Fachbeitrag ÜbertragungsnetzausbauLeitungen und Erdkabel sinnvoll kombinieren


Erdkabel: Die Kosten einer Übertragungsleitung steigen nur moderat, wenn die Erdkabel-Abschnitte maximal 20 km lang sind.

01.02.2012

Aus Kostengründen wird der 380-kV-Netzausbau in der Fläche Freileitungen erfordern. Teilverkabelung stellt aber in sensiblen Regionen eine verlässliche und bereits verfügbare Alternative dar. Bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung zeigt sich sogar, dass dieser Lösungsansatz kostenneutral ist.

Die Frage des Netzausbaus ist in Brüssel und den Hauptstädten der EU-Mitgliedstaaten zum Schlüsselthema der energiepolitischen Debatte geworden. Doch der Ausbau der europäischen Energieinfrastruktur stockt und gefährdet damit den erfolgreichen Anschluss erneuerbarer Energiequellen sowie die Schaffung eines einheitlichen europäischen Strommarktes. Gründe dafür sind langwierige Planungsverfahren, Akzeptanzprobleme, Finanzierungsengpässe und schließlich divergierende Meinungen zu verfügbaren Technologien, die zunehmend auch in der breiten medialen Öffentlichkeit diskutiert werden.

Europacable, der Verband der europäischen Kabel- und Leitungshersteller, ist überzeugt, dass das Konzept der Teilverkabelung von 380-kV-Übertragungsleitungen maßgeblich zu einer Beschleunigung des Netzausbaus beitragen kann, da eine höhere Akzeptanz, technische Verfügbarkeit und eine zügigere Projektumsetzung die Installationsmehrkosten ausgleichen werden. Was fehlt sind klare politische Rahmenbedingungen, die regeln, wann und wo Erdkabel als Ergänzung zu Freileitungen in sensiblen Bereichen zum Einsatz kommen sollen.

Das Teilverkabelungskonzept - ein Lösungsansatz

Der erforderliche Ausbau der 380-kV-Übertragungsnetze in der Bundesrepublik und in Europa wird in der Fläche mit der bewährten Freileitungstechnologie erfolgen, die eine sichere und kostengünstige Energieversorgung gewährleistet.

Nicht als Alternative, sondern als Ergänzung in sensiblen Abschnitten bietet das von Europacable entwickelte Konzept der Teilverkabelung einen Lösungsansatz, um den Netzausbau in diesen Bereichen zügiger voran zu bringen. Es sieht vor, 380-kV-VPE-Erdkabel, also Kabel mit Isolierung aus vernetztem Polyethylen, in Abschnitten von bis zu 20 km als Ergänzung zu Freileitungen einzusetzen. Bis zu dieser Distanz sind keine Kompensationseinrichtungen erforderlich. Somit können Übertragungsleitungen auch durch sensible Landschaftsabschnitte führen. Die Teilverkabelung ermöglicht es, den Leitungsverlauf örtlichen Begebenheiten anzupassen und hierfür gegebenenfalls bestehende Infrastruktureinrichtungen zu nutzen.

Die Technik ist verfügbar

Immer wieder werden Zweifel angeführt, ob 380-kV-VPE-Erdkabel-Systeme in Teilverkabelungsabschnitten eine verlässliche Energieübertragung gewährleisten können. Diese Technologie kommt bereits seit 20 Jahren zum Einsatz, womit ihre Einsatzfähigkeit außer Frage steht.

In der gemeinsamen Studie Machbarkeit und technische Aspekte der Teilverkabelung von Höchstspannungsleitungen bestätigen Entso-E, das European Network of Transmission System Operators for Electricity, und Europacable unter der Federführung der Europäischen Kommission, dass die Technologie „auf der Grundlage der internationalen Norm IEC 62067 gute Leistungen erzielt und für Übertragungsprojekte verfügbar ist.“ [1, S. 5]. Im Detail erörtert die Studie technische Fakten der Teilverkabelung, die Integration von Teilverkablungen in Übertragungsnetze sowie Zuverlässigkeit, Umwelt- und Kostenaspekte.

Kosten von Teilverkabelungen

Wie in der Studie von Entso-E und Europacable ausgeführt, kann der Kostenfaktor für Investitionskosten von Teilverkabelungsabschnitten im Vergleich zu Freileitungen zwischen 5 und 10 schwanken. Es ist indes zu betonen, dass dieser Kostenfaktor ausschließlich für den erdverlegten Teil der Leitung gilt. Die Gesamtkosten für ein Übertragungsprojekt steigen durch Teilverkabelung nur um einen wesentlich geringeren Faktor. Wenn bei einer gesamten Trassenlänge von 100 km zum Beispiel 90km als Freileitung und ein Abschnitt von 10km in Teilverkabelung errichtet werden, so ergibt sich selbst bei zehnfachen Mehrkosten für den Erdkabelabschnitt lediglich eine Kostensteigerung von 1,9 für das Gesamtprojekt.

Wenn eine ergänzende Teilverkabelung in sensiblen Bereichen darüber hinaus bewirkt, dass sich der Planungszeitraum verkürzt, relativieren sich diese Mehrkosten. Dies wird erstmals in der jüngst im Auftrag des Bundesumweltministeriums publizierten Studie [2] betrachtet. Hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Kosten kommt die Studie zu dem Schluss, „dass bei einer unterstellten einjährigen Beschleunigung des Netzausbaus durch Teilverkabelung die betrachteten Kosten denen des reinen Ausbaus mit Freileitungen gleichzusetzen sind. Dabei sind die durch den einjährigen Engpass zu erwartenden Mehrkosten entscheidend.“ [2, S. 3].

Mit dieser gesamtheitlichen Betrachtung wird angesichts des zunehmenden Handlungsdrucks, den Netzausbau rasch voranzubringen, das Konzept der Teilverkabelung auch aus Kostenperspektive zu einem nachhaltigen Lösungsansatz.

Erste Teilverkabelungsprojekte

In Europa haben Netzbetreiber unterschiedliche Initiativen ergriffen, um mittels Teilverkabelungen den Übertragungsnetzausbau voranzubringen:

Tennet (Niederlande) hat für den Ausbau des Randstadt-Rings eine Obergrenze von insgesamt 20km für die Teilverkabelungsabschnitte beschlossen und setzt dies um. Die britische National Grid hat im September 2011 ihren neuen Ansatz zur Erdverkabelung dargelegt, wonach sie fortan ohne jegliche Präferenz für Freileitungs- oder Erdkabeltechnologie an zukünftige Projekte herantreten wird [3]. Swissgrid, die Schweizer Nationale Netzgesellschaft, wird Teilverkabelungen für zukünftige Netzprojekte mit einem transparenten Bewertungsschema prüfen und diese bereits in der Planungsphase in Überlegungen mit einbeziehen [4]. In Deutschland werden 380-kV-VPE-Erdkabel in drei der vier EnLAG-Projekte (Energieleitungsausbaugesetz) zur Anwendung kommen. Der dänische Netzbetreiber Energinet setzt das Konzept „Beautifying the 400 kV Grid“ mit weitgehender Erdverkabelung um.

Der Trend hin zur ergänzenden Integration von Teilverkabelungsabschnitten in Europas zukünftiges Übertragungsnetzwerk ist somit gesetzt. Was jedoch fehlt sind klare politische Rahmenbedingungen, wann und wo Teilverkabelungslösungen zum Einsatz kommen sollen - und wann nicht.

Schaffung klarer politischer Rahmenbedingungen

Mit dem EnLAG [5] hat die Bundesrepublik erstmals in Europa den Versuch unternommen, belastbare Rahmenbedingungen zu definieren, wann Teilverkabelungslösungen in Planfeststellungsverfahren zu berücksichtigen sind. Es hat sich gezeigt, dass dieser erste Entwurf noch stringenter zu formulieren sein wird, um die erforderliche Planungssicherheit zu gewährleisten. So bleibt ein möglicher Einsatz von Teilverkabelungen von Unklarheiten geprägt:

Betroffene Anrainer und Netzbetreiber wissen nicht eindeutig, ob und wenn ja wo Erdkabel in Übertragungsprojekte integriert werden können; Die Planfeststellungsverfahren sehen keine eindeutige Prüfung von Teilverkabelungslösungen von Anfang der Verfahren vor; Die Kosten sind reduziert auf die Installationskosten und nehmen Gesamtkosten - inklusive möglicher Beschleuningungseffekte - nicht mit in die Betrachtungen auf.

Diese Defizite sind durch die Schaffung klarer politischer Rahmenbedingungen kurzfristig zu beheben: Aus Sicht von Europacable muss umgehend ein belastbarer politischer Referenzrahmen geschaffen werden, der das Konzept einer möglichen Teilverkabelung von Anfang an in Planungsprozesse einbezieht und Gesamtkosten des Projektes reflektiert. Nur so kann der erforderliche Netzausbau in der Fläche konfliktfreier durch die bewährte Freileitungstechnologie erfolgen, die dann in sensiblen Bereichen durch Erdkabel ergänzt wird.

Das im Sommer 2011 verabschiedete NABEG (Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz) enthält hierzu keinerlei Ansatzpunkte. Blackoutszenarien des Winters werden den erforderlichen Netzausbau nochmals untermauern - und auch deutlich machen, dass Verzögerungen im Netzausbau in die Kostenkalkulationen von Teilverkabelungsabschnitten einzubeziehen sind.

Europa braucht einen kurzfristigen, signifikanten Netzausbau. In der Fläche wird dieser über die Freileitungstechnologie erfolgen. In sensiblen Bereichen ermöglicht das innovative Konzept der Teilverkabelung eine konfliktfreiere, schnellere Umsetzung. Hierfür sind verbindliche Rahmenbedingungen erforderlich, damit die Technologie, die von europäischen Weltmarktführern angeboten wird, in der Praxis zur Anwendung kommen kann.

Weitere Informationen

[1] Entso-E, Europacable: Machbarkeit und technische Aspekte der Teilverkabelung von Höchststpannungsleitungen, Brüssel, 2011 [ 2] Uwe Leprich: Ausbau elektrischer Netze mit Kabel oder Freileitung unter besonderer Berücksichtigung der Einspeisung erneuerbarer Energien. BMU 2011. www.erneuerbare-energien.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/studie_netzausbau_bf.pdf[3] National Grid: Our approach to the design and routing of new electricity transmission lines, 2011 [4] Swissgrid: Erdverkabelungen im Übertragungsnetz, 2011 [5] EnLAG: Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen, 2009

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