Fachbeitrag Praxisorientiertes Energiemanagement

11.12.2012

Die Energieeffizienz zu steigern, ist ein Muss - ein alter Hut aber keineswegs. Denn auch wenn die Notwendigkeit längst erkannt wurde, hinkt die Umsetzung in den Unternehmen dieser Erkenntnis weit hinterher. Mit einem systematischen, praxisorientierten Vorgehen wird sie plan- und überschaubar.

Eine energieschonende Produktion steht in der Prioritätenliste deutscher Unternehmen auf dem zweiten Platz knapp hinter einer steigenden Wirtschaftlichkeit. Doch lediglich 14Prozent haben bereits operative Maßnahmen realisiert oder in Angriff genommen. Das besagt eine aktuelle Studie des Software- und Beratungsunternehmens Felten Group unter rund 260 deutschen Unternehmen. Diese Zahlen decken sich mit den Erfahrungen aus dem Beratungsalltag: Oftmals mangelt es an einer strukturierten Vorgehensweise beim Aufbau eines innerbetrieblichen Energiemanagements. Hinzu kommt die fehlende Übersicht über den Status Quo. Dadurch sind Verantwortliche häufig unsicher, wo und wie sie anfangen sollen und was sie dafür benötigen. Auch wenn es hierfür kein Patentrezept gibt, weil dies von der individuellen Ausgangssituation und den Gegebenheiten abhängt, gibt es doch Orientierungshilfen. So zum Beispiel den Energieeffizienz-Kompass. Er bietet Unternehmen eine Grundlage, mit der sie ihre unterschiedlichen Bereiche und deren Aufgaben in Bezug auf Energie und Energieeffizienz einordnen und strukturieren können.

Kompass weist Weg zur Energieeffizienz

Der Energieeffizienz-Kompass umfasst alle Bereiche und Prozesse eines Unternehmens, die für das Energiemanagement in jedem großen und mittelständischen produzierenden Unternehmen relevant sind. Er verbindet die organisatorischen Belange des Energiemanagements mit den technischen Elementen zu einem durchgängigen Gesamtkonzept. Der Kompass liefert so einen Ausgangspunkt, um das innerbetriebliche Energiemanagement zu strukturieren. Dabei werden vier Dimensionen betrachtet:

Verwendung: gesamter Energieeinsatz in der Produktion und der Infrastruktur Einkauf: Berücksichtigung des Faktors Energie beim Bezug aller primären und sekundären Produktionsmittel sowie Energiekosten in der Nutzungsphase von Anlagen und Maschinen Erzeugung: Eigenproduktion von Energie, zum Beispiel mit einer Solaranlage oder einem (Block-)Heizkraftwerk Recht & Finanzen: Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen, zum Beispiel rechtliche Vorschriften, das Controlling oder Zertifizierungen

Jede Dimension beinhaltet fünf Ebenen: die Ablauforganisation, die Aufbauorganisation, Messtechnik, Kennzahlen und Lieferanten. Diese Matrix lässt bereits erkennen, dass Energiemanagement nahezu alle Unternehmensbereiche betrifft. Um dieser Komplexität Herr zu werden, ist es empfehlenswert, sich anfangs auf ein Aktionsfeld zu konzentrieren. Welches hier am sinnvollsten ist, hängt von den individuellen Zielen und dem aktuellen Status des Unternehmens ab: Hat es mit der Einführung von Energiemanagement bereits begonnen und vielleicht schon konkrete Maßnahmen durchgeführt, ist der Bereich mit dem größten Bedarf am sinnvollsten. Meist ist dies der Bereich der Verwendung. Für Firmen, die bislang kein Energiemanagement betrieben haben, bietet sich der Bereich an, der das größte Potenzial verspricht. Da dies am häufigsten die Verwendung im Produktionsprozess ist, wird dieser auch hier unter den oben aufgeführten Ebenen beispielhaft betrachtet.

Die Ebene der Ablauforganisation umfasst alle Unternehmensprozesse. Diese sind in der Regel auf Stückzahl oder Qualität optimiert aufgebaut, der Energieeinsatz spielte bei der Prozessdefinition meist keine Rolle. Um die Energieeffizienz zu steigern, müssen sie deshalb meist umgestaltet oder ganz neu entwickelt werden. Nützliche Werkzeuge für die Prozessanalyse sind eine Energieplanung, eine Energieverschwendungsanalyse und ein Energiemonitoring mit Schwellwerten. Dabei kommt die Ebene der Messtechnik ins Spiel. Denn nur mit dem Wissen, welches tatsächlich die größten Verbraucher sind und wann die Verbräuche am höchsten oder zu hoch sind, können die Prozesse zielgerichtet und mit dem größten Nutzen optimiert werden.

Viele Unternehmen verfügen nur über rudimentäre, verteilte oder nicht zusammengeführte Messtechnik. Häufig ist nur eine Messstelle des Energieversorgers vorhanden, andere haben mehrere Messstellen, jedoch mit unterschiedlichen Kommunikations- und Daten-Standards. Nachrüsten und Integration von durchgängigen Messsystemen ist somit unumgänglich. Hierfür steht eine Vielzahl an Lösungen zur Verfügung. Ein modular aufgebautes, skalierbares System hat den Vorteil, dass es eine Schritt-für-Schritt-Umsetzung unterstützt und sich bedarfsgerecht erweitern lässt. Einige Messsysteme erlauben die Integration vorhandener Sensoren und Zähler, sodass nicht die gesamte Infrastruktur neu aufgebaut werden muss. Um aussagekräftige Kennzahlen zu gewinnen, gilt es nun, sinnvolle Messpunkte auf Maschinen- beziehungsweise Anlagen-Ebene zu definieren. Auch dabei hilft es, die Prozesse im Rahmen der einzelnen Ebenen des Energieeffizienz-Kompass zu betrachten. Kennzahlen auf der Ebene von Produktionsmaschinen sind beispielsweise der Energieverbrauch pro Ausbringungsmenge. Bei Versorgungsanlagen wie der Druckluft weist die Leistungsaufnahme der Kompressoren im Verhältnis zum Durchfluss ein geeignetes Maß für eine Effizienzbewertung auf.

Daten-Portal statt Daten-Grab

Damit liegen alle benötigten Daten stets aktuell vor - die oft genug in einem Datengrab enden. Denn erst ihre sinnvolle Verknüpfung, Auswertung und Darstellung in leicht erfassbaren und individuell darstellbaren Analysen ermöglicht es, Erkenntnisse abzuleiten und Maßnahmen zu bestimmen. Die entsprechende Software sollte intuitiv bedient werden können, denn nur dann wird sie von den Verantwortlichen auch tatsächlich genutzt. Analysen und Reports müssen verständlich sein ohne an Aussagekraft einzubüßen. Automatisierte Funktionen, zum Beispiel eine Schwellwertüberwachung oder ein automatischer Berichtsversand, der jeden Beteiligten mit den individuell relevanten Analysen regelmäßig versorgt, unterstützen den Aufbau und die Umsetzung eines Energiemanagements. Um auch Energieleistungskennzahlen, die in der DIN EN ISO 50001 als Energie-Performance-Indicators (EnPI) bezeichnet werden, mit wenigen Mausklicks erstellen zu können, sollte die Software auch über Schnittstellen zu bestehenden Prozess- und Gebäudeleitsystemen und Systemen der Maschinen- und Betriebsdatenerfassung verfügen. Eine browserbasierte Webanwendung stellt den arbeitsplatzunabhängigen Zugriff auf diese Daten sicher, damit jeder Mitarbeiter im Energieteam auf seine individuellen Energieeffizienz-Dashboards zugreifen kann.

Im Hinblick auf die Zertifizierung nach DIN EN ISO 50001 bieten einige Software-Lösungen entsprechende Unterstützung für die Dokumentation. Sie führen den Anwender Schritt für Schritt durch alle normrelevanten Kapitel, Beispielvorlagen ermöglichen schnelle und effektive Ergebnisse. Eine Vollständigkeitsprüfung stellt sicher, dass alle norm- und zertifizierungsrelevanten Umfänge berücksichtigt wurden.

Transparenz bildet die Basis

Damit ist der Grundstein gelegt, um Ziele zu definieren, effektive Maßnahmen zu ergreifen und anschließend die tatsächlich erzielte Ersparnis zu beziffern. Erfordert die Maßnahme eine Neubeschaffung von Maschinen oder Anlagen, gilt es die Ebene der Lieferanten zu betrachten. Hier ist der Faktor Energie in die Auswahl einzubeziehen. Wie stark dieser gewichtet wird, bestimmt das Unternehmen entsprechend seiner Ziele. Doch nicht immer sind Investitionen zwingend notwendig.

Oft genügt ein etwas geänderter Prozess oder eine Steuerungsanpassung, um den Energieverbrauch signifikant zu reduzieren. Um einerseits die gesteckten Energieeffizienzziele zu erreichen und andererseits eine Anforderung der DIN EN ISO 50001 zu erfüllen, gilt es auf dieser Basis einen stetigen Verbesserungskreislauf zu etablieren. Dabei sind die gemessenen Ergebnisse nach Umsetzung der ersten Maßnahmen Grundlage für weitere Schritte. Mindestens ein Verantwortlicher für das Energiemanagement trägt Sorge dafür, diesen Kreislauf in Gang zu setzen und sicher zu stellen, dass er nicht über kurz oder lang im Sande verläuft. Für die Produktion kann das beispielsweise der Produktions- oder der Schichtleiter sein.

In größeren Unternehmen ist es darüber hinaus sinnvoll, einen Energieeffizienz-Leitstand auf Führungsebene zu etablieren, der das Energiemanagement bereichsübergreifend steuert und kontrolliert. Er definiert die EnPI für die energieeffiziente Steuerung der Produktion. Dafür sollte er die zur Verfügung stehenden Technologien kennen und beurteilen können sowie Roll-out-Szenarien für das ganze Unternehmen oder auch einzelne Standorte entwickeln.

Mit der Verantwortung für alle Unternehmensbereiche hat er stets den Überblick über das gesamte Energiemanagement im Unternehmen. Um nun (endlich) mit der Umsetzung des Energiemanagements sicher und effektiv starten zu können, liefert der Energieeffizienz-Kompass eine fundierte Ausgangsbasis, die die Strukturierung und Einführung zielführend unterstützt.

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