Verfahrenstechnik Reinstwasser vom Roten Kreuz

19.12.2013

Water for Injection ist die hohe Schule der Wasseraufbereitung. Pharmazeutisches Reinstwasser (HPW) kann man quasi ebenso rein produzieren – etwa in einer Anlage des belgischen Roten Kreuzes. Die Besonderheit: Der Plasmaprotein-Lohnhersteller benötigte drei Sterilisierungs­varianten für das Reinigungssystem.

Mehrere spezielle Kundenwünsche in einer Anlage zu vereinen, ist die Königsdisziplin für jeden Anlagenbauer. Hierbei kann es durchaus dazu kommen, dass der Hersteller zwei Prozesse miteinander vereinen muss, die sich diametral gegenüber stehen. Vor einer solchen Anforderung stand Pharmatec, ein Tochterunternehmen von Bosch Packaging Technology, im August 2010. Es sollte eine Reinstwasseranlage für die C.A.F.-D.C.F errichten. Die Einheit des belgischen Roten Kreuzes (Central Fractionation Unit of the Red Cross) agiert unter anderem als Lohnanbieter für verschiedene Plasmaderivate. 200 Mitarbeiter stellen am Standort Needer-over-Heembeek Gerinnungsfaktoren, Immunglobuline und Albumin-Lösungen her. Bei einigen Produktionsschritten, speziell bei Reinigungsmaßnahmen, kommt hierbei inzwischen anstelle von hochreinem Wasser für Injektionszwecke (WFI) das kostengünstiger zu produzierende Reinstwasser (HPW) zum Einsatz. WFI wird in Europa ausschließlich durch Destillation hergestellt, während die Produktion von HPW über Membranverfahren erfolgt. Beide Wasserqualitäten erfüllen gleich hohe Anforderungen an die Reinheit, jedoch ist die Substitution von WFI durch HPW lediglich eingeschränkt erlaubt, etwa beim letzten Spülschritt bei der Befüllung von Ampullen. Um die Produktionskapazität von HPW zu erhöhen, benötigte C.A.F.-D.C.F. eine Reinstwasseranlage für die Versorgung von Waschmaschinen und Cleaning-in-Place-Anlagen.

Da C.A.F.-D.C.F. bereits mit einer Destille zur WFI-Erzeugung und einem Reinstdampfgenerator von Pharmatec arbeitete, erhielt das Unternehmen auch für die Errichtung der neuen Reinstwasseranlage den Auftrag. Pharmatec konnte eine Lösung als Turnkey-Projekt vom Anlagenbau bis zur Verlegung der Rohrleitungen und des Verteilersystems anbieten.

Die Anlage kombiniert drei Sanitisierungsvarianten, die sich teilweise gegenseitig ausschließen. Basis des Systems ist eine klassische Reinstwasseranlage. Trinkwasser wird zunächst filtriert und durchfließt anschließend eine Enthärteranlage mit Austauscherharz, das dem Wasser seine härtebildenden Anteile entzieht. Bei der anschließenden Aufbereitung werden zunächst eine Umkehrosmose und schließlich eine Elektrodeionisation durchgeführt.

Die Umkehrosmose entzieht dem Wasser das Salz bis zu einem Restsalzgehalt von ein bis fünf Prozent, den die Elektrodeionisation weiter mindert. Zudem verringert die Kombination aus Elektrodialyse und Ionenaustauscherharz den Anteil an CO2, Siliziumdioxid und TOC (Total Organic Carbon) um bis zu 90 Prozent. Das so entstandene Reinwasser (Purified Water, PW) wird mittels Ultrafiltration in HPW umgewandelt. Dieses Membranverfahren entfernt zuverlässig Bakterien, Viren und Pyrogene.

Das gewonnene HPW wird in einem 25.000-l-Tank zwischengelagert und von dort über ein Verteilersystem, dem Loop, zu den Verbrauchern geleitet. Das Verteilersystem muss regelmäßig sanitisiert werden, um die hohe mikrobiologische Qualität aufrechtzuerhalten. Dieser Schritt stellt die größte Herausforderung für Pharmatec dar, da die Kunden von C.A.F-D.C.F. unterschiedliche Ansprüche an die Methode der Sanitisierung im Loop haben. Grundsätzlich bevorzugt das Unternehmen die effiziente und energetisch günstige Ozonisierung. Doch auch Heißwassersanitisierung und Druckwassersterilisierung müssen angeboten werden können. Diese drei Varianten widersprechen sich in der Durchführung zum Teil deutlich.

Dreimal Sanitisierung – 
Quadratur des Kreises

Bei der Ozonisierung wird das Gas durch Verwirbelung im kalten Wasser des Tanks gelöst und von dort durch den gesamten Loop geleitet. Heißwassersanitisierung (85 °C) und Druckwassersterilisierung (121 °C) unterscheiden sich zunächst durch die Temperatur. Bei letzterem Verfahren wird der Tank außerdem zur Atmosphäre hin geschlossen, um Überdruck aufzubauen. Da der Tankinhalt vor der Sanitisierung aus Kostengründen auf ein bestimmtes Niveau abgelassen wird, vergrößert sich die freie Fläche innerhalb des Tanks.

Um die ordnungsgemäße Sanitisierung der Oberfläche, die nicht mit Reinstwasser abgedeckt ist, sicherzustellen, ist bei den beiden gaslosen Methoden der Einsatz von Sprühkugeln obligatorisch. Sie sind im Rücklauf eingebaut und spülen die Tankfläche regelmäßig. Enthält das Wasser im Rücklauf jedoch Ozon, entweicht das Ozon bei den Sprühkugeln, ist also nicht mehr im Wasser gelöst. Die Kombination von Heißwasser und Ozon ist daher äußerst ungewöhnlich.

Aus bautechnischen Gründen musste ein liegender Tank gewählt werden. Daraus ergab sich eine weitere Herausforderung. Durch die geringere Höhe der in ihm enthaltenen Wassersäule besteht die Gefahr, dass bei einer Ozonisierung zu wenig Gas im Wasser gelöst wird. Deshalb hat man die Rohrleitung, die das ozonisierte Wasser in den Tank leitet, verlängert und auf der Unterseite mit Löchern versehen, um eine möglichst gute Verteilung im Tank zu erreichen.

Die Sanitisierung des Loops umfasst auch die Stichleitungen zu den Verbrauchern. Auch hier musste Pharmatec eine kundenspezifische Lösung finden, um einerseits die Sanitisierung, andererseits aber auch die vollständige Leerung dieser Abzweigleitungen zu sichern. Die Ingenieure entschieden sich für eine doppelte Ventil-Lösung. Am Anfang jeder Stichleitung ist ein Druckluftventil zwischengeschaltet, am Ende ein normales Ventil. Diese Lösung kann Restwasserbestände nach der Abnahme durch den Verbraucher aus der Leitung entfernen und trocknen, was Verkeimung vermeidet.

Gesteuerte Entnahme gegen Druckverlust

Während der Sanitisierung des Loops werden die Ventile nacheinander geöffnet, um die Stichleitungen reinigen zu können. Die Öffnung der Ventile wird über eine SPS gesteuert, ebenso die Abnahme von HPW durch die Verbraucher. Der Loop ist mit festem Druck belegt, der einer gleichzeitigen Entnahme durch alle Verbraucher nicht standhalten würde. Die Folge wäre ein Einsaugen von Luft statt Ausgeben von Wasser. Dies vermeidet das Bezugsmanagement durch die Steuerung.

Auch die Zapfventile der Anlage sind eine Besonderheit: Sie sind totraumarm konstruiert und sparen Rohrleitung ein, was das Risiko bakterieller Kontamination mindert. Ebenso spezifisch ist die Lösung einer Abnahme heißen wie kalten Wassers. Die grundsätzliche Zirkulationstemperatur des HPW beträgt 20 °C. Einzelne Verbraucher, beispielsweise Waschmaschinen, benötigen jedoch eine höhere Temperatur. Für diese Fälle ist ein zusätzlicher Subloop konstruiert worden, welcher das HPW über einen Wärmetauscher führt und auf 80 °C aufheizt. Erst dann wird es zur Abnahmestelle geleitet.

Dem Projektteam aus sieben Mitarbeitern ist die Umsetzung der kundenspezifischen Lösung termingerecht gelungen. Die Anlage konnte nach gut einem Jahr in Betrieb gehen. „Sie läuft zu unserer vollen Zufriedenheit“, erklärt Kris Raspoet, Assistant Manager Engineering bei C.A.F.-D.C.F. „Das Team von Pharmatec legte den Fokus auf Qualität und Planung, um die Projektziele zu erreichen,“ ergänzt Projektmanager Eric Hoogenes. Dank der erfolgreichen Zusammenarbeit konnte Pharmatec bereits ein Folgeprojekt für sich gewinnen.

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