Verfahrenstechnik Gut gesiebt ist halb gewonnen

J. Engelsmann AG

Bild: J. Engelsmann, kemalbas
06.11.2015

Düngemittel auf Basis von Urea (Harnstoff) sind gut rieselfähig - aber auch sehr abrasiv. Vor welche Herausforderungen das die eingesetzte Maschinentechnik stellt, zeigt ein aktuelles Projekt eines Siebmaschinenherstellers.

Der Einsatz von Siebmaschinen in der Düngemittelproduktion ist vielfältigen Anforderungen unterworfen: Neben einer höchstmöglichen Trennschärfe und enormen Durchsatzleistungen stellt eine hohe Materialbeständigkeit gegenüber den abrasiven Düngerprodukten eine Herausforderung dar, die es zu meistern gilt. Ein Praxisbeispiel aus der Branche zeigt, wie mit einer individuell auf die produktspezifischen Belange zugeschnittenen Siebtechnik-Lösung ein wirtschaftlicher Maschineneinsatz auf höchstem Produktivitätsniveau erreicht werden kann.

So stand ein weltweit tätiger Düngemittelhersteller mit Sitz in Deutschland vor dem Problem, dass die in der Produktion von Stickstoffdünger eingesetzten Klassiersiebmaschinen nicht die notwendigen Durchsatzleistungen erreichten. Zudem stiegen die laufenden Betriebskosten stetig an, was unter anderem im Zusammenhang mit dem stark abrasiven Harnstoffprodukt stand. Aufgrund seines hohen Stickstoffgehaltes von 46 Prozent ist Harnstoff weltweit das bedeutendste Stickstoffdüngemittel. Reiner Harnstoff ist ein weißer, kristalliner, schwach nach Ammoniak riechender, ungiftiger und hygienisch unbedenklicher Feststoff. Er verfügt zudem über eine hohe Wasserbindungsfähigkeit, weshalb er unter anderem als Feuchtigkeitsfaktor in Kosmetika eingesetzt wird. Das zu verarbeitende Harnstoffprodukt in Granulatform ist zwar gut rieselfähig, jedoch stark schleißend, was zu einem abrasiven Materialverschleiß führt. Daher ist es bei der Konstruktion und Fertigung von Siebmaschinen im Düngemittelbereich besonders wichtig, dem Thema Verschleißschutz Rechnung zu tragen.

Eine Anforderung, die dem Siebmaschinenhersteller Engelsmann nicht fremd ist, da die Siebtechnikexperten aus Ludwigshafen in der Vergangenheit schon einige Klassiersiebmaschinen für die Düngemittelindustrie gefertigt und geliefert haben. Für diesen Anwendungsfall wurde auf die hierfür konzipierte Langhub-Siebmaschine der Modellreihe Freischwinger zurückgegriffen.

Horizontale Siebbewegung, hohe Trennschärfe

Neben einem geringen Materialabrieb und einer produktschonenden Klassierung der 2 bis 5 mm großen Granulatkörner standen bei der Konstruktion der Maschinenlösung insbesondere deren Produktivität und Wirtschaftlichkeit im Fokus.

Aufgrund der hohen Produktkonzentration des Stickstoffdüngers wurde eine Trennschärfe von über 98 Prozent sowie im Zuge der geplanten Produktionssteigerung eine Durchsatzleistung von 52 t/h gefordert.

Weitere wichtige Faktoren für den Auftraggeber waren ein einfacheres Maschinenhandling, ein energieeffizienterer Antrieb sowie geringere Reinigungs- und Wartungszyklen, um den Maschineneinsatz wirtschaftlicher und produktiver als bisher zu gestalten. Um die Anforderungen im Gesamten bestmöglich zu erfüllen, wurden zwei Maschinen der Freischwinger-Reihe FW 1.200/4 als Grundmodell ausgewählt, die auf vorgegebene Größenordnungen ausgelegt sind. So verfügen die 7,80 m und 2,85 m breiten Langhubsiebmaschinen über eine Eindeckausführung mit zwölf hintereinander angeordneten Siebeinlegern und einer Gesamtsiebfläche von jeweils 12 m2.

Durch das spezielle Antriebssystem, das den kompletten Siebtrog in eine horizontale Schwingung versetzt, wird eine optimale Schichtung des Düngemittels erreicht. Die Hubbewegung unterbindet durch die minimale vertikale Kraftkomponente eine sogenannte Teppichbildung, welche Körner zum Springen und Rückvermischen veranlasst. Der feinkörnige Anteil bewegt sich direkt oberhalb des Siebgewebes, was zu einer hohen Trennschärfe von 99 Prozent führt und kein Nachsieben erforderlich macht. Ein weiterer Vorteil dieses Antriebssystems ist der niedrige Energiebedarf. Dieser wird durch den exakten Massenausgleich zwischen der Antriebseinheit und dem Siebtrog erzielt. Für einen energiearmen Betrieb werden die jeweils 7,5 t schweren Freischwinger-Siebmaschinen über einen 5,5 KW starken Elektromotor angetrieben, der seine Kraft mittels eines Keilriemens auf eine mit Schubstangen versehene Schwungmasse überträgt, die exakt auf die Masse des Siebtrogs abgestimmt ist. Der Motor treibt die Masse circa 15 Sek. mit vollem Nennstrom an und hält sie dann mit lediglich 10 bis 20 Prozent des Nennstroms in Schwung. Dabei wird die elektrische Energie in Rotationsenergie umgewandelt, in den Schwungscheiben gespeichert und im Anschluss nach und nach abgegeben.

Teppich, nein danke

Der Innenraum der Freischwingermaschinen ist so konstruiert, dass das Harnstoffgranulat nur kurze Zeit auf dem Siebdeck verweilt, um den abrasiven Angriff des Produkts auf die kritischen Teile zu minimieren. An den kritischen Umlenkstellen der Siebmaschine sind Schleißschutzbleche aus speziellen gehärteten Werkstoffen im Einsatz. Diese verhindern ein zu schnelles Durchschießen der heiklen Stellen und erhöhen somit die Standzeit der Maschine erheblich. Ebenso sind die Siebeinleger mit speziellem hartgezogenem Gewebe aus hochfestem Edelstahldraht bespannt.

Aufgrund des schleißenden Produktes wurden die Produktverteilerbleche eingeschraubt, sodass diese mit geringem Aufwand ausgetauscht werden können. Die Produktverteiler gewährleisten zum einen eine schonende Materialaufgabe und Produktzuführung sowie eine optimale Verteilung des Siebprodukts auf der gesamten Fläche des Siebgewebes.

Um einen produktschonenden Siebvorgang sicherzustellen, sind die Langhubsiebmaschinen inklusive aller produktberührenden Teile aus gebeiztem und passiviertem Edelstahl (V4A 1.4571) gefertigt, sodass Übergänge vermieden werden und ein hoher Anteil an glatten Flächen eine einfache Reinigung unterstützt. Damit sich das Siebgewebe während des Siebvorgangs nicht mit Grenzkorn (Steckkorn) zusetzt, wurde das installierte Siebabreinigungssystem mit Silikonkugeln bestückt, um eine Verunreinigung des Granulatprodukts durch Materialabrieb zu vermeiden. Durch die horizontalen Bewegungen des Siebtrogs werden die Prallkopfkugeln an die Gewebemaschen geschleudert und sorgen somit für ein freies Siebgewebe. Die zwei Langhub-Siebmaschinen können jeweils vier Fraktionen (Sortierungen) in einem Siebprozess trennen und verfügen jeweils über vier Ausläufe für die Abführung des Siebguts. Das ausgesiebte Unterkorn wird für Recyclingzwecke dem Prozess wieder zugeführt, das Feinkorn gelangt zum Granulator, das Gutkorn wird als verkaufsfertige Ware abgefüllt und das Überkorn über einen Brecher ebenfalls an den Granulator zurückgefördert.

Bei Siebmaschinen mit hoher Durchsatzleistung und entsprechend großer Siebfläche ist die Möglichkeit eines schnellen und einfachen Siebwechsels unabdingbar. Aus diesem Grund ist die Siebfläche nach Entfernen einer Abdeckplane mit Einhängeösen frei zugänglich. Anschließend müssen nur noch die Exzenterspanner geöffnet und die Siebeinleger getauscht werden. Dadurch sinkt die Stillstandszeit und die Maschinenverfügbarkeit steigt. Die Siebmaschinen können direkt auf dem Stahlbau oder dem Betonboden installiert werden, da durch das Antriebsprinzip des Massenausgleichs keine Maschinenabhängung oder ähnliches erforderlich ist und nur in geringem Maße Schwingungen von der Maschine übertragen werden. Das Laufgeräusch von nur 78 dB(A) trägt unter Berücksichtigung der Maschinengröße und im Vergleich zu gängigen Fabrikaten zu einem lärmarmen Produktionsbetrieb bei.

Um eine möglichst hohe Maschinenverfügbarkeit im Dreischichtbetrieb an sieben Tagen die Woche zu erreichen, unterliegt im Gegensatz zu den bisher eingesetzten Siebmaschinen mit ölgeschmiertem Motorgetriebe der Schwungantrieb nur geringem Verschleiß, was wiederum einen niedrigen Materialeinsatz und Wartungsaufwand zur Folge hat. Des Weiteren befinden sich Verschleißteile wie Ersatzkeilriemen unmittelbar in der Nähe des Antriebskeilriemens, sodass im Notfall ein Riemenwechsel mit nur minimalem Zeitaufwand möglich ist.

Das Ersetzen der bestehenden Siebmaschinen mit den zwei Freischwinger-Modellen von Engelsmann hat sich für den Düngemittelproduzenten vielfach gelohnt. Neben der produktschonenden und trennscharfen Klassierung wurde die Durchsatzleistung pro m2 Siebfläche erheblich gesteigert, sodass mit einer etwa halb so großen Siebfläche wie bisher dieselbe Produktionskapazität erreicht werden konnte. Zudem konnten die Betriebskosten dank des geringeren Energieverbrauchs des Schwungantriebs von 5,5 kW im Vergleich zu 11 kW der Mitbewerberfabrikate und aufgrund des verringerten Ersatzteil- und Wartungsaufwands durch den konstruktiven Schleißschutz erheblich gesenkt werden.

Das einfachere Maschinenhandling mit der Möglichkeit, durch Entfernen der Abdeckplane schnell die Siebeinleger wechseln zu können, minimierte zudem die Stillstandszeiten der Maschinen, da bisher bei einem Siebwechsel der schwere Maschinendeckel mithilfe eines Krans angehoben werden musste.

Bildergalerie

  • Siebmaschinen wie die der Firma J. Engelsmann kommen in der Produktion von Düngemitteln häufig zum Einsatz.

    Siebmaschinen wie die der Firma J. Engelsmann kommen in der Produktion von Düngemitteln häufig zum Einsatz.

    Bild: Engelsmann

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