Fachbeitrag Smarte Strategie: Raus aus den Silos!

Vernetzt: Kommunikation ist das A und O in der Stadt der Zukunft.

31.07.2014

Die Städte wachsen und es stellt sich die Frage: Wie können die Bedürfnisse der Bürger auch weiterhin befriedigt werden? „Smart City“ lautet die Verheißung. Doch das ist kein Patentrezept, sondern verlangt von Städten und Technologie­anbietern viel Strategiearbeit und neue Denkweisen.

Städte hatten schon immer eine besondere Anziehungskraft auf die Menschen. Doch das Leben auf engstem Raum hat sich in den Jahrhunderten geändert. Wurde im Mittelalter die Stadt noch durch eine durchgängige Stadtmauer begrenzt, wachsen die Städte heute nahezu ins Unermessliche. 1950 war New York die einzige Stadt der Welt mit einer Einwohnerzahl von über zehn Millionen, 60 Jahre später hat sich die Zahl drastisch erhöht. Heute haben mehr als 25 Städte diese Einwohnerzahl locker erreicht und sogar vervielfacht. Extrembeispiele wie Tokio oder Jakarta zeigen, dass diese Tendenz sogar noch steigend ist. In der Folge lebt mittlerweile ein höherer Anteil der Weltbevölkerung in Städten als auf dem Land.

Forschungsergebnisse belegen, dass die Städte zwar nur etwa zwei Prozent der Erdoberfläche einnehmen, aber rund drei Viertel aller Ressourcen verbrauchen. Sie erzeugen Milliarden Tonnen von Müll, Abwasser und Treibhaus­gasen. Die Frage ist also: Wie lange können diese Städte wachsen und wo liegt die Grenze für eine funktionierende Stadt? Wie schafft es die Stadt der Zukunft die Bedürfnisse seiner Bürger zu befriedigen?

Handlungsfelder

Eine Stadt lässt dabei grob in fünf Handlungsfelder einteilen: Mobilität, Energie, Kommunikation, Sicherheit und Bürgerbeteiligung. Schon heute sind die Handlungsfelder in jeder Stadt vorhanden, doch häufig arbeiten die einzelnen Bereiche isoliert voneinander an der weiteren Entwicklung der Stadt. Diese sogenannten Silos sind oft über Jahrzehnte gewachsen und verfügen nur selten über Schnittstellen. Zu groß ist die Angst vor Machtverlust und davor, die Daseinsberechtigung zu verlieren.

Doch die Stadt der Zukunft wird nur funktionieren, wenn dieses Denken durchbrochen wird und die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Handlungsfeldern erhöht wird.
Um Schnittstellen zu schaffen und zu nutzen ist es darum wichtig, dass Gewerke untereinander und mit ihrer Umwelt kommunizieren und agieren. Dann kann eine Stadt zur „Smart City“ werden. An solchen Modellen für die Stadt der Zukunft arbeitet Bosch Software Innovations gemeinsam mit dem Stadtstaat Monaco. Schwerpunkte liegen dabei unter anderem auf der urbanen Mobilität.

Enge Straßen

Beispielsweise im Bereich der Müll­entsorgung. Da die monegassischen Straßen sehr eng sind und ein Lkw den Verkehrsfluss stark behindert, ist es für die Stadt extrem wichtig, dass die Müll­abfuhr zügig ihre Dienste verrichtet. Gleichzeitig sind die Geschäftsbesitzer angewiesen, den Müll nicht zu früh an die Straße zu stellen, um das Stadtbild nicht zu verschandeln und den Gehweg nicht länger als nötig zu blockieren. Doch wie weiß der Geschäftsmann, wann der Müllwagen kommt und ob er ihn eventuell nicht schon verpasst
hat? Durch die Vernetzung der Müllwagen konnten die Geschäftsbetreiber mit Hilfe einer App den Standort der Lkw verfolgen und den Müll pünktlich an die Straße stellen.

Ein anderes Beispiel ist die Park­raumbewirtschaftung. Durch die Vernetzung der Parkhäuser und großen Parkplätze konnten die Verkehrsteilnehmer mit einer App sehen, wo es noch ausreichend freie Parkplätze gibt. Doch ist diese Information nicht nur für den Parkplatzsuchenden ein echter Gewinn. Würde man die Daten über längere Zeit beobachten und auswerten, könnten Stadtplaner besser entscheiden, wo ein Parkhaus benötigt wird oder ob bestimmte Verkehrsströme umgelenkt werden sollten. Ähnliches ist auch denkbar für Verkehrsampeln und -inseln.

Verbesserte Steuerung

Auch wurde an der verbesserten Steuerung von Verkehrsströmen gearbeitet. Innerhalb des Bahnhofes wurden spezielle Kameras mit IVA-Technik (Intelligent Video Analysis) installiert. Diese „intelligenten“ Kameras analysierten permanent das aufgenommene Videosignal und werteten somit die Anzahl der anwesenden Personen aus. Auf eine steigende Anzahl der Personen am Bahnhof, beispielsweise nach Ankunft eines Zuges, kann nun entsprechend reagiert werden. Menschentrauben an Fahrstühlen lassen sich so besser handhaben, da schneller erkannt wird, ob ein Fahrstuhl ausgefallen ist oder zu wenig Kapazität bietet. Dadurch wird der Fußgängerfluss innerhalb des Bahnhofs deutlich flüssiger. Nicht zuletzt kann so auch der Straßenverkehr rund um den Bahnhof aktiv gesteuert werden, so dass Staus oder Stoßzeiten verhindert werden können.

Stadt als lebender Organismus

Das stellt auch die Entwickler und Hersteller von Technologien vor neue Herausforderungen. Hat es bisher in den meisten Fällen genügt, ein gutes Produkt zu liefern, so reicht das für die Stadt der Zukunft nicht mehr aus. Nehmen wir wieder das Beispiel Kameras: In der Vergangenheit war es den Herstellern von Kameras gleichgültig, was die Stadtväter damit vorhatten und was konkret diese Kamera leisten sollte. Heute ist die Technologie zur Lösung geworden und so wird neben einer hochentwickelten Kamera auch ein Geschäftsmodell erwartet, was im besten Fall genau auf den Kunden und dessen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Das bedeutet für die Unternehmen, dass sie enger mit den Kunden zusammenarbeiten und sich in seine Lage versetzen müssen. Die Kunden-Lieferanten-Beziehung wird sich also ändern.

Eine Herausforderung, die besonders die Software betrifft, ist die zeitgerechte Verarbeitung und Analyse der Daten. Mindestens 100.000 Events pro Sekunde müssen in einer Smart City verarbeitet werden. Grundsätzlich stehen zwei Ansätze zur Verfügung, wie die Stadt zu einer vernetzten Stadt werden kann: Die eine Möglichkeit sieht vor, dass die Gegenstände (Sensoren/Aktoren) mit einer lokalen Intelligenz ausgestattet werden. Das hat den Vorteil, dass die Daten dort gewonnen werden, wo sie erzeugt werden und nur dann weitergeleitet werden, wenn die dort befindliche Logik es zulässt. Der Nachteil besteht in dem Verlust der Flexibilität, wenn ein neues oder übergreifendes System eingesetzt werden soll.

Die andere Möglichkeit ist die zen­trale Steuerung, bei der alle Daten an eine zentrale Plattform gesendet werden, die dann entscheidet, wo welche Daten benötigt werden. Die Wahrheit wird vermutlich irgendwo dazwischen liegen, denn die gezielte Anwendung und der Kosten-Nutzen-Effekt wird darüber entscheiden, was mehr Sinn ergibt – ein zentrales oder dezentrales System.

Doch all dies liegt noch in weiter Ferne, denn es fehlt in den meisten Fällen an einer strategischen Struktur. Was benötigt wird, ist eine Art Instanz, die als übergeordnete Rolle der Stadt der Zukunft eine Struktur gibt. Diese Denkweise ist bisher den meisten Städten fremd, doch will man seine Stadt bereit für die Smart City machen, ist Umdenken gefordert: Raus aus den Silos, rein in ein Netzwerk.

Bildergalerie

  • Bausteine: In einer Stadt müssen alle Handlungsfelder ineinandergreifen, um einen attraktiven Lebensraum zu schaffen.

    Bausteine: In einer Stadt müssen alle Handlungsfelder ineinandergreifen, um einen attraktiven Lebensraum zu schaffen.

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