Verfahrenstechnik 1,3 Milliarden Tests pro Jahr

17.04.2013

Der Markt für Diagnostika ist groß und wächst beständig. Für Roche ein Anlass zum Bau des zweiten Diagnostic Operations Centers im bayrischen Penzberg - keine drei Jahre nach Einweihung des ersten. Diagnostics Operations-Leiter Dr. Hans Gröger und Dr. Joachim Eberle, Leiter Diagnostics-F&E, über ihre Erwartungen an die Zukunft.

P&A: Herr Dr. Gröger, das ursprüngliche Diagnostic Operations Center läuft eben erst auf Hochtouren, da bauen Sie schon das zweite. Welche Gründe sprachen für den Neubau?

Gröger: Entstanden ist das DOCII vor allem aus der Erkenntnis heraus, dass wir Kapazitätsengpässe in Zukunft haben werden - in der Einsatzstoffproduktion für das Elecsys-Portfolio wie auch bei Ansatz und Abfüllung der Kalibratoren und Kontrollen.

Musste Penzberg sich wie 2008 in einem internen Wettbewerb durchsetzen?

Gröger: Die Standortfrage wird natürlich bei jeder Investition gestellt. Für uns sprach bedingt durch das bereits vorhandene DOCI, dass wir hier ganz gezielt nur in die erwähnten Engpässe investieren müssen. Somit können wir die Investition tiefhalten. Zudem ist bei Einsatzstoffen dieser Art die Frage nach der Kompetenz bei der Herstellung sehr wichtig. Unser Standort hat mehr als ein Jahrzehnt bewiesen, dass wir ein verlässlicher Produzent und Partner für das Geschäft sind. Das war ein ganz wichtiger Faktor.

Wird das Personal zukünftig entsprechend übergreifend in beiden Produktionseinheiten arbeiten?

Gröger: Ja, obwohl wir auch unterschiedliche Technologien einsetzen werden. Ein großer Teil des DOCII wird aus der Einsatzstoffproduktion bestehen. Dort laufen andere biotechnologische Prozesse als im DOCI. Namentlich handelt es sich also um zwei Geschwistergebäude, aber die Prozesse unterscheiden sich deutlich.

An den Stückzahlen bestehender Produktlinien soll sich also nichts ändern?

Gröger: Doch, es geht um beides: Kapazitätsengpässe beseitigen und die Produktbreite vergrößern. Wir werden Linien aus anderen Gebäuden ins DOCII verlagern, weil wir in den alten Gebäuden an Engpässe stoßen. Dieser Schritt erlaubt es uns gleichzeitig, die Prozesse zu hinterfragen, zu überarbeiten und hochzuskalieren. Wo Möglichkeiten bestehen, werden wir auch stärker automatisieren.

Hat sich bei der Technologie denn in den wenigen Jahren seit Einweihung des ersten Gebäudekomplexes so viel getan?

Gröger: Absolut! Es ist faszinierend, wie die Entwicklung voranschreitet. Und wenn man wie wir die Möglichkeit des Hochskalierens hat, ist das ein sehr schönes Luxusproblem für uns als Produzenten.

Welche Dimensionen haben Sie sich für die Kapazitätserweiterung zum Ziel gesetzt?

Gröger: Wir werden die Kapazität für die Einsatzstoffe in zwei Schritten steigern: zuerst um 60Prozent, indem wir gezielt in einzelne Technologien investieren. Dann werden wir in einem zweiten Schritt nochmal 40Prozent hinlegen. Bei den Kalibratoren und Kontrollen wollen wir die Kapazität bis 2015 verdoppeln.

Entspricht das dem aktuellen Wachstum der von Roche angebotenen Diagnostika-Produkte?

Eberle: Derzeit haben wir weltweit circa 40.000 Analysengeräte im Markt, davon etwa 30.000 in der Immunologie. Mit diesen Geräten werden etwa 1,3Milliarden Tests im Jahr gemacht. In ein paar Jahren liegen wir wahrscheinlich bei 100.000 Geräten - mit entsprechenden Wachstumsprognosen bei der Anzahl der Tests. Das betrifft gerade die asiatischen Märkte, wo das Wachstum bei der Diagnostik derzeit bei rund 30Prozent liegt.

Sie sehen Penzberg also für die Zukunft gerüstet?

Gröger: Basierend auf der aktuellen Planung haben wir bis 2020 genügend Kapazitäten, um das Wachstum der Elecsys-Plattform zu unterstützen. Da sind wir mit heutigem Kenntnisstand bis 2020 gut aufgestellt. Weiter in die Zukunft wagen wir derzeit nicht zu blicken, weil diese Mengenentwicklungen schwer vorherzusagen sind.

Wird sich dieses Wachstum allein durch höhere Stückzahlen gestalten?

Eberle: Sicher nicht - die aktuellen Produkte suchen nur nach Einzelmarkern, die auf eine Krankheit hinweisen. Doch bei sehr komplexen Erkrankungen wie Krebs wird ein einzelner Marker nicht ausreichen. Durch das Kombinieren von mehreren Markern kann man die erforderliche Sensitivität und Spezifität erreichen. So wird Diagnostik etwa für Dickdarmkrebs oder Rheuma erreichbar sein. Bisher werden durch Diagnostik außerdem nur statische Bedingungen analysiert. Zukünftig werden wir genauer sagen können, in welcher Phase sich eine Erkrankung befindet.

Zum Schluss eine politische Frage: Wird es als Problem wahrgenommen, dass Roche Diagnostik und Therapie aus einer Hand anbietet?

Eberle: Roche Diagnostics und Roche Pharma sind zwei Geschäftseinheiten unter einem Dach, die historisch sehr früh das Potenzial der personalisierten Medizin gemeinsam erarbeitet haben. Dieses Potenzial wird aber von vielen anderen Firmen der Branche inzwischen auch so gesehen. So unterstützt die Diagnostik auch andere Pharmafirmen auf der Suche nach therapiebegleitenden Tests. Krankenkassen können ebenfalls helfen, den Wert der Diagnostik zu verstehen. Nur zwei Prozent der gesamten Kosten einer Behandlung entfallen auf Diagnostik - aber 60 bis 70Prozent der medizinischen Entscheidungen basieren darauf. Diagnostik kann deshalb beitragen, Kosten in der Behandlung zu vermeiden.

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