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Interview „Makerboards in der Industrie sind zur Zeit nur ein Hype“

SECO Northern Europe GmbH

Manfred Garz, Geschäftsführer von Garz & Fricke, sieht Makerboards nicht als Konkurrenz für die eigenen Produkte.

Bild: Garz & Fricke
30.06.2017

Seit der Raspberry Pi vor 5 Jahren vorgestellt wurde, spaltet die Frage nach seiner Industrietauglichkeit die Ingenieurgemeinde. Nach anfänglich großer Skepsis setzen ihn nun vermehrt Unternehmen in Industriegeräten ein. Wir haben mit Manfred Garz (49), Geschäftsführer des Embedded-Herstellers Garz & Fricke, über diesen Trend gesprochen.

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E&E:

Eignen sich Makerboards wie der Raspberry Pi für die Industrie?

Manfred Garz:

Das kann man nicht mit ja oder nein beantworten. Rein technisch kann der Raspberry Pi schon in der Industrie eingesetzt werden. Das ist ja ein breites Feld. Für Geräte, die langzeitverfügbar sein müssen, ist er aber ungeeignet.

Die Technik ist also nicht das Problem?

Ich bin davon überzeugt, dass sowohl die Qualität des Boards als auch die Softwareunterstützung durch den Herstellers und die dahinterstehende Community dafür ausreichen, um industrielle Projekte umzusetzen. Gerade für Geräte, die in großen Stückzahlen gebaut werden, kann man den Raspberry Pi gut verwenden. Das gilt allerdings nur, wenn die Produktlebenszeit sehr kurz ist, vielleicht zwei Jahre. Viele industrielle Produkte, zum Beispiel in der Automatisierung und der Medizintechnik, haben aber Lebenszyklen von 10 oder 15 Jahren. Da setzt kein Unternehmen auf den Raspberry Pi. Für solche Geräte eignet sich weder das Produktmodell, beziehungsweise die Produktpflege, seines Herstellers der Raspberry Pi Foundation, noch der verbaute Prozessor von Broadcom.

Welche Schwierigkeiten gibt es mit diesem?

Er ist nicht allgemein verfügbar, wird also von Broadcom nicht ganz normal vertrieben. Sobald ein Modell des Raspberry Pis nicht mehr lieferbar ist, kann man es also nicht einfach nachbauen. Es gibt für ihn auch keine Langzeitverfügbarkeitserklärung, wie es bei anderen Prozessoren der Fall ist.

Sie haben außerdem die Produktpflege angesprochen. Welche Schwierigkeiten bestehen dort?

Von der Raspberry Pi Foundation gibt es keine Support- oder Logistikversprechen. Das ist bei unseren Produkten vollkommen anders. Wir schließen Vereinbarungen mit unseren Kunden. Bei Abkündigungen von Bauteilen auf unseren Boards lagern wir dann genügend ein, um sie über den gesamten vereinbarten Zeitraum liefern zu können. Die Kunden können die Boards also auch nach Jahren noch bei uns beziehen. Wir hinterlegen die Produktdaten außerdem bei Escrow Agents. Falls wir als Lieferant ausfallen, kann der Kunde das Board woanders weiterproduzieren. Außerdem bieten wir Langzeitsupport. Es gibt also ein Supportversprechen mit festen Stundensätzen. Die Kunden können sich darauf verlassen, dass ihnen Mitarbeiter für die Beratung und Hilfe zur Verfügung stehen. Das alles ist beim Raspberry Pi nicht gegeben. Wir sehen ihn deshalb auch nicht als Konkurrenten zu unseren Produkten.

Trotzdem setzen immer öfter Firmen auch bei Industriegeräten mit langer Verfügbarkeit auf den Raspberry Pi.

Es gibt solche Projekte. Ich halte es aber für eine überschaubare Anzahl. Für manche spielt sicherlich auch die starke Softwarebasis des Raspberry Pi eine Rolle. Der Rechner hat eine unglaublich starke Gemeinde, weshalb sehr viel Software vorhanden ist. Dadurch kann man sehr schnell Produkte bauen. Ein weiterer Punkt ist auch, dass es keine kommerzielle ARM-Plattform gibt, auf der Windows 10 läuft. Bei dem Raspberry Pi geht das. Ob es sinnvoll ist, sei dahin gestellt. Ich denke, einige Hersteller verwenden den Rasp- berry Pi aber auch nur für das Marketing.

Die Hersteller wollen von der Bekanntheit des Raspberry Pi profitieren?

Genau. Sie nutzen ihn als Werbung. Andere Hersteller verwenden ihn als Basis, um ein Produkt schnell auf den Markt zu bringen. Nach einiger Zeit schieben sie dann ein selbst entwickeltes Gerät nach. Das ähnelt der Softwareproduktion im Silicon Valley. Dort werden auch schnell Prototypen auf den Markt gebracht, um sie bekannt zu machen und zu testen.

Anfang des Jahres hat die Raspberry Pi Foundation mit dem Compute Modul 3 ein angeblich speziell auf die Industrie zugeschnittenes Modul veröffentlicht. Löst es die angesprochenen Probleme?

Das ist ihr zweiter Versuch mit einem solchen Modul. Der erste hatte keinen Erfolg. Grundsätzlich ändert sich dadurch nichts. Die Probleme bleiben bestehen. Bei dem Broadcom-Prozessor ist die Langzeitverfügbarkeit nicht gegeben und er wird nicht frei verkauft. Auch wie lange das Modul selbst verfügbar sein wird, ist unbekannt.

Ist die Langzeitverfügbarkeit bei anderen Makerboards, wie dem Arduino oder dem Beagleboard, gegeben?

Nein, auch bei diesen Rechnern ist unklar, wie lange einzelne Modelle lieferbar sind. Und auch bei ihnen gibt es keine ausreichenden Supportversprechen. Da unterscheiden sie sich nicht vom Raspberry Pi.

Ist Open Source generell für den Indus- triebereich sinnvoll oder nur schwer zu verwenden?

Die Frage stellt sich meines Erachtens nicht mehr. Open Source hat sich in vielen Bereichen fest etabliert. Da gibt es bei vielen Firmen gar keine Diskussion mehr. Die Nachfrage nach Windows 10 geht bei uns beispielsweise deutlich zurück. Stattdessen sind Linux und Android gefragt.

Stellen Makerboards in der Industrie nur einen kurzen Hype dar oder werden sie sich langfristig etablieren?

Ich kann mir schon vorstellen, dass sie langfristig eine Rolle spielen und es Modelle gibt, die sowohl für Bastler als auch Industrieunternehmen interessant sind. In der jetzigen Form ist es aber ein ziemlicher Hype, der vor allem durch das Internet of Things befeuert wird. Der wird so nicht langfristig überdauern.

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