Smart Traffic & Mobility Antriebsstränge vergleichbar machen

13.06.2014

Ein frei verfügbares Tool und sowie ausführliche Datensammlungen erlauben eine realistische und ganzheitliche Kostenabschätzung von Fahrzeugen mit unterschiedlichen Antriebssträngen. Ein Überblick.

Die Antwort auf die Frage, welcher Antriebsstrang am Besten in welchem Fahrzeug eingesetzt wird, unterliegt einem kontinuierlichen Wandel. Das wird beispielsweise an dem während der letzten 20 Jahre in Europa deutlich gestiegenen Anteil der Dieselmotoren in PKW deutlich oder auch an der zunehmenden Anzahl an Tankstellen, die Erdgas (CNG) als alternativen Kraftstoff anbieten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Antriebstechnologie in Zukunft vermehrt zum Einsatz kommen wird und welche Rolle dabei elektrische Antriebe spielen werden.

Die Faktoren, die den Erfolg oder Rückgang einer Antriebstechnologie beeinflussen, sind vielfältig, doch zweifelsohne sind die damit verbundenen Kosten ein entscheidendes Kriterium. Dabei darf man sich nicht nur auf den Anschaffungspreis eines Fahrzeuges beschränken, sondern muss die Kosten über die komplette Nutzungsdauer betrachten, was häufig durch die Berechnung des Total Cost of Ownership (TCO) aus Kundensicht umgesetzt wird. Doch wie können gesetzlich vorgeschriebene Strafzahlungen für Treibhausgas-Emissionen (THG, engl.: greenhouse gas / GHG emissions) diese Kostenverhältnisse beeinflussen und ist die für den Kunden günstigste Antriebstechnologie auch gesellschaftlich die beste Wahl?

Um diese Fragen zu beantworten, haben Mitarbeiter des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik der Technischen Universität München ein Tool entwickelt, das die Kosten verschiedener Antriebstechnologien einander gegenüberstellt und insbesondere Kosten für die Emission von THG berücksichtigt. Es vergleicht Fahrzeuge aus unterschiedlichen Fahrzeugklassen mit Benzin- und Dieselmotoren, Erdgas-Motoren und elektrischen Antrieben für ihren Einsatz in den wichtigen Automobilmärkten Deutschland, der EU, den USA und China. Dabei wird nicht nur die augenblickliche Situation bewertet, sondern auch eine Abschätzung für das Jahr 2030 vorgenommen, für welche die Kostenentwicklung für Traktionsbatterien, für Kraftstoffe und Strom sowie für die zu erwartenden THG-Emissionen prognostiziert wurde.

Bereitstellung einer geeigneten Datengrundlage

Um die Modellierung im Rahmen eines solchen Tools vorzunehmen, muss auf eine fundierte Datengrundlage sowohl zu technischen als auch zu wirtschaftlichen Aspekten zurückgegriffen werden können. Daher wurde diese als Ergebnis einer intensiven Recherche aller verfügbaren Quellen erstellt und im Rahmen von zwei Dokumenten zusammengetragen. Das erste betrachtet die technischen Eckdaten, die bei neuen Fahrzeugen mit Elektromotor und Traktionsbatterie oder Brennstoffzelle sowohl heute als auch in Zukunft zu erwarten sind [1]. Das zweite Dokument beinhaltet vielfältige Einschätzungen zu Kosten, die durch Verbrenner-, Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge verursacht werden, und dient als Grundlage der Tool-Parametrierung (Tabelle Seite 34) [2]. Um diese Datensammlungen einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen, wurden sie auf der Internetplattform ResearchGate veröffentlicht.

Berücksichtigung der Emissionen von unterschiedlichen Antriebssträngen

Um die Kostenabschätzung von Fahrzeugen mit unterschiedlichen Antriebssträngen ganzheitlich vorzunehmen, ist es essentiell alle relevanten THG-Emissionen zu berücksichtigen. Zum einen gehört dazu die komplette Kette der well-to-wheel-Emissionen, also die Summe der tank-to-wheel Emissionen, die aus dem Auspuff eines Fahrzeugs entweichen, und die well-to-tank-Emissionen, die bei der Bereitstellung des Stroms oder Treibstoffes anfallen. Zum anderen müssen dafür aber auch die Emissionen betrachtet werden, die aufgrund der Fahrzeugproduktion ausgestoßen werden und die gerade für Elektrofahrzeuge deutlich über denen der klassischen Verbrenner liegen.

Das entwickelte Tool ist frei zum Download verfügbar [3]. In einem zusätzlichen Dokument, das die Standard-Parametrierung des Modells beschreibt, werden weitere Informationen gegeben und die Analyse der damit abgeleiteten Ergebnisse vorgenommen [4].

Die Kosten, die für die Emission von einer Tonne CO2 veranschlagt werden, können dabei vom Nutzer des Tools frei angepasst werden. Während die Bedeutung der THG-Emissionen bei einem heute in Europa üblichen Marktpreis der Emissionszertifikate von rund 5 €/tCO2 eher gering ausfällt, kann eine zukünftige Internalisierung der gesamten externen Kosten dazu führen, dass die Menge der ausgestoßenen THG die Kostenverhältnisse zwischen den Antriebssträngen entscheidend verändert.

Unabhängig von der Frage, welcher Preis für die THG-Emission veranschlagt wird, stellt es eine fundamentale Verbesserung der Betrachtung dar, die beiden Bereiche Kosten und Emissionen miteinander zu kombinieren. Denn die Reduktion der Treibhausgasemissionen ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu zahlreiche negative Konsequenzen abzuwenden, die ihrerseits auch finanzielle Belastungen mit sich bringen würden. Diese späteren Kosten sollten - so weit wie möglich - bereits heute in derartigen Betrachtungen berücksichtigt werden, wenn nicht nur die für den Kunden kostengünstigste Variante, sondern auch die gesellschaftlich optimale Variante ermittelt werden soll.

Fazit: Elektromobilität derzeit noch zu teuer

Die Analyse mithilfe der verwendeten Parameter ergibt, dass die Verbrenner heutzutage im Rahmen der üblichen PKW-Laufleistung die günstigere Alternative darstellen. Erwartungsgemäß lösen dieselbetriebene PKW die Benziner bei einer gewissen jährlichen Fahrdistanz als wirtschaftlichste Variante ab, wobei Erdgasfahrzeuge in der Regel noch bessere Ergebnisse erzielen. Elektrofahrzeuge rechnen sich erst nach hohen Laufleistungen, die - besonders in Anbetracht ihrer beschränkten elektrischen Reichweite - unrealistisch erscheinen (Abbildung Seite 33).

Die Ergebnisse des Kostentools weisen deutlich auf eine zukünftige Veränderung hin, die auf den Kostenreduktionen bei Elektrofahrzeugen, den sich verändernden Energiepreisen und den erhöhten Kosten für THG-Emissionen basiert. Demnach werden Elektrofahrzeuge bereits bei relativ niedrigen jährlichen Fahrleistungen (10.000 km und darunter) die günstigste Antriebsvariante darstellen. Das gleiche Resultat zeigt sich in den meisten Fahrzeugmärkten, auch wenn keine Kostensteigerungen für THG-Emissionen angenommen werden, so dass sich das Ergebnis als relativ robust gegenüber der Variation der genannten Haupteinflussgrößen erweist.
Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass Veränderungen im Bereich der verwendeten Antriebsstränge bevorstehen. Eine stärkere Präsenz von Elektrofahrzeugen ist dabei langfristig ebenso zu erwarten wie die kurz- bis mittelfristig zunehmende Bedeutung von CNG-Fahrzeugen.

Weitere Informationen:

[1] S. Matz, J. Fuchs, P. Burda, L. Horlbeck, R. Eckl, M. Lienkamp: Beschreibung der Modellierungsart sowie der Modellierungsparameter von Elektrofahrzeugen in der Konzeptphase (http://goo.gl/5tqKHY)

[2] R. Kochhan, S. Fuchs, B. Reuter, P. Burda, S. Matz, M. Lienkamp: An Overview of Costs for Vehicle Components, Fuels and Greenhouse Gas Emissions (http://goo.gl/gWmczZ)

[3] Powertrain and GHG Cost Tool (Download ca. 7,4 MB): http://goo.gl/tF8Cqb

[4] M. Kerler, R. Kochhan, B. Reuter, M. Lienkamp: Development of a Tool for Cost Estimation of Various Powertrain Technologies Considering the Future Cost of Greenhouse Gas Emissions (http://goo.gl/T68UUN)

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