Smart Water & Resources Saubere Wärme aus Abwasser

Unkonventionelle Wärmequelle: Die Nutzung von Abwasserwärme ist noch wenig verbreitet, hat aber Potenzial. Allein in Deutschland gibt es knapp 10.000 kommunale Abwasserreinigungsanlagen.

Bild: Stiebel Eltron
20.05.2015

Dem einen stinkt’s, für den anderen ist es Teil eines intelligenten Energiekonzepts: Klärschlamm. Der Betreiber eines Klärwerks in einer kleinen Gemeinde in Bayern nutzt den anfallenden „warmen“ Klärschlamm zur Gewinnung von Heizenergie für ihr Betriebsgebäude.

Wer sauberes Wasser will, muss investieren. So wie der Zweckverband Abwasserbeseitigung im Raum Hengersberg, Niederbayern: Im Jahr 2012 wurde die örtliche Kläranlage in Niederalteich aufwendig saniert und ausgebaut. Ausgelegt ist sie für den Bedarf von bis zu 28.000 Einwohnern; derzeit sind rund 500 Gewerbebetriebe mit einem erhöhten Klärbedarf angeschlossen, dazu kommen rund 10.000 private Haushalte. Die Gesamtmenge des täglichen Brauchwassers ist allerdings stark vom jeweiligen Wetter abhängig: Bei Regen gelangen über 12.000 m3 in die Anlage, an trockenen Tagen sind es teilweise nur 2800 m3.

Bei dem Ausbau wurde das Betriebsgebäude im Erd­geschoss komplett renoviert und um ein Obergeschoss aufgestockt, außerdem wurden neue Klärbecken dazugebaut – zwei sogenannte Belebungsbecken. Und die haben es in sich: Kollektoren entziehen darin dem Beckeninhalt Wärme und führen diese anschließend der Wärmepumpe zu. Das gelingt, weil im Belebungsbecken aerobe Mikroorganismen das Abwasser „bearbeiten“. Deren Stoffwechselaktivität wiederum garantiert das ganze Jahr über eine relativ hohe Grundtemperatur – im Sommer liegt sie bei rund 14 °C, im Winter bei mindestens 5 °C, der Schnitt pro Jahr beträgt etwa 12 °C.

500 Meter Rohrleitungen

Im Prinzip arbeiten die beiden Kollektoren in den 3000 m3 fassenden Klärbecken wie Erdkollektoren, nur dass man sich in Niederalteich die dafür notwendigen Bohrungen sparen konnte – und natürlich auch die Kosten dafür. Stattdessen sind sie mit PE-Rohren verbunden, die in Schleifen an den jeweiligen Innenwänden der beiden Becken angebracht sind. Insgesamt 500 m Rohrleitungen wurden verbaut, aufgrund des korrosionstechnisch vergleichsweise aggressiven Abwassers sind sie mit Spezialhalterungen aus Edelstahl befestigt − und zwar mit 15 cm Abstand zur Beckenwand, damit sich keine Schwebteile in der Konstruktion festsetzen können.

Hinter der Anlage steht ein Heizkonzept mit regenerativer Energie, das im Zuge der Renovierung des Betriebsgebäudes realisiert wurde. Anstelle der alten Ölheizung sorgt dort jetzt eine Sole/Wasser-Wärmepumpe von Stiebel Eltron für die Beheizung und Warmwasserbereitung. Zum Einsatz kam der Typ WPF 10 mit 13 kW Heizleistung. Im Technikraum des Gebäudes untergebracht sind außerdem ein Pufferspeicher SBP 200 E mit 200 Litern Fassungsvermögen sowie ein Warmwasser-­Standspeicher SBB 302 WP mit 300 Litern und einer Wärmetauscherfläche von 4,8 m2 – es handelt sich um den kleinsten verfügbaren Speicher mit der größten Wärmetauscher­fläche. Sie überträgt die Wärme besonders effizient.

Die Wärmepumpe versorgt über den Pufferspeicher die Fußbodenheizung im Betriebsgebäude. Die beheizbare Grundfläche beträgt knapp 150 m2. Hinzu kommt der einzige Heizkörper im Gebäude, der aber auf die Fußbodenheizungstemperatur ausgelegt ist, so dass kein Mischer nötig ist. Die Warmwassertemperatur ist auf 47 °C voreingestellt, zur Legionellenprophylaxe wird sie einmal am Tag auf über 60 °C hochgefahren. Neben den üblichen Entnahmestellen etwa in der Küche muss auch eine Dusche mit Warmwasser versorgt werden. Da bis zu vier Personen auf dem Betriebsgelände arbeiten, wurden entsprechende tägliche Duschgänge ins Konzept eingeplant.

Wärmequelle mit Potenzial

Die Idee zu dieser unkonventionellen Wärmegewinnung aus Klärschlamm stammt vom Niederalteichner Klärmeister selbst. Die Grundsatzentscheidung, im Zuge der Renovierung und Erweiterung erneuerbare Energien zu nutzen, fiel allerdings auf „höherer“ Ebene: Für Bürgermeister Christian Mayer steht moderne und umweltschonende Technik ganz obenan. Der Haken bei der Sache: Diese originelle Lösung eignet sich ausschließlich für kommunale Abwasserreinigungsanlagen.

Als Wärmereservoir haben Kläranlagen hohes Potenzial – das sich aber nur – wie im Fall Niederalteich – für den Kläranlagenbetrieb selbst nutzen lässt. Denn aus naheliegenden Gründen liegen Kläranlagen abseits von Wohn- und Gewerbe­gebieten. Und Nahwärmenetze lohnen sich nicht: Der Verlust ist selbst auf den vergleichweise kurzen Strecken zu hoch. Allerdings gibt es allein in Deutschland knapp 10.000 Klär­anlagen. Und ganz sicher sind darunter zahlreiche mit Renovierungsbedarf.

Bildergalerie

  • Bereit zum Wärmesammeln: 
Der Wärmekollektor an der Becken­innenwand reicht zur Beheizung und Warmwasserbereitung des Betriebsgebäudes aus.

    Bereit zum Wärmesammeln:
    Der Wärmekollektor an der Becken­innenwand reicht zur Beheizung und Warmwasserbereitung des Betriebsgebäudes aus.

    Bild: Stiebel Eltron

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