Anlagenbau & Betrieb Produktion neu gemischt

Bild: Gebr. Lödige, Maxiphoto
06.11.2015

Ein ERP-Standard bildet heute meist den größten Teil der Prozesse eines Unternehmens ab. Aber manchmal bleiben Wünsche offen. Da helfen dann spezifische Zusatzmodule, mit denen Unternehmen heute verlässliche Terminaussagen treffen und entspannter Planen und Wirtschaften können.

Mischen, Granulieren, Emulgieren, Coaten, Trocknen und Reagieren – sämtliche Anwendungen im Bereich des industriellen Mischens und verwandter Verfahrenstechnologien sind die Kernkompetenzen der Gebrüder Lödige Maschinenbau in Paderborn. Dabei geht es vor allem um die Behandlung von Schüttgütern, Granulaten, Pulvern, Pasten, Emulsionen, Stäuben und Schlämmen. Die internationale Kundschaft kommt aus allen Industriebranchen wie Chemie, Pharma und Kosmetik, Metallurgie, Mineralien und Baustoffe, Lebens- und Futtermittel, Umwelt sowie weiteren Bereichen. In einem eigenen Technikum entwickelt man – auch im Kundenauftrag – neue Verfahren für die unterschiedlichsten Anwendungen. „Wir sind zwar ein Maschinenbauunternehmen, aber wir verkaufen unseren Kunden auch das adäquate Verfahren“, so Fertigungsleiter Michael Grimme.

Nachdem von Lödige 1949 der sogenannte Pflugscharmischer erfunden und weiterentwickelt wurde, gingen bis heute von Paderborn aus über 30.000 Mischer-Systeme in alle Welt. Lödiges 290 Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von 45 Mio. Euro. Das Unternehmen ist weltweit durch Vertriebstöchter, Lizenznehmer und Vertretungen vor Ort repräsentiert. „Je nachdem, wie sich die Märkte in den einzelnen Ländern entwickeln, versuchen wir, vor Ort präsent zu sein“, erklärt Grimme. In Indien besteht ein Joint Venture, das nur für den indischen Markt produziert. Für den Rest der Welt produziert Lödige ausschließlich in Paderborn.

Adaptive Fertigungssteuerung

Im Jahr 2000 löste bei Lödige der ERP-Standard PSIpenta des Berliner Produktionsspezialisten Psipenta Software Systems ein Siemens-System ab. Zunächst wurden aber noch für jeden Auftrag Begleitkarten und später auch Lohnscheine ausgedruckt, auf denen die Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten in Stunden und Minuten eintrugen. Das musste der Meister gegenzeichnen und der Fertigungsleiter noch einmal prüfen. „Dann ging jeden Tag ein Packen Zettel in die Arbeitsvorbereitung (AV), wo jemand die Daten in PSIpenta eingeben musste“, erinnert sich Grimme. Wenn alles gut lief, dauerte es dann meist drei Tage, bis die Rückmeldung eines Arbeitsgangs im ERP-System zu sehen war.

Da ging auch schon mal ein Zettel verloren und die Informationen über den Auftrag blieben unvollständig. Also versuchte man ab 2005 erst einmal, diese Situation mit einem selbst programmierten BDE-System zu beheben. „Aber wir wollten viel mehr und vor allem bessere Informationen. Zudem war die Rückstandsauflösung ein großes Problem für uns“, meint Grimme zur damaligen Situation. Mit einem Team aus Fertigung, AV und Einkauf informierte er sich über die verschiedenen Möglichkeiten – unter anderem beim Thüringer Psipenta-Partner Berghof-Systeme aus Königsee. Daraufhin führte Lödige 2007 schließlich PSIpenta adaptive mit den Modulen Selbstregulierender Mechanismus und später Dynamischer Produktionsabgleich ein.

Zuerst die Rückstände auflösen

Vorrangig begann man mit der Rückstandsauflösung im Rahmen eines Probebetriebs, der aber rasch in den Echtbetrieb überging. „Dafür mussten wir sorgfältig unsere Strukturen – Stücklistenstrukturen und Arbeitspläne – so in Ordnung bringen, dass sie dem tatsächlichen Auftragsdurchlauf entsprachen. Erst dann stimmt auch der Bedarfstermin, der im Einkauf aufläuft“, beschreibt Frank Lange, IT-Verantwortlicher für die Systemintegration, die ersten Schritte. Nun läuft die Rückstandsauflösung jede Nacht über alle Auftragsnetze, die im ERP-System angelegt sind. Dabei berücksichtigt PSIpenta adaptive alles, was tagsüber abgemeldet und was nicht pünktlich geschafft wurde sowie die offenen Arbeitsgänge. Anschließend berechnet das System die terminlichen Auswirkungen dieser Auftragssituationen und erstellt am Morgen eine tagesaktuelle Prioritätenliste bezüglich der Kapazitäten und Ressourcen für die verschiedenen Arbeitsplätze, die sogenannten Belegungseinheiten.

„Für uns als Einzelfertiger sind Rüstzeiten nicht das Entscheidende, deswegen verlassen wir uns auf die Prioritätenliste“, erläutert der Fertigungsleiter. Erkennt ein Mitarbeiter, dass Aufträge mit gleicher Priorität auf einer Belegungseinheit nicht zum vorgesehenen Termin zu schaffen sind, kann die AV auf eine andere Maschine ausweichen oder den Arbeitsgang nach auswärts vergeben. Durch die Auswärtsvergabe entsteht sofort ein Bestellvorschlag im Einkauf, der einen Lieferschein generiert. Kommt es zurück, wird das Werkstück eingebucht und der Arbeitsgang damit automatisch als erledigt gemeldet.

In der folgenden Nacht überprüft PSIpenta adaptive wieder die Übereinstimmung mit den Terminplänen. „Die Termine in unserem System sind mittlerweile so verlässlich, dass wir sie auch nutzen, um während eines laufenden Auftrags Fertigstellungs- oder Auslieferungstermine festzulegen oder zu bestätigen“, betont Lange.

Kapazitäten optimal verplanen

Neben dem Modul zur Rückstandsauflösung kommt inzwischen auch der Dynamische Produktionsabgleich zum Einsatz. Das Modul gibt über SRM-Chart an, bei welcher möglichen Planungsvariante die betriebliche Auslastung am günstigsten ist und welche terminlichen Einflüsse sie hat. „Als Einzelfertiger will ich nur Pläne sehen, die dafür sorgen, dass ich meinen Endtermin halte. Das ist unser oberstes Gebot“, meint Grimm und stellt eine Frage: „Aber muss ich deshalb meine Maschine immer mit 300 oder 400 Prozent Last fahren? Wahrscheinlich nicht.“ Die Software zeigt unter anderem auf, was Termin- oder Kapazitätsprobleme an anderen Belegungseinheiten bewirken und was passiert, wenn ich diese Probleme löse. Die Kapazitäten lassen sich damit so verplanen, wie sie tatsächlich zur Verfügung stehen – und das mit einem Vorlauf von mehreren Wochen.

Das System ermöglicht zudem bestimmte Betriebskennlinien für die einzelnen Arbeitsplätze, die sogenannten Belegungseinheiten. „Haben wir eine Belegungseinheit an einer Stelle heute mit einem Mann pro Tag besetzt, empfiehlt mir das Modul am Ende vielleicht, die Maschine dauerhaft mit drei Leuten zu besetzen“, verdeutlicht Grimme. Eine solche Belegungseinheit ist die Mischtrommelfertigung, die zurzeit mit sieben Mitarbeitern verplant ist. „Die Trommelfertigung ist für uns eine typische Kernkompetenz, die ich keinesfalls nach auswärts vergeben möchte“, weiß Grimme, ist sich aber zugleich bewusst, dass dieser Arbeitsplatz übers Jahr gesehen immer wieder ein Engpass ist. Gleichzeitig ist die Trommel aber auch in der Vorausplanung das den Endtermin bestimmende Bauteil. Die Betriebskennlinie kann nun aufzeigen, dass eine Investition in zwei zusätzliche Mitarbeiter oder zusätzliche Qualifikationen beim vorhandenen Personal diese Engpass-Situation beseitigen.

Adaptive Steuerung für höhere Wertschöpfung

„Im Moment versuchen wir, mit einem größeren Planungshorizont fundierte Entscheidungen etwa zur Eigenfertigung, Auswärtsvergabe oder Personalaufstockung zu treffen“, fasst Lange zusammen. Dazu stellt PSIpenta adaptive neben einer Kapazitätsvorschau auch verschiedene Planvarianten dar, die die günstigste Auslastung zur weiteren Steigerung der Liefertermintreue vorgeben. Außerdem wird zurzeit ein sogenannter Typvertreter zur Lieferterminermittlung in der Anfragephase installiert. Dabei gibt man bei einer Kundenanfrage eine ähnliche Maschine ins ERP-System ein, das dann den voraussichtlichen Liefertermin unter Berücksichtigung der vorhandenen Kapazitäten berechnet.

Die deutlich exakteren Termine sind nach der Einführung von PSIpenta adaptive der auffälligste Fortschritt. „Unser Tagesgeschäft hat sich spürbar entspannt. Egal ob Fertigungs-, Fertigstellungs- oder Bedarfstermine, wir erhalten jetzt realistische Termine, auf die wir uns verlassen können“, so Grimme. Es gibt nun klare Vorgaben für die Fertigung bezüglich der Reihenfolgeplanung und bezüglich der Aufträge, die sich im Verzug befinden. Eine exakte tagesaktuelle Aussage über den Fertigstellungstermin eines Auftrags und der wesentlich fundiertere Planungshorizont ermöglichen deutlich verbesserte Entscheidungsgrundlagen für Kapazitätsbedarfe und Make-or-buy-Entscheidungen. Zudem sind die Lagerbestände drastisch gesunken, da immer zum Bedarfstermin bestellt werden kann. Da kann der Fertigungsleiter zufrieden zusammenfassen: „Wir konnten mit PSIpenta und den Adaptive-Modulen kontinuierlich unsere Wertschöpfung steigern. Es ist wie bei unseren Produkten: Die Mischung macht’s. Die richtige Software und die richtigen IT-Partner bringen den Erfolg.“

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  • Ein gutes ERP-System vereinfacht die Planung der Produktion auch bei komplexeren Produktionsprozessen.

    Ein gutes ERP-System vereinfacht die Planung der Produktion auch bei komplexeren Produktionsprozessen.

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