Energieerzeugung Südkoreas „New Green Deal“

04.04.2013

Südkorea macht einen radikalen Schwenk in Richtung Nachhaltigkeit. Besonders deutsche Unternehmen haben jetzt gute Chancen für einen Markteinstieg. Aber die Konkurrenz schläft nicht: Koreanische Konzerne schicken sich an, Weltmarktführer für grüne Energie zu werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, anschließenden innerkoreanischen Kriegen und Teilung, war Südkorea eines der ärmsten Länder der Welt. Mit hohen Wachstumsraten und staatlichen Industrieprogrammen holte das Land wirtschaftlich auf und überholte bereits einige europäische Länder.

Samsung Electronics und Hyundai Motor sind weltweit bekannte koreanische Marken, und weitere dürften bald ihren globalen Siegeszug antreten. Die großen Unternehmensgruppen sind dabei in sehr unterschiedlichen Industrien aktiv. So baut Samsung Heavy Industries auch Windkraftanlagen und ist in weiteren Energiebereichen tätig. LG, in Europa bekannt durch Elektronikprodukte, will bis 2015 etwa 20 Milliarden US-Dollar in Umwelttechnik investieren, davon ein Drittel in Solar.

Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland und der EU

Bis vor Kurzem galt Südkorea als weitgehend geschlossener Markt. Auf den Straßen und in den Läden waren kaum ausländische Marken zu sehen. Dies ändert sich nun rasant. Das Land öffnet sich und stellt die Wirtschaft auf eine breitere Basis, um die weitere Modernisierung zu schaffen. "Wir haben zwar einige der innovativsten Großkonzerne der Welt", erklärt Moo Ho Choi, Präsident des koreanischen Mittelständlers Bearing Art. "Aber es fehlt ein breiter, innovativer Mittelstand. Er und seine Innovationskraft sind die Basis für eine durchgehend gute Industriestruktur". Daher schloss Südkorea eine Reihe von Freihandelsabkommen wie 2011 mit der EU. Es ist das erste Abkommen der EU mit einem asiatischen Land. Innerhalb von sieben Jahren sollen die Einfuhrzölle auf alle Industriegüter vollständig abgeschafft werden, zudem sollen Handelshemmnisse abgebaut und der Marktzugang für Service-Anbieter verbessert werden.

Ein Jahr nach Inkrafttreten des Abkommens sind Produkte aus Deutschland in Korea keine Seltenheit mehr. Auf den Straßen fahren Oberklassefahrzeuge aus deutscher Produktion, in den Einkaufszentren tauchen immer mehr deutsche Marken auf. "Made in Germany gilt als Traumlabel", sagt Carsten Lienemann, stellvertretender Geschäftsführer der Deutsch-Koreanischen Industrie- und Handelskammer. Im zweiten Halbjahr 2011 exportierten EU-Unternehmen 22 Prozent mehr Waren nach Korea als im Vorjahresvergleichszeitraum, während von dort acht Prozent weniger in der EU ankamen. Deutschland hat daran einen Anteil von 40 Prozent, was sich in einem Handels-überschuss von knapp 1,5 Milliarden Euro niederschlug.

Südkorea hat sowohl mit China als auch mit Japan neue Wirtschafts- und Finanzabkommen, die Geschäfte in dieser Region erleichtern. "Davon wird unsere Wirtschaft profitieren, da unser Land sowohl von seiner technologischen Reife als auch von seiner Lage her zwischen diesen beiden großen Wirtschaftsnationen liegt", so Moo Ho Choi. "Auch mit der EU kommt jetzt die Vereinbarung des neuen Freihandelsabkommen zum Tragen". Die Marktöffnung bringe Chancen, da Korea im Zentrum des asiatischen Wirtschaftsraums liegt. "Damit ist Südkorea ein idealer Standort für Geschäfte in ganz Asien", fasst Moo Ho Choi die Standortvorteile zusammen, die sich durch die Öffnung ergeben.

Die Greentech-Offensive

Die wirtschaftliche Öffnung verbindet das Land mit einer Umstrukturierung nach ökologischen Kriterien. In seinen Programmen nimmt Südkorea weltweit einen Spitzenplatz ein. Über 80 Prozent der Investitionen der großen Konjunkturprogramme fließen in ökologische Projekte - in Deutschland sind es 13,8 Prozent. Die Neuausrichtung ist dringend nötig: 2010 lag Südkorea im Umweltranking des World Economic Forum noch auf dem letzten Platz unter den entwickelten Ländern.

Durch "grünes Wachstum" will das Land bis 2020 dreißig Prozent weniger Klimagase ausstoßen. Dabei fließt jedoch mehr als ein Drittel der "grünen" Investitionen in die CO2-freie Atomkraft. Bis 2022 soll die Zahl der Atomkraftwerke von heute 21 auf 33 steigen, ihr Anteil an der Stromproduktion bis 2030 von 35 auf 59 Prozent. Dagegen werden 2020 nur sechs Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Bis 2030 möchte Südkorea etwa 80 Reaktoren für 400 Milliarden US Dollar exportieren.

Die Wirtschaft wird stark vom Staat gelenkt, der eng mit der Wirtschaft vernetzt ist. Der "New Green Deal", der 2009 beschlossen wurde, sah bereits für den Zeitraum von vier Jahren über 28 Milliarden Euro vor. Schwerpunkte der koreanischen Umweltpolitik sind die Förderung sauberer Energieträger und die nachhaltige Senkung von CO2-Emissionen.

"Wenn jetzt Samsung Windkraft in Deutschland entwickelt, sehen wir das eher kritisch", sagt Kristian Kjaerholm, Business Direktor des dänischen Windkraftzulieferers Mita-Teknik. "Da wird eine neue Konkurrenz aufgebaut, Samsung will weltweit die Nummer eins der Windkraftbranche werden. Das halte ich auch für möglich. Vor über 20 Jahren hatte Dänemark in der Schiffsbaubranche weltweit die Spitzenstellung, jetzt ist Südkorea weltweit führend. Dies könnte sich in der Windkraftbranche wiederholen, nur noch viel schneller." SyYeon Kim, Event Marketing Planer von Samsung erklärt: "Ökologisches Wirtschaften beutetet für uns nicht nur die Produktion von Umwelttechnik. Dies zieht sich durch die gesamte Produktionskette und beginnt bereits bei der Beschaffung. Dabei können wir auch auf Erfahrungen aus Schiffbau oder Maschinenbau zurückgreifen. Mit unserer Technik möchten wir nicht nur weltweit der größte, sondern auch der beste Umwelttechnikproduzent werden."

Deutsche Technik gefragt

Doch die großen Unternehmensgruppen erzeugen nicht nur Synergien, sondern auch eine gewisse Trägheit. "Koranische Konzerne tendieren dazu, alles allein machen zu wollen," so Kjaerholm, "aber Kooperationen im Hightech-Bereich nutzen beide Seiten. Das merken die Konzerne hier zunehmend. Die Großkonzerne sind von unserer Technik überzeugt, da spielt es kaum eine Rolle, wenn unser Unternehmen eher mittel-ständisch ist. Der koreanische Staat behindert unsere Geschäfte nicht, er spielt eher eine positive Rolle. Er möchte nicht die fehlende Technik von Anfang an hier entwickeln lassen und sorgt eher dafür, dass die besten Produkte ins Land kommen."

Auf dem EU Gateway-Symposium in Seoul erklärt Josef Zimmermann von Zimmermann & Schilp Handhabungstechnik: "In Südkorea ist es auch schwer, ohne die landestypischen Netzwerke Fuß zu fassen. Hier braucht man Beziehungen und persönliche Kontakte." Simon Sanders, Laison Manager des EU Gateway Programm Office in Seoul ergänzt: "Für dieses Programm kann sich jedes Unternehmen aus der EU qualifizieren. Vor einer Teilnahme müssen jedoch zuvor Qualifikationsaufgaben gemacht werden."

Der Staat förderte bereits in der Vergangenheit gezielt Schlüsselindustrien, wie Automobil, Schiffbau oder Elektronik, um sie fit für den Weltmarkt zu machen. Diese Förderung konzentriert sich zukünftig auf Umwelttechnik. Entscheidungsträger insbesondere aus Schwellenländern werden von den staatlichen Agenturen gezielt zu Symposien, Messen oder zu Besichtigungsreisen eingeladen.

Nicht nur die Wirtschaft des Landes öffnet sich, sondern auch die Unternehmen. Besonders neue Umwelttechnikfirmen der großen Firmengruppen sind von Anfang an international und weniger koreanisch ausgerichtet: Bei der Windenergie-sparte von Samsung arbeiten beispielsweise bereits Deutsche, Inder und Dänen in der Entwicklung. Die Großkonzerne sind damit und durch ihre international verteilten Produkt-ionsstätten immer weniger national einzuordnen.

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