Pumpen & Kompressoren 7 Fragen an ... 
Dr. Ulrich von Hülsen, Pfeiffer Vacuum

Bild: Pfeiffer Vacuum
09.02.2016

125 Jahre behauptet sich der Vakuumspezialist Pfeiffer Vacuum auf dem Markt – seit letztem September ist Dr. Ulrich von Hülsen mit an Bord. Als Leiter der Business Unit Analytics & Industry verstärkt der promovierte Physiker die Geschäftsführung um Manfred Bender und Dr. Matthias Wiemer. Wir haben uns mit ihm über Industrie 4.0, Wendelstein 7-X und die Faszination Vakuum unterhalten.

Vor Ihrer Zeit bei Pfeiffer Vacuum waren Sie 12 Jahre beim Leichtbauer Inometa. Was bringen Sie mit?

Dr. Ulrich von Hülsen, Pfeiffer Vacuum:

Erfahrung bei der Leitung eines technologieführenden Unternehmens. Darin, wo immer es möglich ist, mit der eigenen Technologie Kundennutzen zu kreieren und zu verkaufen. Die Geschäftsmodelle der Unternehmen sind sich darin ähnlich. Auch bei Pfeiffer Vacuum ist es wichtig, die Prozesse der Kunden zu verstehen und zu erkennen, was unsere Vakuum-Lösungen können müssen, um Prozesse weiter zu verbessern. Dabei spielt Innovation hier wie dort eine große Rolle – und zwar nicht nur die Innovation, die in die Produkte geht.

Was hat Sie nun an der Vakuumtechnik angesprochen, für die Pfeiffer Vacuum bekannt ist?

Enorm gereizt hat mich die Vielfältigkeit und die Relevanz der Anwendungen, zu der Vakuumtechnik heute einen Beitrag leistet. Im Prinzip gibt es kein technologisches Megathema, bei dem sie keine Rolle spielt, sei es bei der Mobilität, sei es bei der Energiegewinnung. Pfeiffer Vacuum hat sich aufgrund der hohen Einsatz- und Qualitätsanforderungen an das Vakuumsystem als kompetenter Partner für das Kernfusionsexperiment Wendelstein 7-X qualifiziert, das Energie aus Kernfusionen generiert. In der Medizin wiederum wären Therapiemaßnahmen wie Schwerionenbestrahlung ohne Vakuum nicht möglich. Aber Vakuumanwendungen gibt es auch im täglichen Leben, in Anwendungen in der Produktion, in Beschichtungsanlagen. 
Das alles beschreibt ein unheimlich breites technologisches Feld. Und dass ich ein breites technologisches Verständnis mitbringe, ist sicher eine meiner Stärken. Die Begeisterung für Technologie, Technik war bei mir schon im Studium sehr handfest. In der Vergangenheit habe ich mich beispielsweise mit Materialwissenschaften beschäftigt, das bewegt sich schon eng am Maschinenbau. Später habe ich dann im Maschinenbau gearbeitet.

Pfeiffer Vacuum engagiert sich auch in der theoretischen Grundlagenforschung. Hat Sie dieser Aspekt ebenfalls gereizt?

Dahinter steht ja letztendlich die Frage, wie wir den Innovationsprozess verstehen. Der fängt im R&D an: In der Forschung wird ja nicht nur unsere Technologie eingesetzt. Es werden entscheidende Prozesse erfunden, die realisiert und irgendwann kommerzialisiert werden müssen. Häufig spielt Vakuum dabei eine Rolle. Das Feld Forschung und Entwicklung ist für uns so wichtig, weil es uns zeigt, was die Anwendungen und Anforderungen unserer Kunden in der Zukunft sind.
Man kann nicht Innovation als Teil der Strategie ausgeben, ohne nicht wesentlich in Forschung und Entwicklung zu investieren. Deswegen ist die Förderung junger Talente für uns zentral, zum Beispiel mit dem Doktorandenpreis der GSI oder dem Röntgenpreis, die wir stiften, aber auch mit einem sehr aktiven Programm für das duale Studium.

Wie hat sich Ihr Start bei Pfeiffer Vacuum gestaltet: Konnten Sie schon erste Erfolge verbuchen, Themen setzen?

Es wäre vermessen, hier von „ersten Erfolgen“ zu sprechen. Pfeiffer Vacuum blickt auf 125 Jahre Firmengeschichte zurück. Sieht man sich diese an, so hat die Firma immer wieder gezeigt, dass sie veränderbar ist und dass sie die Veränderung, die von ihr verlangt wird, auch umsetzt. 2015 hat Pfeiffer Vacuum ein erfolgreiches Jahr hinter sich gebracht. Wir sind auf einem erfolgreichen, stabilen Kurs, da wäre es kontraproduktiv, mit massiven Veränderungen hereinzuplatzen. Es geht eher darum, diesen erfolgreichen Kurs konsequent weiterzuentwickeln, zu beschleunigen und wichtige Weichen für die Zukunft zu stellen.
Denn natürlich stehen unsere Märkte vor Herausforderungen. Zum Beispiel wandert immer mehr Geschäft Richtung Asien. Gleichzeitig ist das Thema Innovation von enormer Wichtigkeit. Beim Thema Digitalisierung greift das Schlagwort Industrie 4.0, das es zu nutzen und umzusetzen gilt.

Wie soll das konkret aussehen?

Von vielen Aspekten der Industrie 4.0 können wir profitieren. Das fängt im Vertrieb an, wo es gilt, Daten und Informationen zu Kunden, Anwendungen oder Technologie besser zu verbinden und effizienter aufzubereiten, um dadurch besser beraten zu können. Vorteile schafft Industrie 4.0 auch in der eigenen Produktion, wo die Digitalisierung und die Möglichkeiten, unterschiedliche Varianten zu fertigen, immer günstiger werden. Es macht finanziell immer weniger Unterschied, ob Sie ein reines Serienprodukt oder ähnliche Produkte in Varianten fertigen. Und durch die Datenvernetzung der Produkte mit dem Kunden können Sie diesem sozusagen in Real-Time in seinen Prozessen Feedback geben. Sensoren in unseren Pumpen schaffen einen enormen Nutzwert. Ein breites Spektrum, also. Für uns ist es wichtig, an vielen dieser Stellen mit dabei zu sein.

Welche Rolle spielt für den international aufgestellten Konzern Pfeiffer Vacuum der deutsche Markt?

Er ist nach wie vor zentral, wir machen hier deutlich mehr als 20 Prozent des Umsatzes. Deutschland ist immer noch eine Nation, die im Maschinenbau technologieführend weiterentwickelt, vorentwickelt und exportiert. Es ist für uns wichtig, diese Innovationskraft zu nutzen und mit ihr zu wachsen. Auch als Produktionsstandort ist Deutschland für uns bedeutend. Ich bin davon überzeugt, dass wir diesen Standort langfristig halten können – indem wir Prozesse und Produktionsverfahren weiterentwickeln und den Vorteil nutzen, dass wir sowohl Produktion als auch Entwicklung vor Ort haben. Auch wenn wir an anderen Märkten weitere Produktionsstandorte aufbauen und darüber hinaus die Supply-Chain internationalisieren und optimieren werden.

Grundfos-Chef Martin Palsa sagte im Interview mit P&A: „Es wurde schon genug erfunden, der nächste Sprung der Revolution resultiert aus der Kombination dessen, was wir schon geschafft haben.“ Stimmen Sie zu?

Viel Innovation entsteht aus Kombination dessen, was schon da ist. Ich glaube, dass das gar nicht zu trennen ist und dass man das gar nicht muss. Viel wichtiger ist es, offen zu sein für jede Form von Innovation: Das kann ein neues Geschäftsmodell sein, eine bessere Datenverarbeitung oder auch ein neues Pumpenprinzip. Bei uns im Unternehmen wurde zum Beispiel ein spezielles Dichtungsprinzip erfunden, am Ende ist das nur eine Kombination von Dingen – aber auch ein echt innovativer Ansatz. Dasselbe gilt für die leistungsstarke Turbopumpe HiPace 30, die Turbotechnologie und Miniaturisierung zusammenbringt.
Die Gefahr für Unternehmen wie uns, die einen so großen Fokus auf Innovation legen, ist, die Produkte über die Kundenanforderungen hinaus zu gut zu machen – und damit zu teuer. Das birgt die Gefahr, am Markt vorbei zu entwickeln. Hier gilt es über die Kundennähe die wirklichen Probleme zu erkennen, die Limitierungen zu verstehen, die unser Produkt dem Kunden auferlegt. Welche davon will der Kunde gern durchbrechen? In diesem Bereich müssen wir Produkte entsprechend verbessern.

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