Prozessautomation & Messtechnik Weites Feld

22.05.2013

Erneuerbare Energien sind auch in Nicaragua im Aufwind. Dort herrscht die höchste Abhängigkeit von Öl in Zentralamerika. Eine wichtige Rolle spielt Geothermie, etwa ein Projekt in San Jacinto. Dank der Control-in-the-Field-Funktion von Foundation Fieldbus konnten die Planer dort Steuerungsfunktionen von der Leitzentrale in die weit entfernte Feldebene übertragen.

Nicaragua erlebt derzeit einen regelrechten Boom der erneuerbaren Energien. Denn es ist das Land mit den höchsten Energiekosten in ganz Zentralamerika. Zudem ist seine Abhängigkeit vom Ölimport sehr hoch. Ein wichtiger Baustein zum Ausbau der erneuerbaren Energien entsteht im Gebirge Cordillera de los Maribios, einer 70km langen Kette aktiver Vulkane. Dort, genauer gesagt in der Nicaraguasenke, befindet sich das Geothermieprojekt San Jacinto Tizate. Das Gebiet zeigt außergewöhnlich starke geothermische Aktivität. Im Jahr 2001 wurde die Geothermie-Konzession für San Jacinto Tizate und seine geschätzte Gesamtkapazität von 277MW (Mittelwert) an Ram Power aus den USA vergeben, die auf dem amerikanischen Kontinent zu den Marktführern bei der Realisierung von Projekten rund um erneuerbare Energie aus Geothermie zählt. Gemäß des Nutzungsvertrags für San Jacinto führt Ram Power das Projekt in zwei Phasen durch. Die bereits abgeschlossene Phase I hat am 9. Januar 2012 den kommerziellen Betrieb aufgenommen. Aktuell wird Phase II verwirklicht, die die Leistung um weitere 36MW erhöht. Ram Power führte zunächst zusammen mit den Konstrukteuren der Firma Power Engineers eine eingehende Analyse der verfügbaren Technologien für die Realisierung durch. Ihre Wahl fiel dabei auf ein Standard-Steuerungssystem, das in einer Leitzentrale eingerichtet werden sollte. Die dezentralen Feldgeräte (z.B. Druck- und Temperaturmessumformer sowie Steuerungsventile) im Geothermiefeld San Jacinto werden über ein Foundation-Fieldbus- (FF) Modbus-over-Ethernet-Gateway an die zentrale Steuerung angebunden. Dadurch konnte Ram Power die Vorteile von „Control in the Field“, einer Besonderheit von FF, ausschöpfen, um die erforderlichen Regelkreise zu implementieren und die eigentliche Steuerungsfunktion von der Leitzentrale an die Feldgeräte zu übertragen. Beide unter der Konzession betriebenen Kraftwerke werden unter Verwendung des Single-Flash-Verfahrens mit Kondensationsturbine realisiert, ein kostengünstiges und besonders effizientes System zur geothermischen Energiegewinnung. Beim Single-Flash-Prozess wird zweiphasiges geothermisches Fluid (hauptsächlich Wasser und Dampf) mit hohem Druck und Temperatur in einen Niederdruck-Separator hinein entspannt. Der Dampf wird dabei der Turbine zur Stromerzeugung zugeführt; die verbleibende Flüssigkeit wird zur Wiedererwärmung in das geothermische Reservoir reinjiziert. Für das dezentrale Steuerungssystem sprachen vor allem die große Entfernung zwischen der Leitzentrale und dem Geothermiefeld und die hohen Anforderungen an Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit. Das Projektteam zog mehrere Alternativen des Steuerungssystems in Betracht, etwa die Implementierung einzelner Steuerungen direkt an den jeweiligen Förderpunkten oder eine Fernsteuerung direkt von der Leitzentrale. Beides wurde jedoch aus Kosten- und Zuverlässigkeitsgründen verworfen. Die Konstruktionsfirma installierte stattdessen in der Leitwarte eine klassische DCS-Steuerung, die über Ethernet via Modbus/TCP kommuniziert. Das Ethernet-Glasfasernetz in San Jacinto Tizate nutzt Gateways zur Anbindung der einzelnen Förderpunkte des Kraftwerks, die zum einen die Steuerung mit dem lokalen FF-Segment verbinden und zum anderen als FF-Host für die direkt an den Förderpunkten befindlichen Feldgeräte fungieren. Nach Auswertung diverser Optionen entschied sich das Projektteam für das Gateway FG-110 FF von Softing Industrial Automation. Es unterstützt den Datenaustausch zwischen dem Leitsystem und den Feldgeräten und erlaubt eine Verbindung mit bis zu vier FF-H1-Segmenten mit maximal 64 Feldgeräten. Durch die Flexibilität bei der Abbildung der Modbus-Register auf die entsprechenden FF-Funktionen vereinfacht das FG-110 FF die Anbindung verschiedenster Standardsteuerungen an Foundation Fieldbus. Eine maßgebliche Rolle bei der Entscheidung des Projektteams spielte nicht nur die einfache Bedienung der Lösung dank der Parametriermöglichkeit über die integrierte Web-Oberfläche, sondern auch die Kompetenz Softings für FF-Technologie. Das Modbus-Gateway und Linking Device FG-110 FF nutzt ein Windows-basiertes FF-Werkzeug zur Konfiguration der Feldgeräte sowie zur Festlegung der Verbindungen und der Ausführung von Function Blocks. Ein weiterer Vorteil des Gateways besteht darin, dass es die Protokolle Modbus/TCP und FF High Speed Ethernet (HSE) gleichzeitig verarbeitet. So kann der Steuerungstechniker die Ethernet-Infrastruktur für die gesamte FF-Konfiguration nutzen und die Überwachungs- und Diagnoseaufgaben direkt von der Leitzentrale aus durchführen. Den endgültigen Ausschlag zugunsten des FG-110 FF gab die Möglichkeit, Standard-Device-Description (DD)-Dateien für FF zu verwenden. Im Gegensatz zu den speziell angepassten DD-Dateien anderer Gateways erlauben sie die Einbindung aller bei FF registrierten FF-H1-Feldgeräte. Nach der Installation des Gateways FG-110 FF wird die FF-Funktionalität, einschließlich Control in the Field (CiF), mit einer Standardsteuerung verbunden, die die Kommunikation über Modbus/TCP unterstützt. Die CiF-Funktionalität übergibt die Steuerungsaufgabe vollständig an die Feldgeräte, die dazu die einzelnen Regelkreise ausführen und den Datenaustausch zwischen den Function Blocks festlegen. Der Datenaustausch zwischen den einzelnen Feldgeräten wird hierbei über einen gemeinsamen Takt synchronisiert.

CiF-Funktionalität von Feldgeräten mitgetragen

CiF-Definition und -Ausführung erfolgen durch die FF-Konfiguration, den FF Link Active Scheduler (LAS) und den FF Time Master. Unterstützt durch die einzelnen FF-H1-Feldgeräte definiert das Konfigurationswerkzeug zunächst die Kommunikationsschnittstelle für die Ein- und Ausgangsdaten (d.h. den Datenaustausch) und legt den Plan für die Ausführung der einzelnen Function Blocks fest. Nach dem Herunterladen der Konfiguration in die verschiedenen Feldgeräte im FF-H1-Segment sorgt der LAS für eine einfache Kommunikation zwischen den Feldgeräten. Dadurch kann sichergestellt werden, dass der Datenaustausch mit den zuvor definierten Regelkreisen kompatibel ist. Die Rolle des LAS ist hierbei nicht auf das Gateway FG-110 FF beschränkt. Sie kann von jedem kompatiblen Feldgerät übernommen werden, wodurch eine redundante Auslegung der CiF-Funktionalität erreicht wird. Ein Time Master liefert zur Laufzeit konsistente Zeitinformationen innerhalb des FF-H1-Segments und synchronisiert auf diese Weise die Ausführung der Function Blocks. Das CiF-Konzept eröffnet eine Reihe von Vorteilen: Durch die Synchronisierung der Regelkreisausführung und des Datenaustausches erhöht es die deterministische Steuerung und verkürzt zugleich die Reaktionszeiten. Zudem steigert das Redundanzkonzept die Verfügbarkeit der Steuerung. Da die CiF-Anwendung eigenständig arbeitet, ist sie nicht von der Verfügbarkeit der Steuerung in der Leitzentrale oder der Netzwerkverbindung zu den Förderpunkten abhängig. Für die in San Jacinto Tizate verwendete Steuerungsanwendung werden Druck-Prozesswerte zweimal erfasst, um die Vorteile der CiF-Funktionalität optimal auszuschöpfen; der Function Block Input Selector (IS) sorgt dabei für Redundanz. Die resultierenden Informationen werden zur Kalkulation des Eingangs an den Function Block PID gesendet. Probleme bei der Implementierung und Inbetriebnahme des Großprojekts wurden erfolgreich gelöst. Seitdem stellt das System unter Beweis, dass Control in the Field eine optimale Lösung für entfernte Anwendungen bietet. Im Geothermiefeld San Jacinto sind insgesamt vier Softing-Module verbaut, die seit nunmehr einem Jahr zuverlässig arbeiten. „Power übernahm die Konfiguration und Installation der FG-110 FF-Produkte sowie deren Inbetriebnahme mit Hilfe des Technischen Supports von Softing. Deren Techniker waren dabei sehr kooperativ und hilfsbereit“. so Tom McAuliffe, verantwortlicher Steuerungsingenieur bei Power Engineers.: „Wir haben Softing einige Produktverbesserungen vorgeschlagen und diese Modifikationen standen bereits in der nächsten Firmware-Version zur Verfügung. Sollte Ram Power oder Power Engineers wieder einmal ein Projekt mit FF Control in the Field realisieren, würden wir definitiv wieder die Gateway-Produktreihe von Softing einsetzen.“

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