Fachbeitrag Mieter sparen mit Mieterstrom

07.05.2014

Berliner Mieter packen die Energie­wende an und sparen in einem Gemeinschaftsprojekt Kosten. Aus Blockheizkraftwerken stammen Wärme und Strom. Smart Meter helfen dabei, die Energie für über 1000 Wohneinheiten intelligent zu managen.

„Mieterstrom“ verspricht einen Quantensprung auf der Suche nach alternativen Versorgungslösungen. Da die Netzdurchleitung Verluste und hohe Kosten mit sich bringt, ist die Stromerzeugung dort am effizientesten, wo die Energie tatsächlich verbraucht wird. Deshalb setzen der Energiedienstleister Urbana und die Gewobag Wohnungsbau-Aktiengesellschaft derzeit ein Pilotprojekt in Berlin um: In der Hauptstadt beziehen seit Mai 1423 Wohneinheiten Mieterstrom. Von Strom und Wärme aus dem Blockheizkraftwerk (BHKW) bis hin zur Zählerinfrastruktur in den Wohnungen – das Konzept ist auf die Ansprüche der Liegenschaft im Bezirk Spandau zugeschnitten. Die Mieterstromvermarktung verspricht den Vermietern der Immobilien Vorteile beim ökologischen Nutzen und ermöglicht den Mietern, günstigen Strom zu beziehen. Darüber hinaus kann der Dienstleister den nicht verkauften Strom über den eigenen Bilanzkreislauf vermarkten.

Dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) liefern dabei eine Kombination aus Wärme und Strom, die hocheffizient im Gebäude produziert werden. Das dabei entstandene „Abfallprodukt“ Strom können die Bewohner auf Wunsch ohne Umwege über das öffentliche Netz direkt vor Ort nutzen. Mit der Mieterstromvermarktung entfallen Infrastrukturausgaben, da keine Stromleitungen außerhalb des Hauses benötigt werden. Urbana investiert in die Infrastruktur, fungiert als Wärmelieferant und tritt gleichzeitig als Stromlieferant auf, der alle notwendigen Maßnahmen für Immobilien­besitzer und Mieter regelt. So sind die Verbraucher von Schwankungen auf dem Strommarkt weitgehend unabhängig. Zudem ist der Strom aus der KWK-Anlage günstiger als der des örtlichen Grundversorgers. Abhängig von Haushaltsgröße und Tarif können sie so rund 100 Euro pro Jahr sparen.

Noch mehr Sparmöglichkeiten sollen Smart Meter bringen. Alle Liegenschaften werden mit den „intelligenten“ Zählern und der dazugehörigen Infrastruktur ausgestattet. Urbana verantwortet die Lieferung des Gesamtenergiebedarfs, die Beschaffung und Installation der Smart Meter, deren Auslesen und die Abrechnungen. Die Deutsche Telekom schließt das Smart-Meter-Gateway an das Kommunikationsnetz an, überträgt die Verbrauchsdaten und verarbeitet sie für Geschäftsprozesse wie Anbieterwechsel und Abrechnung. Der Mieter hat jederzeit Zugang zum aktuellen Verbrauch, Verlaufskurven für bestimmte Zeiträume und zur jährlichen Abrechnung.

Module zur Datenverarbeitung

Als erstes Modul steht eine Smart-Metering-Plattform in der Verarbeitungskette. Sie initiiert das Auslesen der Daten und verwaltet die Adressen der Smart Meter und ihrer Gateways. Diese Kommunikationseinheiten lesen mehrere Zähler aus – ganz unabhängig davon, ob es sich um Strom-, Gas- oder Wasserzähler handelt. Inzwischen verwaltet die Smart-Metering-Plattform 30.000 Zählpunkte unterschiedlicher Kunden: Von 2000 Zählern in Friedrichshafen für Stadtwerk am See bis zu 15.000 Zählern für RWE im Projekt „Mülheim zählt“.

Möglich wird dies durch Cloud Computing. Verschiedene Energieunternehmen nutzen gemeinsam Programme und IT-Ressourcen aus zentralen Rechenzentren und zahlen einen Pauschalpreis pro Zählpunkt und Monat. Damit wird die Lösung skalierbar und wächst mit den Anforderungen. Dies ist wichtig, weil die Einführung von Smart Metering ein langfristiges Projekt ist. Energieversorger können so Schritt für Schritt die notwendige Informationstechnik aufbauen, ohne Kapital in Hard- und Software zu investieren. Eine Rechnergeneration ist nach drei Jahren veraltet, der Smart-Meter-Rollout wird aber deutlich länger dauern.

Das zweite Modul ist ein Meter-Data-Management. Es übernimmt die Verbrauchsdaten aus der Smart-Metering-Plattform und stellt die Informationen für unterschiedliche nachgelagerte Prozesse bereit wie etwa für die Bilanzkreis­abrechunung oder für die Wechselprozesse. Das dritte Modul ist eine modifizierte SAP-Branchenlösung für Energieversorger. Viele typische Prozesse sind schon vorkonfiguriert, einige individuell angepasst worden, und auch die Benutzeroberfläche hat die Telekom überarbeitet. So sind einige Menüpunkte bereits nach zwei Mausklicks erreicht und nicht nach sieben. Kleine Hilfetexte machen es auch ungeübten Nutzern leicht, sich zurechtzufinden. Das ist gerade für Call Center relevant, da so der Schulungsaufwand sinkt. Darüber hinaus hält die Telekom die Software auf dem neuesten Stand – mit allen Vorgaben der Bundesnetzagentur. Auch dies gehört zum festen Dienstleistungsumfang.

Die Cloud als zentrale Drehscheibe

Alle Module sind aus der Cloud verfügbar und werden nach „Verbrauch“ abgerechnet (pro Zählpunkt und Monat). So können auch kleine bis mittelständische Unternehmen mit umfangreichen Programmen wie SAP arbeiten. Als Servicedienstleister bietet die Telekom die gesamte Smart-Meter-Infrastruktur an. Denn für viele Energieunternehmen lohnt sich der Aufbau solch komplexer Lösungen nicht.

Zum Lösungsbaukasten zählen Installation, logistische Unterstützung, Soft- und Hardware, Informationstechnik oder Kommunikationsnetze. Die Lösungen umfassen alle Sicherheitsaspekte und sind in Teilen oder als Gesamtangebot nutzbar: Angefangen vom Einbau der neuen digitalen Zähler über den Betrieb der Service-Gateways bis zum Anschluss an das Kommunikationsnetz sowie das Auslesen, sichere Übertragen und Verarbeiten der Daten. Dabei schließt die Telekom – je nach Dienst – auch eine Vereinbarung über dessen Verfügbarkeit.

Diese Flexibilität ist Urbana wichtig: Derzeit erhalten die Mieter jährlich eine Abrechnung, in Zukunft sollen die Nutzer jedoch in der Lage sein, ihre aktuellen Verbräuche per PC oder Smartphone in Echtzeit abzulesen.

Die Zahl der Kunden soll in den nächsten Jahren von 2100 auf 500.000 wachsen. Schon jetzt liegen zahlreiche Anfragen für weitere Eigenstromprojekte vor, denn das Konzept hat auch für Vermieter und Hauseigentümer klare Vorteile: Erstens wird die Attraktivität ihrer Wohnungen dank der Einsparungen erhöht, zweitens wird die Klimabilanz der Liegenschaft verbessert, ohne aufwendig in die Gebäudehülle investieren zu müssen.

Auch die energetischen Vorteile der Eigenstromvermarktung liegen auf der Hand. Keine Energie­erzeugung ist so effizient wie die KWK, die den Brennstoff zu 90 Prozent ausnutzt. Dank des direkten Verbrauchs vor Ort wird außerdem das zentrale Stromnetz nur auf einem sehr kleinen Teilstück benötigt. Da der Strom nur über eine sehr kurze Strecke durch öffentliche Energienetze geleitet wird, entstehen zum einen keine Energieverluste, und zum anderen entfallen die Netznutzungsentgelte. Zudem hilft die Einbindung von Smart Metern dabei, das Energiebewusstsein der Mieter zu steigern.

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