Branchenreport Molkerei Pluralismus im Kühlregal

Bild: Zott
06.02.2015

Bodenständige Brotaufstriche, fruchtige Buttermilch oder Nachtische zum Selber-Mixen – die Produktpalette bei weißen Molkereiprodukten präsentiert sich ausdifferenziert. Doch lassen sich bei so viel Vielfalt noch eindeutige Trends ausmachen oder ist der Markt bereits gesättigt?

Die Milch macht’s. – Den Werbeslogan kennen viele noch aus ihrer Kindheit, und die generell gesundheitsfördernde Wirkung wird der Milch wohl auch niemand absprechen. Beim ökonomischen Potenzial der weißen Flüssigkeit lohnt es sich allerdings, genauer hinzuschauen. Denn laut dem Haushaltspanel der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) war der mengenmäßige Absatz der weißen Molkereiprodukte wie Joghurt, Quark, Milch oder Desserts im Jahr 2013 rückläufig.

8,4 Prozent weniger Milch, Joghurts, Desserts und Brotaufstriche wurden im Vergleich zum Jahr 2008 abgesetzt. Damit sind Molkereiprodukte Teil eines Lebensmittel-Großtrends, nach dem in der überwiegenden Zahl der Warengruppen der Mengenkonsum rückläufig ist. Trotzdem konnten weiße Molkereiprodukte im ersten Halbjahr 2014 einen Umsatzzuwachs von 6,5 Prozent verbuchen. Der vermeintliche Widerspruch erklärt sich aus einem Anstieg im Warenpreis, von dem viele Molkereiprodukte profitieren – darunter Milch und Milchgetränke, Joghurt, Butter oder Fertigdesserts.

Möglich macht diese Entwicklung die zunehmende Qualitätsorientierung der Verbraucher. Achteten 2005 noch 56 Prozent der befragten Verbraucher beim Einkaufen vor allem auf den Preis, so war acht Jahre später bereits 49 Prozent in erster Linie die Qualität der Ware wichtig. Und Qualität wird zunehmend über moralisch-ethische Kriterien definiert. Die wachsende Zielgruppe der sogenannten LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) bevorzugt regionale, ökologisch produzierte und/oder fair gehandelte Produkte, für die sie auch gerne bereit ist, etwas mehr auszugeben.

Milch als Moralfrage

Bei der Molkerei Andechser hat man sich der Natürlichkeit verschrieben, produziert ohne künstliche Zusatzstoffe oder gentechnisch veränderte Substanzen. „Der Verbraucher ist zunehmend aufgeklärter“, hat Stefanie Miller vom Marketing beobachtet. „Er erwartet mehr Hintergrundwissen – gerade hinsichtlich der enthaltenen Zutaten, der Herkunft etc.“ Aufgeschlossen seien Konsumenten so auch für Ziegenmilchspezialitäten – laut Miller ein Trend, der in den letzten Jahren verstärkt aufgekommen sei. Entsprechend erweiterte Andechser in diesem Februar seine Ziegenmilch-Produktpalette aus unter anderem Butter und Camembert um Joghurt. Beim Lebensmittelkonzern Danone lässt man sich – ähnlich wie die LOHAS – vom Reigen der Jahreszeiten inspirieren. „Wichtig und sehr beliebt sind im Molkereiprodukte-Regal unsere wechselnden Saisonsorten, die im vierten Quartal die Wintergeschmäcker ansprechen“, sagt Dr. Susanne Knittel von Danone. Etablierte Produktreihen wie Activia oder Danys Sahne warteten 2014/15 mit Sorten wie Feige und Birne, Marzipan und Zimtstern auf. Die Fruchtzwerge feierten gar eine Wintersause mit Mandarine-, Apfel- und Waldfruchtnoten.

Oft wollen Verbraucher mit dem bewussten Konsum auch etwas für ihre Gesundheit tun. Laut GfK ConsumerScan hat die Zahl der Gesundheitspositionierten in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. „Der Trend nach Functional Food, also Produkten mit Zusatznutzen, die nicht unter den Health-Claim-Bereich fallen, ist unschlagbar“, bestätigt auch Stefan Kraus vom Neutraublinger Abfüllanlagenhersteller Krones. Kefir oder Trinkjoghurts zum Beispiel mit Aloe-Vera- oder großen Fruchtstücken sind charakteristisch für Wellnessprodukte, die keine konkreten Wirkungsversprechen geben.

Technik für Fruchtstücke

Bei Krones hält man ein Zweistromkonzept mit entsprechender Abfülltechnik für diesen Trend bereit. „Wir trennen den Partikel- von dem Saft- oder Milchprozess“, erklärt Kraus. „So kann man die Partikel viel schonender behandeln, als wenn man beide Phasen zusammen in einem Prozess verarbeiten würde.“ Erst im Füllventil kommen die Flüssig- und die Partikelphase zusammen. Sehr große Partikel mit Kantenlängen von bis zu 8×8×8 mm können so unter aseptischen Bedingungen mit dem Füllventil VFJ-D behandelt werden, ohne dass die teuren Grundstoffe beschädigt werden. Bei der Heißabfüllung können sogar Partikel mit einer Kantenlänge von bis zu 10×10×10mm abgefüllt werden – hierfür wird die Partikelphase vor der eigentlichen Abfüllung schonend mittels Membranventiltechnik in die Flasche dosiert.

Auch der Dortmunder Abfüllanlagenhersteller KHS hat sein Aseptikangebot für Milchgetränke erweitert: Die Innosept Asbofill ASR ist eine aseptische Rundläuferanlage, die auf Komponenten und Verfahren der linearen ABF-Baureihe zurückgreift. Identisch sind zum Beispiel das verwendete Aerosol- und Heiz-System sowie das Sterilisationsprinzip.

Mit einem Zwei-Kammer-System arbeitet auch die ,Genuss-Molkerei' Zott in Mertingen. Das cremige Dessert Monte mit Cappuccino-Balls oder Butterkeksen bringt dem Konsumenten eher keinen gesundheitlichen Zusatznutzen. Egal: „Es ist ein genereller Trend zu mehr Bodenständigkeit und Heimat zu beobachten“, erklärt Jürgen Pfeifle von Zott. „Entsprechend legen die Menschen heute gesteigerten Wert darauf, zu genießen und sich bewusst etwas Gutes zu tun.“ Zott hat so seine Sahnejoghurt-Range um acht Mascarpone-Sorten erweitert und lässt Verbraucher in Sahne-Joghurts à la Praliné schwelgen.

Verwöhnen als Prinzip

Dass Verwöhnprodukte und funktionale Molkereierzeugnisse gleichermaßen gefragt sind, muss kein Widerspruch sein. Es ist vielmehr bezeichnend für den „Wertepluralismus“, den der GfK ConsumerScan für den gesamten Lebensmittelmarkt ausgemacht hat. Überproportional wächst demnach auch der Convenience-Bereich, bei dem vor allem die Out-of-Home-Eignung von Lebensmitteln ausschlaggebend ist. Auch bei Zott sieht man darin einen „fortwährenden Trend“ – und bietet seit einigen Monaten Käsepausensnacks und den Milchriegel Monte Snack an.

Zwischen den großen Entwicklungen bewegt sich das Phänomen Selber mischen: „Immer mehr Verbraucher möchten inzwischen selbst entscheiden, wie viel Müsli oder Marmelade sie in ihren Joghurt hineingeben“, sagt Susanne Knittel von Danone. „Und ob sie ihren Joghurt ,gerührt‘ oder ,gestochen‘ essen möchten – ob also das Müsli untergerührt oder auf den Joghurt geschichtet wird.“ Danone bedient die Nachfrage zum Beispiel mit funktionalen Activia Crunchy Joghurts.

Verkaufsunterstützer Süßwarenmarke

Im Dessertbereich werden unter den Labeln Mars, Twix, Bounty und Balisto schokoladige oder karamellige Kugeln mit Dessertsoße und dem Molkereiprodukt gemischt. Eine Kooperation, die Danone – wie das auffällige Co-Branding der Verpackungen verrät – mit dem Süßwarenkonzern Mars eingegangen ist. „Wenn sich zwei starke und beliebte Marken mit ausgeprägter Kompetenz für Genussprodukte zusammentun, können beide davon profitieren“, gibt sich Knittel überzeugt.

Bewusster Konsum, funktionale Joghurts, Verwöhnen oder Selbermischen: Welche Favoriten der Verbraucher im großen Wertepluralismus entwickelt, bleibt abzuwarten.

Bildergalerie

  • Bild: KHS

  • Bild: Zott

  • Bild: Danone

  • Bild: Andechser

  • Bild: Krones

  • Bild: Milchindustrie-Verband

  • Bild: Eva-Katalin

  • Bild: sergeyryzhov

  • Stefan Kraus, Krones: "Trennt man den Partikel- vom Milchprozess, kann man die Partikel schonender handhaben."

    Stefan Kraus, Krones: "Trennt man den Partikel- vom Milchprozess, kann man die Partikel schonender handhaben."

    Bild: Krones

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