Prozessautomation & Messtechnik Prozesswissen beschleunigt Inbetriebnahme

19.09.2013

In einem Großrohrwerk verhilft eine lückenlose Prozessanalyse dem Anlagenbauer zu objektiven Prozessdaten von den Maschinen. Während der verfahrenstechnischen Inbetriebnahme konnte er so direkt Einfluss auf die Einstellungen nehmen, somit die Funktionsweise der Maschinen verbessern und die Abläufe in der Anlage optimieren.

Im russischen Großrohrwerk in Cheljabinsk werden längsnahtgeschweißte Stahlrohre für Öl- und Gas-Pipelines mit Durchmessern bis zu 1.422 mm und einer Länge von bis zu 18 m hergestellt. SMS Meer, ein Unternehmensbereich der SMS Group und einer der weltweit führenden Hersteller von Maschinen und Anlagen für die Stahl-, Aluminium- und Kupferindustrie, lieferte alle Bearbeitungsstationen sowie die komplette Elektrik und Automation des Großrohrwerks. Bei dem Projekt ging es SMS Meer darum, die Inbetriebnahme der Anlage effizienter zu gestalten, als es bisher möglich war. Eine lückenlose Prozessanalyse in der Anlage zur Rohrherstellung sollte dem Anlagenanbieter dazu verhelfen. Zu diesem Zweck installierte SMS Meer in den Produktionsmaschinen eine Messwerterfassungstechnologie von iba. Der Anlagenhersteller hatte sich zum Ziel gesetzt, bei der verfahrenstechnischen Inbetriebnahme der Anlage theoretische Modelle für die Prozesse der Maschinen zu verifizieren, in einer Datenbank Technologiedaten zu sammeln und so eine Verbesserung der Anlagenauslegung zu erreichen. Man wollte erfahren, wo Optimierungspotenzial für die Abläufe in der Anlage besteht, welche Leistungscharakteristika mit der Anlage erreicht werden können und wie man von Projekt zu Projekt die Performance der Anlage verbessern kann. Mit den objektiven Prozessdaten aus dem iba-System konnte das Unternehmen diese Anforderungen erfüllen und die verfahrenstechnischen Einstellungen der Maschinen perfekt auf die Produktionsumgebung abstimmen. Bevor die Mess- und Analysesysteme von iba im kompletten Großrohwerk installiert wurden, sollte eine Testphase theoretische Modelle für die Prozesse der Maschinen liefern. Zum Test wurde das iba-System an einer Rohrendenstauchpresse eingebaut. Nach den positiven Tests wurden die iba-Produkte auch in allen Kernmaschinen der Großrohrproduktion des russischen Werks implementiert. „Unser Ziel ist es, das Prozesswissen von uns und unserem Kunden weiterzuentwickeln und damit eine Technologiepartnerschaft zu etablieren. Dieses Ziel können wir nur erreichen, wenn wir mit Prozessdaten beispielsweise aus dem iba-System effektiv in unsere Maschinen hineinschauen, um sie zu analysieren und zu optimieren“, erklärt Dr. Jochen Vochsen von SMS Meer.

Taktzeiten-Nachweis ohne Stoppuhr

Ein wichtiger Bestandteil einer verfahrenstechnischen Inbetriebnahme sind die Leistungstests zur Abnahme der Anlage. Hierfür muss SMS Meer unter anderem die vertraglich festgelegten Taktzeiten nachweisen. „Bei der Inbetriebnahme von Maschinen dieser Größenordnung wie in Cheljabinsk ist es von Bedeutung, effektiv auf die Abläufe in der Anlage zuzugreifen und ihre Funktionsweise nachvollziehen zu können“, erklärt Vochsen. Bisher ermittelte SMS Meer wie viele andere Anlagenanbieter die Taktzeiten der Maschinen mit Stoppuhren - eine zeitintensive und nur einschränkt objektive Vorgehensweise. Mit der systematischen Prozessanalyse der Anlage konnte SMS Meer die Prozesse in der Maschine genau verfolgen und die Taktzeiten exakt erfassen. Die Dauer der Inbetriebnahme verkürzte sich, und die Reisetätigkeit der Mitarbeiter von SMS Meer, die die Anlage vor Ort in Betrieb nehmen sollten, blieb gering. Die objektiven Daten der iba-Messtechnik ermöglichten den Projektverantwortlichen von SMS Meer, bei der Inbetriebnahme teilweise von Deutschland aus mit den Arbeitern auf der Baustelle im 4.200 km entfernten Cheljabinsk über die Funktionsweise der Anlage zu kommunizieren. Die Implementierung von Messsystemen stellt die Anlagenbetreiber normalerweise vor eine große Herausforderung, denn die Anlagen laufen meist mit Komponenten verschiedener Hersteller - so auch im Großrohrwerk in Cheljabinsk. „Da gab es ursprünglich keine Möglichkeit des Datenaustausches. Um diesen zu ermöglichen, hat iba ein spezielles Programm entwickelt“, erläutert Vochsen. Über die Konnektivität der iba-Messwerterfassungssysteme können Automatisierungssysteme verschiedener Hersteller und Generationen angeschlossen werden. Die Interface-Technik der iba-Produkte ermöglicht eine ausgeprägte Konnektivität zu anderen Systemen und Bustechniken.

Herstellerneutrales System

Im russischen Großrohrwerk konnten iba-Messdaten aus den Steuerungen von Siemens und Bosch-Rexroth mit einem Profibus-Sniffer von iba mitgelesen werden - ein Schnittstellengerät für den schnellen Datenaustausch am Profibus. Das Gerät belastet den Profibus nicht zusätzlich, da der Profibus-Sniffer selbst kein aktiver Teilnehmer am Bus ist. Es wird lediglich die Kommunikation zwischen den Automatisierungsgeräten und den Antrieben sowie der dezentralen Peripherie mitgehört. Die vom Profibus empfangenen Daten werden gewandelt und auf die iba-Lichtwellenleiter-Schnittstelle umgesetzt. Mit dem PC-basierten Messwerterfassungssystem ibaPDA wurden die Prozessdaten zentral aufgezeichnet. Nach der Aufzeichnung der Prozessdaten wurden die Messwerte aus den Großrohrwerk-Maschinen als DAT-Files abgelegt und mit der Auswertesoftware ibaAnalyzer ausgewertet. Die Analysesoftware verwaltet die Dateien mittels einer grafischen Oberfläche, die eine schnelle und einfache Auswahl der gewünschten Signalkanäle erlaubt. Je nach Analyseanforderung können mehrere Signale auf eine Skala gelegt oder jedem Signal seine eigene Skala zugeordnet werden. Durch einen Vergleich von Ist- und Sollwerten wurde das Potenzial zur Optimierung der Maschineneinstellungen schnell sichtbar. Ein leistungsfähiger Reportgenerator ermöglichte das Erstellen maßgeschneiderter Analyseberichte zu Prozessstabilität oder Geschwindigkeiten. Vochsen weiter: „Dank der iba-Technik erkannten wir schnell, wie wir künftig Ausfallzeiten minimieren und Maschinenschäden vorbeugen können.“ Je schneller Fehler in den Maschineneinstellungen entdeckt werden, desto schneller könnten sie behoben werden und desto weniger ist der Anlagenbetrieb von Unterbrechungen gestört. In erster Linie erfasst ibaPDA die Daten auf Zeitbasis. Mit Hilfe einer Zeit-Längen-Umrechnung im ibaAnalyzer können die Messdaten aber auch längenbasiert dargestellt und somit zur Beurteilung der Produktqualität herangezogen werden. „Mit iba geben wir unseren Kunden die Möglichkeit, den kompletten Produktionsablauf einzusehen, und später beim Hochfahren der Maschine in eine verbesserte Produktion zu kommen. Das senkt die Hemmungen des Kunden deutlich, auf eine neue Technologie oder eine neue Maschine umzusteigen“, schildert Vochsen.

Weiter genutzt durch Anlagenbetreiber

Nach den Abnahmetests hat sich der SMS-Meer-Kunde dazu entschlossen, das für die Inbetriebnahme installierte iba-System im Anschluss weiter zu nutzen. Zu dieser Entscheidung führte auch die Tatsache, dass iba sowohl die SMS-Meer-Mitarbeiter als auch die Mitarbeiter des russischen SMS-Meer-Kunden direkt vor Ort schulte und beriet. Die mehrtägige Technikeinweisung übernahmen die Kollegen vom russischen iba-Standort in Lipetsk. Mit dem iba-Messwerterfassungssystem erhielt der Anlagenbauer nicht nur objektive Prozessdaten von den Maschinen während der verfahrenstechnischen Inbetriebnahme. Zudem konnten die Verantwortlichen im Großrohrwerk auf Basis der lückenlosen Prozessanalyse die Einstellungen in der Maschine so vornehmen, dass die Funktionsweise und die Abläufe verbessert werden konnten.

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