Smart Traffic & Mobility Wasserstofftankstellen für Deutschland

Die Wasserstoffstation in der Hamburger Hafencity: Hier wird 50 % des Wasserstoffs direkt vor Ort per Elektrolyse erzeugt.

11.09.2013

Wasserstofffahrzeuge oder Tankstellen - was kommt zuerst? Ein Problem bei vielen Technologien mit besonderen Infrastrukturen. Clean Energy Partnership definiert notwendige technische Standards für einen reibungslosen Betrieb von Fahrzeugen und Tankstellen. Für die Marktreife wird die Infrastruktur ausgebaut.

Ohne Tankstellen keine Wasserstofffahrzeuge, und ohne Fahrzeuge keine Tankstellen. Diese Thematik ist entscheidend für den Aufbau einer neuen Technologie inklusive Infrastruktur. Die Arbeit der Clean Energy Partnership (CEP) setzt allerdings bereits einen Schritt vorher an: Global Player unterschiedlicher Branchen definieren gemeinsam technische Standards, die für den reibungslosen Betrieb der Anlagen notwendig sind. Im zweiten Schritt erfolgt derzeit der Ausbau des Tankstellennetzes auf zunächst 50 Stationen. Die Erkenntnisse aus dem Betrieb der Tankstellen sollen zur Marktreife führen. In der Clean Energy Partnership erproben führende Industrieunternehmen die Systemfähigkeit von Wasserstoff (H 2) als Kraftstoff. Hervorgegangen aus der „Verkehrswirtschaftlichen Energiestrategie“ (VES) wurde die CEP im Dezember 2002 als gemeinsame Initiative von Industrie und Politik unter Federführung des Bundesverkehrsministeriums etabliert. In der CEP arbeiten Technologie-, Mineralöl- und Energiekonzerne sowie die Mehrzahl der größten Autohersteller und führende Betriebe des öffentlichen Nahverkehrs gemeinsam daran, technische Standards für die Wasserstoffmobilität zu entwickeln.

Technische Ansätze demonstrieren

Jede CEP-Tankstelle ist bisher in ihrer Bauart unterschiedlich und liefert Erkenntnisse, die Technologie zu vereinheitlichen. In der ersten Projektphase wurde die H 2-Tankstelle an der Heerstraße in Berlin-Spandau aufgebaut. Auch heute ist die im Frühjahr 2006 eröffnete Station noch eine der am stärksten frequentierten H 2-Tankstellen der Welt, was auch daran liegt, dass hier die Wasserstoffbusse der Berliner Verkehrsbetriebe betankt werden. 2008 startete die zweite Projektphase. Neben dem Produktionsverfahren und der Antriebestechnik stand dabei die Tankstellentechnologie im Fokus. Die Eröffnung der Tankstelle an der Berliner Holzmarktstraße im Jahr 2010 setzte neue Standards für den Infrastrukturausbau: Der Wasserstoff wird hier erstmals direkt vor Ort mittels Elektrolyse erzeugt. Mit Beginn der dritten Projektphase 2011, die 2016 in der Marktvorbereitung enden soll, wurde der Fokus auf den Ausbau des Tankstellennetzes und auf mehr Kundenfreundlichkeit gelegt. Mitte 2011 weihte der CEP-Partner Shell seine erste H 2-Tankstelle in Deutschland ein: Die Anlage am Berliner Sachsendamm hat eine Kapazität von rund 250 Pkw-Betankungen pro Tag. Da sich das Projekt noch in der Demonstrationsphase befindet, wird diese Anzahl heute noch nicht erreicht - aber man testet hier die Zuverlässigkeit großer H 2-Anlagen. Total eröffnete im gleichen Jahr eine Tankstelle in der Berliner Heidestraße. Damit stehen nun vier Wasserstofftankstellen in der Hauptstadt. Auch Hamburg hat sich zu einer wichtigen Metropolregion für Wasserstoff entwickelt: 2012 wurden hier gleich drei H 2-Tankstellen in Betrieb genommen. Anfang 2012 wurde die Wasserstoffstation von Vattenfall in der Hafencity eröffnet. Die Anlage kann täglich bis zu 750kg Wasserstoff liefern. Mindestens 50 Prozent des Wasserstoffs werden vor Ort per Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen produziert. Bis zu 700kg können vor Ort gespeichert werden. Deutlich kleiner dimensioniert ist die Shell-H 2-Tankstelle an der Bramfelder Chaussee im Norden der Hansestadt. Hier können Pkw täglich bis zu 112kg gasförmigen Wasserstoff tanken, genug für 10 bis 12 Tankfüllungen. Wie bei den anderen CEP-Tankstellen erfolgt die Abgabe des auf 700bar verdichteten Wasserstoffs gemäß des Betankungsstandards SAE J2601. Eine Tankladung dauert somit nur etwa drei Minuten. Eine etwas größere Kapazität von bis zu 200kg Wasserstoff pro Tag bietet die Station von Total südlich der Elbe in der Cuxhavener Straße. Die Anlage ist konform zu der in der Heidestraße Berlin. Auf diese Weise versuchen die Unternehmen, die Wartung der Tankstellen zu vereinfachen.

Aufbau der Wasserstroff-Infrastruktur

Auch in weiteren Bundesländern werden H 2-Tankstellen im Rahmen der CEP betrieben, insbesondere in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Ein großer Schritt für den Ausbau des Tankstellennetzes war im Juni 2012 die Absichtserklärung des Bundesverkehrsministeriums und den Industrieunternehmen Air Liquide, Air Products, Daimler, Linde und Total Deutschland, das bestehende Netz von damals 15 auf insgesamt 50 Wasserstofftankstellen bis Ende 2015 auszubauen (siehe Grafik oben). Diese Zahl mag noch gering erscheinen angesichts der 1000Wasserstofftankstellen, die nach Experteneinschätzungen in Deutschland für eine komplette Flächenabdeckung notwendig sind. Doch im Fokus des Aufbauplans stehen die Metropolregionen und das gezielte Schaffen von Korridortankstellen, sodass eine flächendeckende Grundversorgung der bis dahin avisierten 5000 Brennstoffzellenfahrzeuge in Deutschland sichergestellt wird. Kurz nach Unterzeichnen der Absichtserklärung eröffnete die erste öffentliche Wasserstoffstation in Nordrhein-Westfalen und für den Wasserstoffkomplex am Hauptstadtflughafen BER legten die Baupartner den Grundstein.

Herausforderungen der Infrastruktur

Bei den CEP-Tankstellen handelt es sich um Pilotanlagen, deren Zuverlässigkeit und Effektivität ständig erhöht wird. Wartungsbedingt kommt es daher von Zeit zu Zeit dazu, dass Tankstellen technisch nicht verfügbar sind. Um die Mobilität auch während der Wartung aufrechtzuerhalten, arbeitet ein im vergangenen Jahr gegründeter Arbeitskreis an einer Lösung. Mit dem „TraiLH 2“, einer mobilen Betankungseinheit von Linde, wird bereits eine mobile Lösung innerhalb des Projektes erprobt. Doch wenn die Anzahl der Tankstellen steigt, wird auch der Bedarf an Backup-Lösungen steigen. Ein weiteres Thema ist die H 2-Mengenmessung. Ziel ist es, eine eichfähige Mengenmessung an den Wasserstofftankstellen zu ermöglichen. Zudem wird an der Verbesserung der H 2-Füllkupplung gearbeitet. Außerdem beschäftigt sich CEP mit dem Füllprozess. Damit eine Wasserstofftankstelle eine Freigabe für alle CEP-Kundenfahrzeuge erhält, sind Abnahmetests notwendig, darunter auch die Abnahme von Tankstellen in Hinblick auf Befüllung. Mit welchen technischen Spezifikationen die hierfür erforderlichen Druck- und Temperaturmessungen am besten erfolgen können, wird aktuell in der CEP erörtert. Es liegt also noch ein Stück Weg vor uns, bis eine flächendeckende Versorgung mit genormten und standardisierten Wasserstofftankstellen erfolgt.

Kostenreduktion und Standardisierung

Damit sich die Wasserstofftechnologie am Markt etablieren kann, müssen noch einige Themen bearbeitet werden. Eines der wichtigsten ist die Kostenreduktion. Die Prognosen bezüglich der Brennstoffzellensysteme sind vielversprechend: Experten erwarten, dass die Kosten von Brennstoffzellensystemen bis 2020 um 90 Prozent fallen werden [1]. Die Produktion von „grünem“ Wasserstoff ist heute noch teurer als die weniger klimafreundliche Dampfreformierung aus Erdgas. Während die Reformierung seit langer Zeit kostengünstig in Großanlagen erfolgt, stehen für die Elektrolyse und für die Erzeugung aus Biomasse bisher hauptsächlich kleinere und kostenintensivere Pilotanlagen bereit. Doch auch mit Wasserstoff aus Erdgas kann CO 2eingespart werden: Brennstoffzellenfahrzeuge emittieren damit im Vergleich zu modernen Dieselfahrzeugen bis zu 30 Prozent weniger CO 2(Vergleichswert: 120g CO 2/km). Und bei der Produktion von „grünem“ Wasserstoff sind Skalierungseffekte zu erwarten, insbesondere, wenn Wasserstoff als Energieträger eine zunehmend wichtige Rolle im Rahmen der Energiewende einnimmt. Eine Kostenreduktion muss es auch auf der Seite der Tankstellen geben. Derzeit liegen die Kosten für eine Anlage bei 700.000 bis 1 Million Euro. Für größere Anlagen, an denen der Wasserstoff auch vor Ort per Elektrolyse erzeugt wird, sind die Kosten noch höher. Mit zunehmender Standardisierung und höheren Stückzahlen sind auch hier Skalierungseffekte zu erwarten. Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, den Anteil von „grünem“ Wasserstoff an den Tankstellen permanent zu erhöhen. Bereits heute stammt mindestens die Hälfte des Wasserstoffs an den CEP-Tankstellen aus regenerativer Erzeugung. Dieses Kriterium ist nicht nur für den Aufbau und Betrieb weiterer Tankstellen entscheidend, sondern für den gesamten CO 2-armen Einsatz der Wasserstofftechnologie.

Weitere Informationen

[1] Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (2011) : Ein Portfolio von Antriebssystemen für Europa. Eine faktenbasierte Analyse. Berlin, S. 5.

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