Verpackung & Kennzeichnung Bitte ein MES

26.02.2014

Die Bitburger-Braugruppe war auf der Suche nach einem MES-System, das die Nutzung der Produktionsdaten verbessern sollte. In Zusammenarbeit mit einem Hersteller wurde ein System entwickelt, das aus mehreren Modulen besteht. So kann es an verschiedene Anforderungen angepasst werden.

Das Innoline MES (Manufacturing Execution System) wurde von KHS speziell auf die Anwendung in der Getränkeindustrie zugeschnitten. Als Basis für die Entwicklung diente das MES-System Hydra von MPDV Mikrolab. Die Entwicklung sollte in direkter Zusammenarbeit mit einem Getränkeunternehmen stattfinden und Anpassungen sollten dann als Standard in den Funktionsumfang einfließen. Der Startschuss für das Projekt fiel 2010. KHS befand sich damals auf der Suche nach einem Getränkeunternehmen, das sich dazu bereiterklärte, in das Projekt MES Zeit und Know-how zu investieren. Gemeinsam sollte definiert werden, welche Funktionen ein MES für die Getränkebranche haben muss, um maximalen Nutzen zu erzielen. Zum gleichen Zeitpunkt suchte die Bitburger Braugruppe nach einem geeigneten Partner, der zunächst am Standort Bitburg und später an allen weiteren Standorten ein System etabliert, das eine bessere Nutzung der Produktionsdaten erlaubt.

Eine zentrale Anforderung an das MES lautete zudem, dass es mit dem ERP-System – in diesem Fall SAP – ebenso wie mit den weiteren Systemen perfekt kommuniziert. So müssen gleiche Daten nicht länger in mehrere Systeme eingegeben werden. Die notwendige Verbindung wird im Hintergrund des Systems automatisch über Schnittstellen sichergestellt. Die Mitarbeiter sparen dadurch Zeit, und Übertragungsfehler lassen sich ausschließen. An das Innoline MES sind bei der Brauerei derzeit neun Abfüll- und Verpackungslinien angegliedert, darunter fünf Glas-Anlagen, eine Keg-Linie, eine Premium-Draft-Anlage, eine Fassdosen-Linie und eine Umpack-Anlage.

Als Basis des Systems gilt das Modul Line Monitoring. Hier werden Berechnungen von Kennzahlen für Abfüll- und Verpackunganlagen erstellt. Gemeinsam mit der Braugruppe wurde ein Kennzahlenmodell entwickelt. Dort ist festgelegt, aus welchen Quellen Daten für Kennzahlenberechnungen abzugreifen sind. Ausgewiesen werden Anlagenwirkungsgrad, Anlagenverfügbarkeit, Durchschnittsleistung und Nennleistung. Im Unterschied zu dem bisherigen Vorgehen geht es zusätzlich zu den technischen Verlusten auch um organisatorische Verluste. Sie ergeben sich durch Rüstvorgänge, Wartungsmaßnahmen, Reinigungsvorgänge oder nicht genutzte Produktionszeiten.

Optimierungspotenzial erkennen

Gerade bei der Ursachenforschung zu Störungen ist Line Monitoring nützlich. Stellt ein Mitarbeiter fest, dass der Wirkungsgrad einer Anlage nicht den Vorgaben genügt, kann er anhand der Wirkungsgradkurve sehen, zu welchen Zeitpunkten Einbrüche stattfanden. In diesen Zeitspannen kann er alle Maschinen im System genauer betrachten und so erfahren, wie der Fehler auftreten konnte. Mit Bitburger erarbeitete KHS auch zahlreiche grafisch aufbereitete Standardreporte zu Kennzahlen und Störanalysen. Anhand der Berichte kann man genau sehen, welche Maschinen besonders störanfällig sind. Rudolf Wahl, Hauptabteilungsleiter Abfüllung und Filtration der Bitburger Braugruppe meint: „So bleibt mehr Zeit dafür, sich auf die eigentliche Aufgabe, nämlich die Maschine, zu konzentrieren und das führt zu einem erhöhten Anlagenwirkungsgrad“.

Während das Line-Monitoring-System linienbezogene Auswertungen ermöglicht, lassen sich mit dem Modul Order Execution Daten wie Wirkungsgrad, Energieverbrauch, Materialkosten, oder die Produktionszeiten auftrags- und artikelbezogen darstellen. Die Bitburger Brauerei unterscheidet zwischen Make-to-order- und Make-to-stock-Artikeln. Make-to-stock-Artikel richten sich in der Bedarfsplanung nach saisonalen Anforderungen. Dies sind die Hauptartikel mit durchschnittlich sehr geringer Lagerdauer. Ziel ist es, stets ausreichend Vollgutbestand im Lager zu haben, ohne dass der Kunde mit langem Zeitvorlauf bestellen muss. Kundenbestellungen werden ebenso wie Aufträge, die den Lagerbestand sichern, in das SAP-System eingegeben. Dann gelangen die Produktionsaufträge über eine Schnittstelle in das MES-System und von dort zum Modul Order Execution, das die während der Produktion erfassten Daten den einzelnen Aufträgen zuordnet. Den Start und das Ende einer auftragsbezogenen Produktion meldet der Bediener nun jeweils per Knopfdruck am Bedienterminal. Werden während eines Produktionsauftrags Mehr- oder Minderverbräuche erzeugt, kann der Bediener das dem System direkt mitteilen.

Auftragsplanung leicht gemacht

Für die Auftragsplanung ist das Modul Order Scheduling zuständig. Bisher wurde die Terminierung von Aufträgen in einer SAP-Plantafel vorgenommen, der keine Online-Informationen zur Verfügung standen. Das Modul Order Scheduling übernimmt die Planung von Aufträgen nun mit einer Gantt-Chart-basierten Plantafel. Hier ist die grafisch übersichtlich aufbereitete Online-Darstellung gegeben, eventuelle Verzögerungen werden direkt registriert und die Planung kann für nachfolgende Aufträge automatisch oder manuell angepasst werden.

Order Scheduling führt eine automatische Auftragsplanung durch. Dabei berücksichtigt es hinterlegte Vorgaben wie Verfügbarkeit und Geschwindigkeit von Anlagen, Umrüstzeiten, Artikelprioritäten und ist darauf ausgerichtet, den Leerlauf von Anlagen so gering wie möglich zu halten. Gleichzeitig besteht innerhalb des Moduls die Option, die Regeln an eigenen Anforderungen zu orientieren, zu speichern und die automatische Auftragsplanung folglich ganz den individuellen Wünschen anzupassen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt des Order Scheduling war für die Bitburger Braugruppe, dass sich die vorgeschlagene Beplanung der Linien variieren lässt. Soll zum Beispiel ein Auftrag verschoben werden, ist das bei Eingabe in das System jederzeit machbar.

Bestellungen automatisch auslösen

Nimmt der Bediener die Planung an, findet eine automatische Rückmeldung der Plandaten an das SAP-System statt. Somit ist hier bekannt, wann welche Aufträge zur Produktion anstehen und es können entsprechende Bestellungen für noch benötigte Materialien ausgelöst werden. Vor der Freigabe jedes Produktionsauftrags findet die automatische Anfrage des MES-Systems beim SAP-System statt, ob die benötigten Materialien tatsächlich verfügbar sind. Zudem sind die Module Order Execution und Order Scheduling dazu in der Lage, zeitliche und wirtschaftliche Auswirkungen von Planungsänderungen direkt aufzuzeigen.

Für übergreifende Auswertungen von Produktionsdaten implementierte KHS das Modul Production Analysis. Dabei handelt es sich um ein Web-basiertes Tool, mit dem Nutzer standardisierte Kennzahlen aus unterschiedlichen Linien erhalten können. Beispielsweise lässt sich mit diesem Modul ein Überblick über die häufigsten Stillstandsgründe in den Linien der Brauerei erreichen oder darstellen, wo die einzelnen Linien bei Betrachtung ihres Wirkungsgrads im Ranking stehen. Generell gilt: Eine Verdichtung von Kennzahlen für eine Linie ist mit Production Analysis ebenso machbar wie für eine Vielzahl an Anlagen. Sind zu einem späteren Zeitpunkt sämtliche Braustätten der Bitburger Braugruppe mit einem MES-System ausgestattet, lassen sich beispielsweise auch die Kennzahlen der einzelnen Brauereien mithilfe von Production Analysis direkt miteinander vergleichen.

Datenzugriff benutzerdefiniert

Besonders interessant ist Production Analysis für das Management, denn es verdichtet Informationen und stellt die wesentlichsten Kennzahlen aller Anlagen bereit. Für Production Analysis ist keine installierte Software nötig. Hier erfolgt der Zugang per Internet Explorer. Bedienpersonen kommunizieren mit dem MES-System dagegen über ein Terminal-Programm, Schichtmanager, Schichtführer, Labor und Logistik über den Innoline MES Client. Für die einzelnen Benutzergruppen ist genau festgelegt, auf welche Daten Zugriff besteht und in welche Bereiche eingegriffen werden darf.

Neben den Modulen Line Monitoring, Order Scheduling, Order Execution und Production Analysis, für deren Anwendung sich die Bitburger Braugruppe entschieden hat, sind innerhalb des MES-Systems die Module Order Material Tracking und Recipe Management möglich. Order Material Tracking beinhaltet die exakte Erfassung sämtlicher für einen Auftrag nötigen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe mittels Scanner. So kann man anhand von eingelesenen Barcodes jederzeit nachvollziehen, welche Materialien für einen bestimmten Auftrag zum Einsatz gelangten. Das Recipe Management dient zur Überwachung vorgegebener Prozessparameter. Ein entscheidender Vorteil beim Innoline MES ist es, dass nur eine Datenbank genutzt wird. Das bedeutet, dass sich zwischen den Modulen zahlreiche Querverbindungen herstellen lassen. So ist bei Aufruf des Moduls Order Scheduling beispielsweise durchaus auch eine Anzeige von Daten aus dem Line Monitoring machbar.

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