Engineering Zwillinge made by BASF

Identical twins looking at each other in studio

Bild: Godfrey Phiong
31.10.2014

Was haben Zwillinge mit Chemieanlagen-Planung zu tun? Sehr viel. In einem sogenannten Twin-Plant-Projekt entstehen äußerst kostensparend zwei Anlagen, die grundsätzlich identische Aufgaben haben. Das funktioniert auch, wenn eine davon in Brasilien und die andere in China steht. Was man dabei beachten muss und was das "Cloning" auch noch während der Betriebsphase bringt, lesen Sie hier.

China machte den Anfang. Und ließ sich gerne kopieren. So war es zumindest bei den zuletzt geplanten Superabsorber-Anlagen, die in Nanjing und kurz darauf als Kopie im brasilianischen Camaçari entstanden. Die Idee leuchtet ein: Zwei Anlagen, die grundsätzlich identische Aufgaben haben, werden zu einem gemeinsamen Projekt zusammengefasst, um Synergien zu nutzen und dadurch Kosten zu sparen. Die Hauptanlagen beider Projekte wurden gemeinsam und weitestgehend identisch geplant. Arno Rychtr, Leiter des Twin-Plant-Projekts bei der BASF, spricht von Cloning und erläutert: „ Bis zum Ende der Detailplanung gab es nur ein Modell, das dann getrennt an die lokalen Erfordernisse angepasst wurde.“

Mit der Anlage im Osten Chinas, die in einem Joint Venture mit Sinopec realisiert wurde, und der baugleichen Anlage in Camaçari möchte die BASF ihre Marktposition bei Superabsorber-Polymeren auf Acrylsäure-Basis ausbauen und vom Wachstum in China und Brasilien profitieren. Beide Anlagen haben die gleiche Kapazität und sind World-Scale-Design für Acrylsäure-Superabsorber-Polymer. Sie wurden mit Siemens als Main Automation Vendor (MAV) umgesetzt. „Dieser Projektansatz gewinnt zunehmend an Bedeutung“, sagt Projektleiter Hans-Günther Bodmann, „in den Wachstumsmärkten in Asien werden rund 40 Prozent der Projekte des Neuanlagengeschäfts als MAV-Verträge realisiert. Das bedeutet: Die Verantwortung der Automatisierungsstruktur liegt in einer Hand.“

Betriebserfahrung leichter übertragbar

Die Planung zweier Anlagen als eine identische Anlage bringt Kostenvorteile. Zudem hat die BASF fast alle Anlagenkomponenten von denselben Lieferanten bezogen, was zu weiteren Einsparungen führte. Rychtr erklärt: „Um eine hohe Qualität sicherzustellen, entschieden wir uns für die Vergabe an nur einen Automatisierungslieferanten, um möglichst wenige Schnittstellen zu haben und eine hohe Qualität und Funktionalität im Projekt sicherzustellen.“ Von Anfang an arbeiteten Experten aus beiden Regionen im gemeinsamen Projektteam. Das BASF-Twin-Plant-Team verspricht sich darüber hinaus Vorteile im späteren Betrieb, zum Beispiel bei Produktionsoptimierungen. Denn Verbesserungen und Erfahrungen aus einer Anlage lassen sich leicht auf die andere übertragen.

Siemens hatte bereits an anderen BASF-Lifecycle-Projekten in China und Brasilien mitgewirkt. Aufgrund positiver Erfahrungen arbeiten die entsprechenden Teams weiterhin über Kontinente hinweg zusammen. Für das Twin-Projekt lag es deshalb nahe, beide Projekte in China und in Brasilien mit einem internationalen Team zu realisieren. Die erste Phase des Projekts startete in China, wo zunächst das Design für beide Anlagen entwickelt wurde.

Der Standort Nanjing ist einer der bedeutendsten Chemiestandorte Chinas und wird seit 2001 kontinuierlich erweitert und ausgebaut. Herzstück des Standorts ist ein Steamcracker mit einer Kapazität von 740.000 Tonnen Ethylen pro Jahr. Nach dem für die BASF typischen Verbundprinzip verarbeiten zahlreiche Anlagen dieses Ethylen zu Fein- und Spezialchemikalien weiter, darunter auch die Anlage für die Superabsorber-Polymere.

Brasilianer unterstützen Chinesen – 
und umgekehrt

Von Beginn der Projektarbeiten an wurde das chinesische Team von Mitarbeitern aus Brasilien unterstützt und begleitet, um ein gemeinsames Projektverständnis und Know-how aufzubauen. Diese internationale Zusammenarbeit wurde dann in den weiteren Projektabschnitten noch verstärkt. Mit Beginn der Arbeiten in Brasilien wechselten dann Mitarbeiter aus dem Team in China sukzessive nach Brasilien. So konnte man die Erfahrungen aus Nanjing nicht nur in Form von Typicals und Dokumenten, sondern als echte Manpower an beiden Standorten nutzen. Siemens stellte von Anfang an sicher, dass das Projekt an beiden Standorten von Mitarbeitern begleitet wurde, die beide Anlagen kennen.

Im Rahmen des MAV-Konzepts übernahm Siemens die gesamte Verantwortung für die Automatisierungslösung inklusive der technischen Schnittstellenkoordination zu weiteren Projektpartnern. Das Team entwickelte und projektierte die Systeme für die Prozesssteuerung (DCS) auf Basis von Simatic PCS 7, das Prozesssicherheitssystem (SIS) und die Feuer- und Brandschutzsysteme. Darüber hinaus implementierte es auch die Schnittstelle zum zentralen Produktionsinformationssystem und unterstützte bei der Inbetriebnahme vor Ort. Außerdem werden beide Anlagen im Rahmen eines Lifecycle-Service-Vertrags auch in Zukunft betreut.

Um das Projekt effizient und simultan auszuführen, nutzte Siemens für die Projektierung spezielle Automatisierungstypicals. Dabei wurden wiederkehrende automatisierungstechnische Aufgabenstellungen identifiziert und als Vorlagen für die einzelnen Messstellen verwendet. In diesen Software-Typicals wurde das sogenannte BASF-Toolkit eingesetzt. Diese Bibliothek dient dazu, die Anforderungen der BASF-Werksnorm zu erfüllen. Sie wird in jedem PCS-7-Projekt bei der BASF weltweit eingesetzt.

Darüber hinaus beinhaltet der BASF-Standard auch anwenderspezifische Lösungen, wie zum Beispiel die standardisierte Kopplung zu SIS-Systemen oder die Einbindung des Leitsystems in das Plant-IT-Security-Konzept der BASF. Zusätzlich wurde auch auf das Know-how bereits realisierter Anlagen dieses Typs zurückgegriffen, sodass anlagenspezifische Lösungen aus Ludwigshafen und Antwerpen verwendet wurden. Im April 2014, nach nur 19 Monaten Projektlaufzeit, nahmen BASF und Sinopec die neue Anlage in Nanjing in Betrieb.

Die BASF profitierte von den Synergien des Clonings. Zusätzlich zu den Einsparungen beim Engineering, bei der Qualitätskontrolle und bei späteren Produktionsoptimierungen ist insbesondere der Know-how-Transfer durch internationale Teamarbeit hervorzuheben. Bereits im Vorfeld waren auf dem Papier die Voraussetzungen geschaffen worden, damit das interkulturelle und interkontinentale Großprojekt effizient ablaufen konnte.

Doch neben den technischen Rahmenbedingungen waren noch weitere entscheidende Faktoren zu berücksichtigen, wie Rychtr bestätigt: „Wir mussten unter einem engen Terminplan etwas ganz Neues versuchen – Prozesse, Abläufe, Verantwortlichkeiten neu definieren. Das funktioniert nur mit einem wirklich guten Team, das die Bereitschaft mitbringt, sich auf neue Ansätze und andere Kulturen einzulassen."

Bei einem Projekt, das in China und Brasilien ausgeführt wird, muss man auch ganz triviale Dinge wie elf Stunden Zeitverschiebung einkalkulieren. Das erschwert eine direkte Kommunikation der Teams. Wie immer entscheiden die Mitarbeiter, ihre Qualifikation und Motivation, über den Erfolg oder Misserfolg. „Hier haben alle Projektbeteiligten einen tollen Job gemacht“, lobt Rychtr.

Bildergalerie

  • Die BASF-YPC Company in Najing ist ein Joint Venture zwischen der BASF und Sinopec, das hochqualitative Chemikalien und Kunststoffe sowie Spezialchemikalien für den chinesischen Markt produziert.

    Die BASF-YPC Company in Najing ist ein Joint Venture zwischen der BASF und Sinopec, das hochqualitative Chemikalien und Kunststoffe sowie Spezialchemikalien für den chinesischen Markt produziert.

    Bild: BASF

  • Arno Rychtr, Projektleiter bei der BASF: "Cloning eröffnet uns Synergien - auch noch nach der Engineering-Phase."

    Arno Rychtr, Projektleiter bei der BASF: "Cloning eröffnet uns Synergien - auch noch nach der Engineering-Phase."

    Bild: Siemens

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