Kraftwerk unter Beobachtung Hoher Wirkungsgrad dank Messtechnik

Endress+Hauser (Deutschland) GmbH+Co.KG

Ausgeklügelte Technik: Am Niederdruck-Vorwärmer wird der Füllstand mit geführtem Radar gemessen.

28.08.2013

Einer der modernsten Kraftwerksblöcke Deutschlands steht in Boxberg in Sachsen. Dank Messtechnik, die alles im Blick hat, setzt die Anlage sowohl Maßstäbe beim Wirkungsgrad als auch im Umweltschutz.

Braunkohle hat die Landschaft der Lausitz buchstäblich geprägt. Wie Sandgruben eines Riesen wirken die Tagebaue aus der Luft, die turmhohen Bagger darin gleichen gigantischen Spielzeugen. Reihe um Reihe graben sie sich durch die Erde, legen Schicht für Schicht die Flöze frei und fördern den fossilen Brennstoff. Gleich mehrere Kraftwerke in der Region verstromen die Braunkohle noch vor Ort. Die modernste Anlage steht im sächsischen Boxberg. 155 Meter reckt sich der Kühlturm von Block R in die Höhe. Die Fahne aus Wasserdampf steigt weithin sichtbar in den Himmel auf und wirft einen langen Schatten auf das Kesselhaus, das mit seinen 135 Metern eine nicht minder imposante Figur macht. Eine Milliarde Euro hat der Energieriese Vattenfall in die neue Anlage gesteckt, die mit ihrem angestrebten Wirkungsgrad von mehr als 43 Prozent sowohl anlagen- als auch umwelttechnisch Maßstäbe setzt.

Endress+Hauser lieferte die Prozessmesstechnik im Verbund mit dem Leitsystemhersteller Mauell und der Ingenieurfirma BEA, die für die Montage verantwortlich war - ein Konsortium ausschließlich aus mittelständischen Unternehmen. Über den zentralen Projektschreibtisch im Vertriebsbüro in Ratingen lief das Erstellen der Angebote, die Auslegung der Messstellen sowie die Abwicklung des Auftrags. Fast 300 Differenzdruck-Messgeräte wurden geliefert, mehr als 350 Drucksonden und weit über 600Temperatursensoren - insgesamt etwa 2400 Positionen. Seit Anfang 2012 ist Block R am Netz. Schon im Vorfeld der Inbetriebnahme hatten die Fachleute von Vattenfall jeden einzelnen Gerätetyp ausgiebig auf Übereinstimmung mit den Spezifikationen geprüft. Die Endress+Hauser-Geräte, die über das digitale Hart-Protokoll kommunizieren, ließen sich nahtlos integrieren. Per Fernzugriff aus dem Leitsystem von Mauell heraus direkt auf die einzelne Messstelle lässt sich das Gerät parametrieren. Zudem ist die Verriegelung von Instrumenten an sicherheitsrelevanten Messstellen möglich. Die Einstellungen können dann nur mit Passwort geändert werden.

Safety first

Hohe Anforderungen an die Sicherheit bestimmen die Instrumentierung. Ein Großteil der Messstellen ist nach dem Prinzip „zwei aus drei“ ausgelegt: Drei Sensoren messen völlig unabhängig voneinander, sodass bei dem Ausfall eines Geräts mindestens noch zwei Werte verfügbar sind. Den Großteil der Messungen machen Standardverfahren aus. Eine Besonderheit stellt dabei die Füllstandmessung mit geführtem Radar im Wasser-Dampf-Kreislauf dar, die etwa am Niederdruck-Vorwärmer eingesetzt wird. Dort arbeitet die moderne Technik zuverlässiger und genauer als das übliche Differenzdruck- Verfahren, gerade, wenn Dichte, Druck, Temperatur oder Dielektrizitätswert stark schwanken.

Regelfähigkeit der Anlagen

Da die Leistung aus alternativen Energien wie Windkraft und Sonne stark schwankt, müssen Betreiber konventioneller Kraftwerke ihre Leistung in Zukunft noch flexibler anbieten. Hier hilft die Regelfähigkeit. Bislang wird Block R mit mindestens 50 Prozent Leistung betrieben, bei Bedarf kann sie vorübergehend in der Spitze bis auf 103 Prozent gesteigert werden. Der Wert soll zudem auf 35 Prozent heruntergeregelt werden können, wozu nur die modernsten Anlagen überhaupt in der Lage sind. Die Herausforderung besteht aber darin, Feuerung, Wasser-Dampf-Kreislauf und die elektrische Seite aufeinander abzustimmen. Für das moderne Kraftwerk haben die Fachleute von Endress+Hauser viele Lösungen ausgearbeitet. So liefert eine Ultraschall-Durchflussmessung an der großen Hauptkühlwasserleitung mit einem Durchmesser von 2,80m zuverlässige Werte. In Boxberg wurde die Clamp-on-Ausführung außen an die Rohrleitung montiert. Die Flüssigkeitsanalyse von Hauptkühlwasser und Wasser-Dampf-Kreislauf ist auf drei Probenahmeräume konzentriert. Dort kommt auch die digitale Memosens-Technik zum Einsatz, die Betrieb und Instandhaltung wesentlich vereinfacht. Für die Dichtemessung in der Rauchgasentschwefelung kommt der „Liquiphant M Dichte“ zum Einsatz. Die Schwinggabel-Technik des Messgeräts, die zur Grenzstanderkennung entwickelt wurde, lässt durch Änderungen in der Schwingfrequenz Rückschlüsse auf die Dichte des Mediums zu.

Gemeinsamer Erfolg

In Fachkreisen hatte die Auftragsvergabe an die beteiligten Unternehmen Mauell, Endress+Hauser und BEA einiges Aufsehen erregt. Die Branche verfolgte das Gelingen des Projekts deshalb sehr aufmerksam. Inzwischen hat Vattenfall dem Konsortium sogar schon einen Folgeauftrag erteilt: Gemeinsam erhielten die Unternehmen den Zuschlag für die Leit- und Messtechnik beim Neubauprojekt Moorburg, ein Kohlekraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 1640 Megawatt.

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