Prozessautomation & Messtechnik 7 Fragen an Axel Lorenz

17.04.2013

P&A:

Herr Lorenz, im Oktober 2011 haben Sie das Prozessautomatisierungsgeschäft von Siemens übernommen. Bestimmt haben Sie im Monat darauf gleich Ihre erste Namur-Hauptsitzung erlebt. Welche Ideen hatten Sie damals?

Axel Lorenz

Ja, richtig, ich war dort und konnte gleich wertvolle Kontakte knüpfen. Mein Vorgänger Professor Bruns war auch noch dabei - er stand mir in der Anfangsphase beratend zur Seite. Unser wichtigstes Anliegen war die Kommunikation: Wie wollen wir als Siemens nach außen wirken? Die Achema war gar nicht mehr weit weg - bis dahin mussten wir das beantworten. Hintergrund war, dass die technologische und vertriebliche Kompetenz für die Branchen Chemie & Pharma, Food & Beverage, Glas, Solar und Wasser zusammen in die Einheit Prozessautomation eingegangen war. Der Achema-Messestand schließlich war wirklich beeindruckend. Er bildete den gesamten Lebenszyklus einer Prozessanlage ab. Was mir besonders am Herzen liegt, ist Integrated Engineering, sprich die Kombination des Anlagen-Engineering-Systems Comos mit unserer Prozessleittechnik und der Sensorik. Darin manifestiert sich unsere Strategie der Partnerschaft über den ganzen Lebenszyklus: Daten vom Beginn der Planungsphase können wir zentral halten. Wir binden Partner weltweit in den Engineering-Prozess ein. Und darüber bieten wir unseren Kunden einen Mehrwert. Dieses Thema dominiert meine Arbeit bis heute.

Ihr Vorgänger kam ja ursprünglich aus einem Chemieunternehmen. Sind Sie ähnlich chemiegeprägt?

Nein, keineswegs - meine Wurzeln liegen in der Prozessleittechnik. Vor über 20 Jahren stieg ich bei Siemens mit diesem Thema ein, habe diverse Anlagen in den Branchen Wasser, Nahrungs- und Genussmittel und auch Chemie projektiert und in Betrieb genommen. Im Stammhaus konnte ich im Business Development viel über den Produktentstehungsprozess lernen. So bringe ich das Rüstzeug mit, um die Anforderungen unserer Kunden in unsere Organisation einzuspeisen.

Die berühmte Frage nach den Trends, die Sie in der Prozessindustrie für bestimmend halten, kann ich Ihnen natürlich nicht ersparen. Bei der Branchenvielfalt, die das für Sie bedeutet, nicht so einfach zu beantworten, oder?

Das Thema Energieeffizienz beschäftigt alle, auch wenn das in den einzelnen Branchen sehr unterschiedlich umgesetzt wird. Die Diskussion über Total Cost of Ownership und Lifecycle Management dagegen ist bei all unseren Kunden sehr ähnlich. Genau da haben wir mit dem Ansatz Integrated Engineering viel zu bieten. Comos können wir in vielen Branchen einsetzen und mit dem Leitsystem verknüpfen. Wir nutzen die Daten aus dem Anlagen-Engineering und können zu einem späteren Zeitpunkt das Engineering für die Leittechnik generieren. Indem wir die Parallelität der Engineering-Prozesse unterstützen, entkrampfen sich viele Terminpläne. Und da das Prozessleitsystem die Betriebsdaten wieder zurückspielen kann, ergeben sich auch Vorteile über den Lebenszyklus: Die vollständige, immer aktuelle Anlagendokumentation erlaubt es, Optimierungen besser zu planen als bisher.

Sie haben im letzten Jahr einen 3D-Spezialisten akquiriert. Was hat Sie da getrieben? Sind 3D-Darstellungen nicht längst als zu komplex entlarvt und daher überholt?

3D muss man differenziert betrachten. Diskutieren wir über dreidimensionales Engineering oder dreidimensionale Visualisierung? Wir haben uns für die Akquisition von VRcontext und damit einer 3D-Visualisierung entschieden, weil die Technik das Anlagen-Engineering und den Betrieb über den Lifecycle unterstützt. Denn wir können mit Hilfe von Engineering-Daten aus Comos in Kombination mit VRcontext eine Funktion generieren, die sich Walkinside nennt. Auf der Hannover Messe konnten Sie das erleben: Bereits während die Anlage gebaut wird, kann man Anlagenfahrer und Instandhalter in einer virtuellen Welt schulen. Sie können künftige Wege üben und die Wartung planen - indem sie zum Beispiel so simple Fragen beantworten wie: Komme ich mit dem Werkzeug durch diese Engstelle? Ist ein Ventil überhaupt für mich zugänglich?

Gute Produkte, Software und Systeme für die Prozessindustrie traut man Siemens zu. Aber haben Sie nicht in der Rolle als Lösungsanbieter noch immer Nachholbedarf gegenüber Anbietern, die ihre Wurzeln in der Prozessautomation haben?

Ich denke nicht. Wir sind in der Fertigungsautomatisierung mit unseren Produkten Weltmarktführer. Aber wir sind auch in der Prozessindustrie sehr gut unterwegs, und das, wie beispielsweise Analysten von ARC sagen, sehr stark wachsend. Wir müssen uns nicht vor unseren Wettbewerbern verstecken. Doch unser Ehrgeiz ist es nicht, jedes Projekt selbst zu machen - im Gegenteil. Das unterscheidet uns von den Mitbewerbern. Wir können auf ein weltweites Netzwerk an Solution-Partnern zurückgreifen.

Neben externen Solution-Partnern gibt es auch ein internes Key Account Management. Welchen Part übernimmt das?

Es geht darum, erst einmal den Bedarf des Kunden zu identifizieren - und Wege zu finden, wie wir ihn über Produkte, Systeme und Lösungen befriedigen. Möglich, dass der Kunde dann sagt: Ich fühle mich wohler, wenn die Lösung direkt von Siemens kommt - weil die Anlage eine gewisse Größe hat, weil ich eine schwierige Migration vor mir habe oder neue Techniken ausprobieren will. Oder er will auch im Engineering einen gewissen Wettbewerb und daher mit Partnern arbeiten. Wir stehen für beides zur Verfügung. Unsere Produkte sind Standard im Markt und sind gut kombinierbar - beispielhaft dafür steht Totally Integrated Automation: Das schafft die Basis dafür, dass bei uns auch externe Partner die Lösung liefern können.

Integrated Engineering - da sind wir beim Thema der nächsten Namur-Hauptsitzung. Ich denke, die meisten Teilnehmer der letzten Sitzung hätten bei der Ankündigung des Schwerpunkts 2013 sofort auf Siemens gewettet. Tatsächlich ist Ihr Unternehmen der nächste Hauptsponsor. Was wird Ihre zentrale Botschaft sein? Werden Sie die Karte Industrie 4.0 ausspielen?

Mir geht es darum, Antworten auf die Fragen unserer Kunden zu bieten: Wie können wir noch schneller zu einer Lösung kommen? Wie erreichen wir eine höhere Datenkonsistenz? Wie schaffen wir es, zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Engineering zu starten und zu einem früheren die Anlage in Betrieb zu nehmen? Wie können wir Ressourceneffizienz und Ergonomie vorantreiben? Der Hebel ist Integrated Engineering. Wenn wir auf der Namur-Hauptsitzung diese Fragen beantworten und die Anforderungen für Industrie 4.0 in diesem Zusammenhang darstellen können, ist ein wichtiges Etappenziel erreicht.

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel