Fachbeitrag Nichts geht ohne den Faktor Mensch


Im Mittelpunkt: Die Planung eines Energiemanagementsystems darf die Befindlichkeiten der Menschen nicht vernachlässigen.

01.10.2013

Emotionale Faktoren standen bislang bei Betrachtung der Gesamtkosten im Zuge der Einführung eines Energiemanagementsystems nicht im Fokus. Doch der Mensch spielt eine entscheidende Rolle: Fehlendes Know-how, Angst oder Unwissenheit können die Kosten in die Höhe treiben.

Im Allgemeinen umfasst ein Energiemanagement die Summe aller Maßnahmen entlang der Prozesskette - vom Energieeinkauf bis zum Energieverbrauch -, die geplant und durchgeführt werden, um einen minimalen Energieeinsatz zu ermöglichen und die Kostensituation kontinuierlich zu verbessern. Funktionierendes Energiemanagement wird besonders im produzierenden Gewerbe immer wichtiger. Betriebe verringern damit ihren Ressourcenverbrauch, ihre Energiekosten sowie die CO 2-Emissionen, sie erhöhen ihre Wirtschaftlichkeit und entlasten die Umwelt. Ein funktionierendes Energiemanagementsystem (EnMS) ist ebenfalls die Voraussetzung, um künftig steuerliche Vorteile wie den Spitzenausgleich oder die anteilige Rückerstattung der EEG-Umlage nutzen zu können. Durch eine Zertifizierung erreicht das Unternehmen zudem eine positive Außendarstellung. Plant das Unternehmen unter Zeitdruck die Einführung eines EnMS - auch um rasch von Begünstigungen profitieren zu können - droht die Gefahr, dass angelegte Effizienzkriterien und Kostenerwägungen den eigentlichen Erfolgsfaktor „Mensch“ vernachlässigen.

Management mit Emotionen

Während sich Unternehmen bei der Einführung eines EnMS auf technische und formale Nachweise aus der Norm konzentrieren, wird dem „Faktor Mensch“ oft keine Beachtung geschenkt. Die Bedeutung von Widerständen bei der Einführung eines EnMS wird oft unterschätzt. Die Gründe dafür können vielfältig sein: Fehlendes Know-how, Angst, Unwissenheit, mangelnde Rückendeckung des Managements und alte Gewohnheiten, aber auch die Hemmung, externe Unterstützung anzunehmen. Folge davon können höhere Gesamtkosten und eine verzögerte Einführung eines EnMS sein. Im schlechtesten Falle um eine ganze Periode, was die Inanspruchnahme finanzieller Erleichterungen in Form der EEG-Härtefallregelung oder des Spitzenausgleiches für diese Periode unmöglich macht.

Erfolgsfaktoren für Energiemanagementsysteme

Die erfolgreiche Einführung eines Energiemanagementsystems nach DIN EN ISO 50001 integriert von Anfang an den Faktor Mensch in das Projekt. Zu Beginn der Einführung eines EnMS steht immer der Beschluss des Managements. Mit dieser Selbstverpflichtung erfolgt eine klare Positionierung zum Erfassen und Analysieren der aktuellen Energiedaten und zur Aufdeckung von Potenzialen. Dabei muss deutlich werden, dass das EnMS ein Querschnittsthema ist. Das Management muss sicherstellen, dass von Anfang an Personen aller Ebenen und Funktionen mit Einfluss auf die wesentlichen Energieeinsatzbereiche eingebunden, informiert und motiviert werden - also der Faktor Mensch in das Projekt integriert ist. Die Norm selbst spricht dabei von der „Verantwortung des Top-Managements“, das EnMS zu unterstützen, indem eine Energiepolitik formuliert wird und die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Bei den Ressourcen wird an erster Stelle nicht, wie zu vermuten wäre, die Installation von Messtechnik oder die Anschaffung von Software genannt. Vielmehr steht in der Norm bereits hier der Mensch im Mittelpunkt: Ein Energiemanager muss ernannt und die Bildung eines Energieteams befürwortet werden. Die bereitzustellenden Ressourcen umfassen zu allererst „Mitarbeiter und Fachkompetenzen“. Nur so lässt sich die konsequente Anwendung der Verfahren gewährleisten. Werden diese Grundvoraussetzungen nicht ausreichend berücksichtigt, wirken sich die emotionalen Faktoren negativ auf das Projekt aus. Angst tritt überall dort auf, wo der Mensch eine nicht genau definierbare Bedrohung vermutet, die sich aus einer Unwissenheit über anstehende Veränderungen ableiten lässt. Fehlendes Wissen bei Veränderungsprozessen führt zudem zu Grundsatzdiskussionen und mangelnder Kooperation der Beteiligten. Die Mitarbeiter befürchten dauerhafte Mehrbelastungen. Startverzögerungen sind die Folge und vermeidbare Doppelarbeit (Blindleistung) verteuern das Projekt. Diese Faktoren werden in der Berechnung unter dem „Faktor Mensch“ zusammengefasst.

Analyse des Kostenverlaufs

Der Kostenverlauf von Szenarien auf Vollkostenbasis wurde in zwei Fällen analysiert (Tabelle oben): Beiden Annahmen liegt ein Modellunternehmen mit 300 Mitarbeitern zugrunde. Angenommen werden ein Stromverbrauch von 40.000MWh/aund ein Verbrauch an Erdgas in Höhe von 20.000MWh/a. Der Gesamtenergieverbrauch fällt an drei Standorten an, wovon zwei unter die sogenannte EEG-Härtefallregelung fallen. Ausgehend von praxisnahen Energiepreisen und den für 2012 gültigen Steuern, Abgaben und Umlagen wird die Hochrechnung über zehn Jahre angelegt. Szenario I geht davon aus, dass ein externer Dienstleister bei Aufbau und Einführung des Energiemanagementsystems zur Beratung eingesetzt wird. Die weichen Faktoren werden entsprechend ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und Ausprägung kalkuliert. Szenario II geht zusätzlich von einer Kosteneinsparung durch Eliminieren der weichen Faktoren aus, bei gleichzeitig etwas höheren Beratungskosten „Berater mit Soft-Skills“. Die sonstigen Ausgaben bleiben wie in Szenario I. Im ersten Block (Nummern 1 bis 8) sind alle Kostenbestandteile aufgeführt (inklusive des Kostenfaktors „Mensch“). Diese werden in Zeile 9 summiert. Der zweite Block beinhaltet dem gegenüberstehende Einsparungen durch bewussten Umgang der Mitarbeiter mit Energie und den Energiesparprojekten, die sich aus dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess ergeben. Hinzu kommen die Vergünstigungen aus dem EEG und StromStG, die entfallen würden, wenn kein EnMS vorhanden ist (Fiktion der Nichtbegünstigung). Der Saldo (mit und ohne Abgaben-/Steuereffekten) ist in Zeile 15 und 16 dargestellt. Eine Verbesserung der Kostensituation durch Berücksichtigung des „Faktors Mensch“ weist Zeile 17 aus. Der Zusatzaufwand, der einkalkuliert werden muss, um den „verbesserten Zustand“ Szenario II zu erreichen, zeigt Zeile 18. Die resultierende Einsparung (Differenz Szenario II zu Szenario I) kann man Zeile 19 entnehmen.

Auswirkungen des Faktors Mensch

Bei der Vollkostenrechnung schlagen in Szenario I die „weichen Faktoren“ voll zu Buche. Der Fluchtreflex, fehlendes Wissen und die falsche Zusammensetzung des Energieteams stellen in der Einführungsphase die größten Kostentreiber dar. Wird das System trotz all dieser Hürden etabliert, drohen weiterhin jährlich Kosten in beträchtlicher Höhe. Werden die Mitarbeiter im Rahmen von Schulungen, aber auch Workshops und Arbeitsgruppen in das Projekt einbezogen, kann der emotionale Aspekt einen Erfolgsreflex auslösen. Das diffuse Gebilde „Managementsystem“ nimmt konkrete Formen an und wird zu einem praktikablen Werkzeug, das von allen Beteiligten mitgestaltet wird.

Alle Beteiligte mit einbeziehen

Wird die Einführung eines EnMS von Anfang an unter Einbeziehung des Erfolgsfaktors Mensch ausgeführt, profitiert das Unternehmen von einer effektiven Umsetzung, einer maximalen Funktionalität des Systems und einer Kostenminimierung. Das Energieteam wird von Anfang an erfolgreich zusammenarbeiten und vom Management unterstützt. Kompetente Beratung ist dabei auch auf die beschriebenen emotionalen Aspekte ausgelegt und räumt Themen wie Teambildung und Ressourcenmanagement den nötigen Stellenwert ein. Szenario II beleuchtet diese Vorgehensweise wirtschaftlich. Kommt es bei der Einführung eines Energiemanagementsystems zur Berücksichtigung der beschriebenen Aspekte, amortisiert sich der Aufwand bereits innerhalb des ersten Jahres.

Bildergalerie

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        Vollkostenbetrachtung: Bei einem Energiemanagementsystem müssen immer allen Faktoren in die Rechnung mit einbezogen werden.

    Vollkostenbetrachtung: Bei einem Energiemanagementsystem müssen immer allen Faktoren in die Rechnung mit einbezogen werden.

    Bild: DB Energie

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        Dipl.-Ing. Martin Schach, Senior Consultant bei der DB Energie GmbH in Frankfurt

    Dipl.-Ing. Martin Schach, Senior Consultant bei der DB Energie GmbH in Frankfurt

    Bild: DB Energie

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