Biomasse-Verwertung TU Wien eröffnet Wirbelschicht-Versuchsanlage

Biomasse-Verwertung: Mit der sieben Meter hohen Versuchsanlage, die über zwei Stockwerke auf jeweils 35 Quadratmetern aufgebaut wurde, können Großanlagenprojekte in der Konzeptphase und im Basic Engineering unterstützt werden.

Bild: TU Wien
02.12.2015

Durch eine neuartige Reaktorkonstruktion kommen Brennstoff und dessen Produktgas intensiver in Kontakt mit wirbelnden heißen Sand - daher funktioniert die Vergasung mit schwierigen alternativen Brennstoffen besser.

Die österreichische Technologie will international Maßstäbe in der Biomasse-Vergasungstechnik setzen. Die TU Wien hat eine neue, weiter verbesserte Wirbelschicht-Versuchsanlage in Betrieb genommen. Beim Verbrennen von Biomasse, Müll oder Industrie-Reststoffen kann zwar die gespeicherte Energie genutzt werden, nicht aber die Moleküle, aus denen das Material zusammengesetzt ist. Das wäre aber sinnvoll, denn zum Beispiel aus biogenen Reststoffen lassen sich wertvolle Produkte gewinnen, wie etwa Wasserstoff, Methan, Hythan oder sogar Methanol und Diesel.

An der TU Wien wird seit über zwanzig Jahren an einem Verfahrenskonzept geforscht, das beides gleichzeitig kann – Wärmeenergie bereitstellen und einen chemischen Energieträger erzeugen. Das sogenannte Produktgas dient dabei als Grundlage für unterschiedliche Synthesen. Nach zweijähriger Vorbereitungsarbeit konnte nun eine neue Anlage in Betrieb genommen werden, die mit einer sehr breiten Palette an Brennstoffen zurechtkommt.

„Die entscheidende Idee bei der Zweibett-Wirbelschicht-Vergasung ist, dass wir den Prozess in zwei verschiedene Kammern aufteilen“, erklärt Johannes Schmid vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften der TU Wien. In der einen Kammer wird der Brennstoff bei hohen Temperaturen in ein wertvolles Produktgas umgewandelt. In dieser Kammer befindet sich keine Luft, sondern Wasserdampf, daher verbrennt das Gas nicht. Feste Rest-Bestandteile des Brennstoffes gelangen sodann in die zweite Kammer, wo Luftsauerstoff zugeführt wird und die Verbrennung stattfindet. Diese Verbrennung liefert die nötige Hochtemperaturwärme für die erste Kammer. Übertragen wird die Wärme mit Hilfe von heißem Sand, der zwischen den Kammern zirkuliert.

Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Verbrennungsofen hat man bei diesem Verfahren zwei getrennte Gasströme: Einen Abgasstrom aus der Verbrennungskammer und einen Produktgasstrom aus der Vergasungskammer, der dann weiter genutzt werden kann. Entwickelt wurde diese Technologie seit Anfang der 1990er Jahre an der TU Wien. Die weltweit erste Wirbelschicht-Dampfvergasungs-Großanlage, basierend auf TU-Know-How, wurde 2001 in Güssing eröffnet. Anlagen in Oberwart und Villach folgten. International wurden in Senden/Ulm (Deutschland) und in Göteborg (Schweden) auch zwei Großanlagen gebaut, die auf der Technologie beruhen. Die Anlage in Schweden dient der Erzeugung von synthetischem Erdgas. Die österreichische Technologie bildet somit die Basis für eine ganzheitliche, klimafreundliche Energieversorgung für Haushalte, Industrie und dem Nahverkehr in Göteborg.

Nun gelang der nächste technologische Schritt nach vorne: An der TU Wien wurde kürzlich eine neue Versuchsanlage eröffnet. Umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse aus Forschungsarbeiten der letzten Jahre gingen in das Design der Anlage ein. „Durch eine neuartige Reaktorkonstruktion kommen der Brennstoff und dessen Produktgas viel intensiver in Kontakt mit dem wirbelnden heißen Sand, daher funktioniert die Vergasung nun auch mit schwierigen alternativen Brennstoffen besser“, erklärt Schmid. Mit der sieben Meter hohen Versuchsanlage, die über zwei Stockwerke auf jeweils 35 Quadratmetern aufgebaut wurde, sind zudem aussagekräftige wissenschaftliche Ergebnisse erzielbar. Damit können Großanlagenprojekte in der Konzeptphase und im Basic Engineering unterstützt werden.

Bisher wird in großen Biomassevergasungs-Anlagen hauptsächlich hochqualitatives, homogenes Holzhackgut verwertet. Die neue Anlage kommt auch mit schwierigeren Reststoffen zurecht. Vor allem kostengünstige, minderwertige Brennstoffe liegen im Fokus des Interesses: Abfälle aus der Papier- und Holzindustrie kommen in Frage. Getestet werden aber auch Abfallfraktionen oder andere biogene Reststoffe wie Zuckerrohr- und Olivenbagasse. Auch Biomasse-Kohle Mischungen oder Klärschlamm können auf diese Weise verwertet werden.

Nach einer umfangreichen Inbetriebnahmephase inklusive Sicherheitstests seit 2014 hat die neuartige Versuchsanlage nun insgesamt sieben Versuchsreihen hinter sich gebracht. Die ersten Messergebnisse sind bereits intern validiert und ausgewertet. „Wir werden nun viele weitere Versuchsreihen mit ganz unterschiedlichen Brennstoffen durchführen“, sagt Schmid, „aber schon jetzt sehen wir, dass die neue Anlage herausragende wissenschaftliche Erkenntnisse generieren wird.“

Die TU Wien sieht großes Potenzial in diesem neuen Wirbelschicht-Vergasungskonzept. Der Trend in der Energieversorgung geht von großen zentralen Kraftwerksanlagen zu kleineren, lokalen Lösungen. Interessant könnten solche Anlagen besonders für große Unternehmen sein, in denen viel verwertbare Reststoffe anfallen. Die Nutzung von am jeweiligen Standort anfallenden Reststoffen kann fossile CO2-Emissionen reduzieren und den Anteil erneuerbarer Energie für den betreffenden Industriestandort erhöhen. Die Anlage der TU Wien soll dazu beitragen, die weltweit führende Rolle Österreichs im Bereich der Biomasseverwertung weiter auszubauen.

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