Titelreportagen „IE3 ready“: Schaltgeräte für hocheffiziente Antriebe

Baukasten: Der Sirius-System­bau­kasten von Siemens ist bereits auf die erhöhten Inrush-Ströme bei energieeffizienten Motoren ausgelegt.

Bild: Siemens
28.01.2015

Drehstrom-Asynchronmotoren müssen ab 2015 die Anforderungen für den Energieeffizienz­level IE3 erfüllen. In der Praxis führt das allerdings oft zu höheren Anlauf- und Inrush-Strömen. Niederspannungs-Schaltgeräte sollten daher „IE3 ready“ sein.

Energieeffizienz gehört derzeit zu den wichtigsten Themen in der industriellen Automatisierung. So besagt die EU-Verordnung 640/2009, dass Drehstrom-Asynchronmotoren im Netzbetrieb ab 2015 mindestens die Effizienzklasse IE3 aufweisen müssen. Diese Vorgabe gilt für den Leistungsbereich zwischen 7,5 kW und 375 kW bei neu in den Verkehr gebrachten Motoren, die für den Dauerbetrieb vorgesehen sind. Ab 2017 wird diese Regelung noch weiter verschärft. Dann soll sie auch für kleinere Motoren zwischen 0,75 kW und 7,5 kW Nennleistung Anwendung finden. Energie sparen die neuen Motoren meist durch einen geringeren Bemessungsstrom: Er ist im Mittel bei IE3-Motoren zwischen drei und sechs Prozent niedriger als bei IE1-Motoren.

Die Maßnahmen, die bei den Motoren notwendig waren, um den Energieverbrauch zu senken, zeigen im Anlauf allerdings Effekte, die eine gewisse Anpassung beim Engineering und bei der Schaltgeräteauswahl notwendig machen. Das bedeutet in der Praxis: Einerseits zeigen die IE3-Motoren verglichen mit vorherigen Motorengenerationen einen höheren Anlaufstrom. Auf der anderen Seite ist die größte Veränderung allerdings beim sogenannten Inrush-Strom zu sehen. Der Inrush-Strom tritt in der ersten und zweiten Halbwelle nach dem Einschalten des Motors auf und liegt weit über dem eigentlichen Anlaufstrom.

Neue Herausforderungen durch höhere Ströme

Den dynamischen Effekten während des Anlaufvorgangs wurde bisher meist wenig Beachtung geschenkt. Erst bei den neuen Motoren ab Effizienzklasse IE3 sind die auftretenden Ströme während des Anlaufs so groß, dass konventionelle Schaltgeräte an ihre Grenzen kommen können. Um diese Vermutung zu belegen, hat Siemens im Zeitraum von vier Jahren über 5000 Motoren unterschiedlicher Hersteller analysiert, zum Teil im Labor getestet und den Einfluss des Inrush-Stroms ermittelt.

Als Ergebnis der Untersuchungen hat sich ergeben: Obwohl die Energieeinsparung der neuen Motoren meist durch geringere Bemessungsströme erreicht wird, führen die antriebs­seitig dafür notwendigen konstruktiven Veränderungen zu höheren Anlaufströmen und zu erhöhten Inrush-Strömen. Dabei variieren die hohen Anlauf- und Inrush-Ströme abhängig vom gewählten Motortyp, den Anforderungen der Applikation sowie den jeweiligen Betriebsbedingungen. So bestimmen auch Leitungslängen, Netzsteifigkeit und so weiter die tatsächliche Höhe des Inrush-Stroms.

Höhere Anforderungen an Schaltgeräte

Durch die neuen Herausforderungen ist es nötig, teilweise Anpassungen an den bisher angebotenen Schaltgeräten vorzunehmen. Einerseits muss sichergestellt sein, dass das Schaltvermögen der höheren, wenn auch nur kurzfristigen Strombelastung entspricht und die Kontakte nicht verschweißen. Andererseits müssen Schutzgeräte konstruktiv so ausgelegt sein, dass sie den Inrush-Strom nicht als Kurzschlussstrom bewerten, um ungewollte Auslösungen zu vermeiden.

Die Geräte des Sirius-Systembaukastens von Siemens erfüllen diese Forderungen, weil sie bereits auf die physikalischen Rahmenbedingungen dieser neuen Anforderung in Verbindung mit energieeffizienten Drehstrom-Asynchronmotoren ausgelegt sind. In diesem Zusammenhang ist auch die Norm IEC 60947 für industrielle Niederspannungs-Schaltgeräte von Bedeutung, die wichtige Rahmenbedingungen für die Zertifizierung der Schaltgeräte festlegt. Aufgrund der neuen Anforderungen durch den Einsatz hocheffizienter IE3-Motoren wird bereits darüber diskutiert, die darin definierten Bedingungen für die Dimensionierung und den Test der Schaltgeräte entsprechend anzupassen.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist also, dass Hersteller von Maschinen und Anlagen bei der Umstellung auf energie­effiziente IE3-Motoren industrielle Schaltgeräte wählen, die „IE3 ready“ sind – also für die neuen Eigenschaften der IE3-Motoren ausgelegt sind. Gerade im unteren Leistungs­bereich ist die Änderung der Anlaufströme größer. Die entsprechende Steigerung liegt dabei im Bereich zwischen fünf und 25 Prozent. Das allein schon lässt darauf schließen, dass besonders energieeffiziente Drehstrom-Asynchronmotoren einen spürbaren Einfluss auf die bisherige Schalttechnik besitzen. Für den besagten Inrush-Strom gelten entsprechende Veränderungen, wobei die Steigerung zwischen 20 und 48 Prozent liegt.

In der Praxis zeigt sich, dass gerade die Auswahl von Geräten mit kombiniertem Überlast- und Kurzschlussschutz mit großer Sorgfalt erfolgen muss. Denn trotz der geringeren Bemessungsströme von IE3-Motoren muss der Kurzschlussschutz ausreichend hohe Faktoren aufweisen, die zwischen dem Inrush-Strom beim Anlauf, dem „Normalfall“, und dem Kurzschluss als „Störfall“ differenzieren können. Die Sirius-Leistungsschalter sind durch die überlappenden und teil­weise nach unten erweiterten Einstellbereiche in der Lage, diesen Spagat zu leisten: Sie lassen den Motor ohne Probleme starten und gewährleisten trotzdem einen sicheren Kurzschlussschutz.

Als „IE3 ready“ bezeichnet Siemens deshalb seinen Sirius-Systembaukasten [1] inklusive Motorstarter, Sanftstarter, Überlastrelais und so weiter, der somit passend zur aktuellen Ära der Energieeinsparung die neuen Anforderungen erfüllt. Zudem lässt sich beim Einsatz dessen neuer Baugröße S2 auch erheblich Platz im Schaltschrank sparen, wie die IE3-optimierten Schütze Sirius 3RT2 beweisen: Um einen Motor mit 80 A Bemessungsstrom (37 kW) zu schalten, sind nur noch Geräte mit 55 mm Baubreite notwendig, wo früher nur die nächst größere Baugröße S3 mit 70 mm Baubreite zur Verfügung stand. Das spart wertvollen Platz im Schaltschrank – und damit Geld.

Baukasten für die meisten Motorenapplikationen

Für den Anwender bedeutet das: Er kann auf ein modulares Spektrum an Komponenten mit nur sieben Baugrößen bis zu einer Leistung von 250 kW/400 V mit weitgehend gleichem Zubehör zugreifen, das optimal aufeinander abgestimmt ist. Zum genannten Systembaukasten fürs Schalten und Starten, Schützen und Überwachen gehört auch die vereinfachte Anbindung an die Steuerungsebene, zum Beispiel über AS-Interface und IO-Link.

Mittlerweile hat Siemens die Baugrößen S00, S0 und seit Kurzem auch S2 (bis 37 kW) seiner industriellen Schaltgeräte für den flexiblen Einsatz mit den geforderten energiesparenden Motoren optimiert. Mit diesem Angebot deckt das Unternehmen also etwa 95 Prozent aller weltweiten Motorapplikationen ab. Entscheidend ist das verbesserte Schaltvermögen für IE3-Motoren: Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Leistungsschalter Sirius 3RV2 der Baugröße S2 mit angepasstem Auslöseverhalten, erweitertem Einstellbereich und erhöhtem Schaltvermögen. Die Geräte zeichnen sich durch Einstell­bereiche für niedrigere Bemessungsströme sowie durch die Anhebung der unteren Toleranz des Kurzschluss­auslösers aus.

Tools für ein vereinfachtes Engineering

Mit seinem Sirius-Systembaukasten bietet Siemens Unterstützung bei der Konstruktion und dem Betrieb moderner, energieeffizienter Maschinen und Anlagen. Zudem profitieren Hersteller von Maschinen und Anlagen von komfortablen Tools, etwa dem CAx-Download-Manager [2]. Dieser liefert alle Daten, die im gesamten Verlauf der Konstruktion notwendig oder hilfreich sind. Bis zu zwölf Datenarten stehen für die mechanische (CAD) und elektrische (CAE) Planung zur Verfügung – von Anschlussbildern über Kennlinien, Maßzeichnungen und Modellen bis hin zu Betriebsanleitungen und Zertifikaten. Die Nutzung dieser universellen Produktdaten bringt laut Siemens eine Zeiteinsparung von bis zu 80 Prozent. Mit dem ‚Eplan Electric P8 Makro’ im Austauschformat .edz (Eplan Data Archived Zipped) für Eplan-Anwender lässt sich der Zeitaufwand für die Datenintegration sogar noch weiter reduzieren.

Und weil am Ende jedes Projekts eine umfassende Anlagendokumentation obligatorisch ist, liefert der Hersteller Siemens in seinem Industry Support Portal eine Funktion zur richtlinienkonformen Dokumentation der eingesetzten Lösungen mit: Per „Drag & Drop“ können so die relevanten Kapitel der verfügbaren Handbücher der eingesetzten Siemens-Komponenten ausgewählt und zu einer individuellen Dokumentation zusammengestellt werden.

Der gesetzlich vorgeschriebene Einsatz von Drehstrom-Asynchronmotoren der Energieeffizienzklasse IE3 unterstützt die Industrie dabei, wertvolle Energie einzusparen und dadurch den Ressourcenverbrauch zu bremsen sowie den dabei verursachten CO2-Ausstoß kontinuierlich zu reduzieren. Durch die energiesparenden Eigenschaften treten allerdings an anderer Stelle neue Aspekte zutage wie der erwähnte Inrush-Strom, die entsprechender Aufmerksamkeit bei der Produktauswahl, beim Engineering, bei der Montage und im Betrieb bedürfen.

Systemdenken wird in diesem Zusammenhang immer wichtiger, um den gesamten Engineering-Aufwand zu reduzieren, einen sicheren Betrieb zu garantieren und die Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen weiter zu steigern. All das lässt sich mit dem Sirius-Systembaukasten von Siemens aufwandsarm realisieren, der zudem von einer Reihe Unterstützungs-Tools flankiert wird. Schließlich dreht sich wegen des harten Mitbewerbs im Weltmarkt in der Industrie heute praktisch alles um die Effizienz – nicht nur bei den Antrieben und den Prozessen, sondern auch beim Engineering, der Beschaffung und beim Service.

Weitere Informationen

[1] Informationen zum Sirius-Systembaukasten: www.siemens.de/ie3ready

[2] CAx-Download-Manager: www.siemens.de/cax

Bildergalerie

  • Inrush-Strom: Die besonders energie­effizienten IE3-Motoren lassen den Strom in der ersten und zweiten Halbwelle nach dem Zuschalten sehr stark ansteigen, was spürbare Auswirkungen auf die Niederspannungs-Schalttechnik hat.

    Inrush-Strom: Die besonders energie­effizienten IE3-Motoren lassen den Strom in der ersten und zweiten Halbwelle nach dem Zuschalten sehr stark ansteigen, was spürbare Auswirkungen auf die Niederspannungs-Schalttechnik hat.

    Bild: Siemens

  • Zeitgewinn: Bis zu zwölf Datenarten liefert der CAx-Download-Manager. Damit erhält man für das Engineering und die Dokumentation alle notwendigen Informationen zu den einzelnen Produkten und spart dank Drag & Drop erheblich Zeit.

    Zeitgewinn: Bis zu zwölf Datenarten liefert der CAx-Download-Manager. Damit erhält man für das Engineering und die Dokumentation alle notwendigen Informationen zu den einzelnen Produkten und spart dank Drag & Drop erheblich Zeit.

    Bild: Siemens

  • Techniker am Schaltschrank

    Techniker am Schaltschrank

    Bild: Siemens

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