forschern gefertigte Gewebe viel zu einheitlich, während ein echtes menschliches Gehirn unterschiedlich beschaffene Gebiete mit entsprechend vielfältiger Neuronenstruktur aufweist. Bis man ganze komplexe Organe per 3D-Druck nachzüchten kann, ist es also noch ein langer Weg.

In der jetzigen Form birgt die Technologie jedoch vor allem Potenzial für die Forschung und Entwicklung. So könnte man beispielsweise von einer Nervenerkrankung betroffenes Gewebe eines Patienten auf diese Weise rekonstruieren, um es individuell zu untersuchen und mit den Proben einer gesunden Person zu vergleichen. Auch würde sich künstlich erschaffenes Gewebe zum Testen von Medikamenten und alternativen Behandlungsmethoden eignen.

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