Schutz für sensorlose Systeme Starker Antrieb, aber sicher

Die Herausforderung für den Maschinenhersteller besteht darin, die Aspekte Personensicherheit und Produktivität gleichzeitig optimal und normkonform umzusetzen.

Bild: Sieb & Meyer; iStock, chipstudio
07.10.2016

Für einen Antriebsverstärker gibt es zwei neue geberlose Sicherheitsfunktionen, die speziell für rotierende Motoren ohne Drehzahlgeber konzipiert sind. Die Lösung hilft, die steigenden Anforderungen bezüglich Produktivität und Personensicherheit zu erfüllen.

Im Bereich der Bearbeitungs- und Werkzeugmaschinen bestehen speziell im Fall von drehenden Achsen für den Bediener Gefahren durch Werkzeuge, die noch oder mit zu hoher Drehzahl rotieren. Die Herausforderung für den Maschinenhersteller besteht darin, die Aspekte Personensicherheit und Produktivität gleichzeitig optimal und normkonform umzusetzen. Bei klassischen Sicherheitslösungen müssen die Motoren beziehungsweise Spindeln mit sicheren Drehzahlgebern ausgestattet sein, um gefährliche Betriebszustände erfassen und vermeiden zu können. In der Folge müssen Maschinenhersteller Abstriche bei der Produktivität hinnehmen oder durch aufwendige Sicherheitskonzepte für unterschiedliche Anwendungsfälle entsprechende Sicherheits-Integritätslevels gewährleisten.

Um das zu vermeiden, hat Sieb & Meyer den Antriebsverstärker SD2 nun um die geberlosen Funktionen sicherer Stillstandsmonitor (SFM – Safe Frequency Monitor) und sicher begrenztes Drehfeld (SLOF – Safe Limited Output Frequency) ergänzt. Sie sind vom TÜV Nord nach EN61508:2010 geprüft und erfüllen die Anforderungen eines Sicherheits-Integritätslevels von SIL3. Für die Umsetzung der neuen Sicherheitsfunktionen hat Sieb & Meyer die notwendige Hard- und Software in die Antriebsverstärker der SD2-Serie integriert. Die Funktionen bauen auf der in SD2-Antriebsverstärkern serienmäßig integrierten Funktion Safe Torque Off (STO) auf. Das Ergebnis ist eine funktionale Lösung für Maschinenhersteller, die sich für sensorlose Systeme eignet. Spindeln und Motoren müssen also nicht mit Drehzahlgebern ausgestattet werden – das ist besonders relevant für Einsatzbereiche wie dem Hochgeschwindigkeitsfräsen oder -schleifen, bei denen eine Integration von Drehzahlgebern in Spindeln und Motoren aus technischen oder finanziellen Gründen nicht möglich ist.

Mit der Sicherheitsfunktion SFM kann der Bediener sicher erkennen, ob eine geberlose Spindel nach dem Ausschalten den Stillstand erreicht beziehungsweise eine sichere Drehzahlfrequenz unterschritten hat. Solange dies nicht geschehen ist, wird beispielsweise eine Schutztür nicht freigegeben. Diese Sicherheitsfunktion ist für rotierende Achsen – unter anderem Bohr- oder Frässpindeln – vorgesehen. Die SFM-Funktion kann zum Beispiel mit einer Grenzfrequenz von 10 Hz parametriert werden, das entspricht 600 1/min bei einem zweipoligen Motor. Das Verletzungsrisiko ist bei rotierenden Werkzeugen unterhalb dieser Drehzahl als gering einzustufen. Der Bediener kann die Rotation des Werkzeugs visuell wahrnehmen. Somit wird das Betreten des Schutzraums als sicher definiert. Die Funktion ist als Sensorsignal ausgeführt. Sie erkennt die Ist-Frequenz des Motors, kann aber die Drehfeldfrequenz nicht begrenzen. Hierfür lassen sich die Funktionen SLOF oder STO verwenden.

Stillstandssignal bei 
deaktivierter Endstufe

Die SFM-Funktion basiert auf einer frequenzabhängigen, vom Motor induzierten Spannung und der Restmagnetisierung. Diese Spannung ist sowohl bei Synchronmotoren als auch bei Asynchronmotoren an den Motorklemmen messbar. Der Antrieb ermittelt aus dieser Spannung die aktuelle Drehfeldfrequenz und vergleicht diese mit dem parametrierten Grenzwert. Liegt etwa die Drehfeldfrequenz im parametrierten Bereich, generiert der Antrieb das Statussignal „Standstill“ (sicherer Stillstand). Das Stillstandsignal lässt sich nur bei deaktivierter Endstufe und abgeschalteter Hauptspannung generieren. Bei eingeschalteter Endstufe und eingeschalteter Hauptspannung wird immer der Status „No Standstill“ (kein Stillstand) eingenommen.

Mit der Sicherheitsfunktion SLOF lässt sich sicherstellen, dass eine kritische Drehzahl nicht überschritten wird, zum Beispiel weil ansonsten Personen gefährdet werden oder ein Werkzeug durch eine Überdrehzahl bersten könnte. Dafür ermittelt die Funktion die aktuelle Drehfeldfrequenz und vergleicht sie mit dem parametrierten Grenzwert. Liegt die Drehfeldfrequenz im parametrierten Bereich, generiert der Antrieb das Statussignal „Frequency In Limits“ (Frequenz nicht zu hoch). Bei Überschreitung des Grenzwerts wird die Endstufe mittels STO freigeschaltet, das System erzeugt kein weiteres Drehmoment und somit keine weitere Beschleunigung. Dies entspricht dem Status „Frequency Out Of Limits“ (Frequenz zu hoch).

Zu hohe Frequenzbeschleunigung verhindern

Die Funktion SLOF ermöglicht somit die sichere Begrenzung des Drehfeldes einer Spindel. Sie verhindert, dass die angeschlossene Spindel aktiv durch den Antrieb auf eine zu hohe Frequenz beschleunigt wird. Eine Überschreitung der Frequenz durch eine aktive, externe Beschleunigung lässt sich dabei nicht verhindern. Bei einer Überschreitung der sicher parametrierten maximalen Drehfeldfrequenz durch eine Fehleingabe oder durch eine Fehlfunktion des Antriebsverstärkers wird die Endstufe mittels der Funktion STO freigeschaltet.

Sieb & Meyer entwickelt seine Produkte gemäß den Kundenbedürfnissen weiter. Die zwei neuen Sicherheitsfunktionen des SD2 schließen daher eine Marktlücke. Spezielle Anforderungen erfüllt das Lüneburger Unternehmen bei kundenspezifischen Lösungen: Auf Basis der bestehenden Geräteplattformen SD2x und SD3 werden Lösungen für Hochgeschwindigkeitsanwendungen mit Synchron- oder Asynchronmotoren bis 8.000 Hz (480.000 1/min) sowie dynamische Motion-Anwendungen realisiert, etwa in der Schraub- und Presstechnik. Der Auftraggeber definiert den Funktionsumfang für Hard- und Software für das Endgerät. Dies gewährleistet eine optimale Anpassung der Bauform und -größe, der Schnittstellen und der Leistung an die spezifischen Einsatzbedingungen.

Über den Antriebsverstärker SD2

Das System ermöglicht eine sensorbehaftete und sensorlose Regelung für Synchron- und Asynchronmotoren und ist für jeden Einsatzfall schnell und flexibel anpassbar. Es bewährt sich unter anderem in Hochgeschwindigkeits-Schleif und -Frässpindeln, Multiachs-Rundtaktmaschinen zum Bohren, Fräsen und Schleifen sowie in hochdynamischen, drehzahlgeregelten Servo-Applikationen. Mit der Lösung lassen sich Hochgeschwindigkeits-Anwendungen bis 180.000 1/min (3.000 Hz) realisieren. Universelle Motorgeber-Auswertungen und vielfältige Anbindungsmöglichkeiten zur übergeordneten Steuerung erlauben optimale Multiachs-Anwendungen.

Bildergalerie

  • SD2/SD3 Hochgeschwindigkeitsanwendung

    SD2/SD3 Hochgeschwindigkeitsanwendung

    Bild: Sieb & Meyer

  • Die Sicherheitsfunktion SFM hilft bei der Erkennung, ob eine geberlose Spindel nach dem Ausschalten den Stillstand erreicht.

    Die Sicherheitsfunktion SFM hilft bei der Erkennung, ob eine geberlose Spindel nach dem Ausschalten den Stillstand erreicht.

    Bild: Sieb & Meyer

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