Interview „Der Markt muss für die Erneuerbaren gestaltet werden, nicht umgekehrt.“

09.11.2012

Mit dem zunehmenden Ausbau erneuerbarer Energie zeigt sich immer mehr, wie schwierig es ist, allen Wünschen bei der Gestaltung des Energiemarktes gerecht zu werden. Was schief läuft, erklärt Juwi-Mitgründer Matthias Willenbacher im Gespräch mit Energy 2.0.

Energy 2.0: Herr Willenbacher, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit erneuerbaren Energien. Haben wir sie in Deutschland zu schnell ausgebaut, insbesondere die Photovoltaik?

Matthias Willenbacher: Definitiv nicht, denn der Klimawandel macht nicht Halt. Deshalb müssen wir schnell auf Erneuerbare umsteigen und es ist wichtig, dass wir in Deutschland die Vorreiterrolle einnehmen. Man kann diskutieren, wie teuer etwas sein darf und wir hätten die Vergütung durchaus etwas früher kürzen können, da zum Teil Überförderungen stattgefunden haben. Die Pläne der Bundesregierung, Solarenergie auf ein Viertel des letzten Jahres zu begrenzen, sind jedoch anachronistisch. Wir müssten stattdessen weitermachen wie bisher.

Wie kommt die Windkraft zu Lande und zu Wasser voran?

Offshore - und das wundert mich nicht - kommen wir nicht gut voran. Das ist aber auch gut so, denn die Offshore-Technologie ist mindestens drei Mal so teuer wie die Onshore-Technologie. In Deutschland glauben wir es uns leisten zu können, Windkraftanlagen in hundert Kilometer Entfernung und mit großen Wassertiefen aufzubauen. Dass das deutlich höhere Investitionskosten und höhere Wartungskosten aufgrund widriger Bedingungen nach sich zieht, ist vollkommen klar. Die Onshore-Technologie ist hingegen ausgereift, wesentlich günstiger und nah am Verbraucher, weil sie da produziert, wo die Energie gebraucht wird. Deswegen sparen wir 20 bis 30 MilliardenEuro Ausgaben für den Netzausbau, der nötig wäre, um den Strom von Nord nach Süd zu transportieren. Wir könnten etwa zehn Prozent unseres Strombedarfs decken, wenn wir stattdessen mit diesem Geld Onshore-Windräder bauen würden.

Erneuerbare Energien sind heute ohne EEG oft noch nicht wirtschaftlich. Hat denn das EEG heute eine Schieflage, die dazu führt, dass der Widerstand bei den Bürgern wächst?

Der Widerstand wird bewusst provoziert. Ein Durchschnittshaushalt gibt im Jahr 5000 Euro für Energie aus, also Wärme, Strom und Benzin. Davon fließen 120 Euro als Investition in Erneuerbare. Wesentlich schlimmer, als darin zu investieren, ist es, das nicht zu tun. Dann sind wir weiterhin abhängig von Öl und eine Ölpreiserhöhung bedeutet wesentlich mehr Kosten. Zudem machen Energieversorger mehr Gewinne als investiert wird. Auch das ist eine Schieflage, die in der Öffentlichkeit nicht diskutiert wird. Wir investieren zwar in neue Wind-, Solar- und Bioanlagen, den eigentlichen Markt für Energie gibt es aber gar nicht, sondern ein Oligopol.

Sind die erneuerbaren Energien benachteiligt?

Wir haben da ein deutliches Ungleichgewicht, deshalb ist eine Kilowattstunde aus einem Kohle- oder Atomkraftwerk nicht zu vergleichen mit einer Kilowattstunde aus einer Windkraftanlage. Das eine wird gefördert, das andere nicht. Die fälschlicherweise so genannten Subventionen für Erneuerbare sind keine, sondern es wird nur gezahlt, was die Kilowattstunde kostet. Der tatsächliche Preis für Atomstrom läge weit über zehn Cent, wäre also deutlich teurer als etwa Wind. Bei Kohle wäre es ähnlich, wenn CO 2-Zertifikate endlich mit einem echten Preis beaufschlagt würden. Wir haben keinen gerechten Markt. Wir müssen nicht die Erneuerbaren für den Markt fit machen, sondern der Markt muss für die Erneuerbaren gestaltet werden, dann entwickelt sich auch Konkurrenz.

Energy 2.0: Herr Willenbacher, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit erneuerbaren Energien Haben wir in Deutschland die erneuerbare Energien zu schnell ausgebaut, insbesondere die Photovoltaik?

Matthias Willenbacher: Definitiv nicht, denn der Klimawandel macht nicht Halt. Deshalb müssen wir schnell auf erneuerbare Energien umsteigen und es ist wichtig, dass wir in Deutschland die Vorreiterrolle einnehmen. Man kann sicher diskutieren, wie teuer etwas sein darf und wir hätten die Vergütung durchaus etwas früher kürzen können, da zum Teil Überförderungen stattgefunden haben. Die Pläne der Bundesregierung, Solarenergie auf ein Viertel des letzten Jahres zu begrenzen, sind jedoch anachronistisch. Wir müssten stattdessen genauso weitermachen wie bisher.

Wie kommen wir in der Windkraft zu Lande und zu Wasser voran?

Offshore - und das wundert mich nicht - kommen wir nicht gut voran. Das ist aber auch gut so, denn die Offshore-Technologie ist mindestens drei Mal so teuer wie die Onshore-Technologie. In Deutschland glauben wir es uns leisten zu können, Windkraftanlagen in hundert Kilometer Entfernung und mit sehr großen Wassertiefen aufzubauen. Dass das deutlich höhere Investitionskosten und höhere Wartungskosten aufgrund widriger Bedingungen nach sich zieht, ist vollkommen klar. Die Onshore-Technologie ist hingegen ausgereift, wesentlich günstiger und nah am Verbraucher, weil sie da produziert, wo die Energie gebraucht wird. Deswegen sparen wir uns 20 bis 30 Milliarden Euro Ausgaben für den Netzausbau, der nötig wäre, um den Strom von Nord nach Süd zu transportieren. Wir könnten etwa zehn Prozent unseres Strombedarfs decken, wenn wir stattdessen mit diesem Geld Windräder onshore bauen würden.

Nah am Verbraucher wäre auch die Bioenergie, die dazu den Vorteil hätte, dass sie nicht wetterabhängig wie Solar- und Windenergie ist. In Deutschland ist es allerdings schwierig, diese Energieform in der Fläche auszubauen. Wie beurteilen Sie dieses Spannungsfeld?

Bioenergie ist nicht gleich Bioenergie. In Deutschland gibt es sehr viele landwirtschaftlich genutzte Flächen, von denen etwa 40 Prozent dazu gebraucht werden, um unsere Tiere zu füttern und letztlich Fleisch zu produzieren. Etwa zehn Prozent der Flächen sind dafür da, Bioenergie für Treibstoffe und Biogasanlagen anzubauen. Ich habe dazu die ganz klare Meinung, dass Biotreibstoffe nicht sinnvoll sind, weil 70 Prozent der Energie beim Auto als Wärme verloren gehen. Der Verbrennungsmotor ist sehr ineffizient. Das Blockheizkraftwerk bei einer Biogasanlage hingegen kann sehr effizient sein, erst recht, wenn man das Biogas einspeist. Dann kann man etwa 90 Prozent der Energie in Strom und Wärme umwandeln und gebrauchen. Deshalb ist Bioenergie, die im Gasnetz gespeichert und abgerufen wird, wenn Wind und Sonne nicht zur Verfügung stehen, die Ergänzung, die wir brauchen.

Für sich gesehen sind all diese Technologien aber heute noch nicht wirtschaftlich und werden noch immer durch das EEG gefördert. Als Verbraucher zahlt man deshalb heute schon über 3,5 Cent mehr für die Kilowattstunde, im nächsten Jahr über 5 Cent. Hat denn das EEG heute schon eine Schieflage, die dazu führt, dass der Widerstand bei den Bürgern wächst?

Der Widerstand wird bewusst provoziert. Ein Durchschnittshaushalt gibt 5000 Euro im Jahr für Energie aus, also für Wärme, Strom und Benzin. Davon fließen 120 Euro als Investition in erneuerbare Energien. Wesentlich schlimmer, als in erneuerbare Energien zu investieren, ist es, das nicht zu tun. Dann sind wir weiterhin abhängig von Öl und eine Ölpreiserhöhung bedeutet wesentlich mehr Kosten. Zudem machen Energieversorger mehr Gewinne als investiert wird. Auch das ist eine Schieflage, die in der Öffentlichkeit nicht diskutiert wird. Wir investieren zwar in neue Wind-, Solar- und Bioanlagen, den eigentlichen Markt für Energie gibt es aber gar nicht, sondern ein Oligopol. Wir sind abhängig von vier großen Energieversorgern, die den Markt beherrschen und Subventionen und Technologieförderung bekommen.

Sind die erneuerbaren Energien benachteiligt?

Wir haben da ein deutliches Ungleichgewicht, deshalb ist eine Kilowattstunde aus einem Kohle- oder Atomkraftwerk nicht zu vergleichen mit einer Kilowattstunde aus einer Windkraftanlage. Das eine wird gefördert, das andere nicht. Die fälschlicherweise so genannten Subventionen für erneuerbare Energien sind keine, sondern es wird nur gezahlt, was die Kilowattstunde kostet. Der tatsächliche Preis für Atomstrom läge weit über zehn Cent, wäre also deutlich teurer als beispielsweise Wind. Bei Kohle wäre es ähnlich, wenn CO2-Zertifikate endlich mit einem echten Preis beaufschlagt würden. Wir haben keinen gerechten Markt. Wir müssen nicht die Erneuerbaren für den Markt fit machen, sondern der Markt muss für die Erneuerbaren gestaltet werden, dann entwickelt sich auch Konkurrenz zwischen den Mittelständlern.

Nun sind Sie ja auch ein mittelständisches Unternehmen. Ist Ihre Kritik an der Offshore-Windkraft dadurch motiviert, dass Sie da nicht so mitspielen können wie die großen vier?

Das könnte man annehmen. Tatsächlich hatten wir vor zehn Jahren Offshore geplant, bis wir festgestellt haben, dass es volkswirtschaftlich keinen Sinn ergibt. Wir als Juwi machen nur Dinge, die aus volkswirtschaftlicher und allgemeingültiger Sicht sinnvoll sind. Natürlich kann man jedem, der ein Unternehmen hat, Eigeninteresse unterstellen. Es gibt aber kaum ein Unternehmen, das sich so wie Juwi zu allererst für volkswirtschaftliche und umweltpolitische Dinge interessiert, und erst danach die eigenen Interessen verfolgt. Wir sind damit groß geworden. Mein erstes Windrad habe ich nicht gebaut, um damit reich zu werden, sondern um ein Zeichen für die Umwelt zu setzen und das tue ich heute noch. Jede Anlage ist ein Zeichen für den Umweltschutz.

Das Gespräch führte Dr. Karlhorst Klotz, Energy 2.0.

Zum Video des Gesprächs:

http://www.youtube.com/watch?v=6tF-ECU0GQk&list=UUokFCI5vLpd2lBWN0INyntw&index=4&feature=plcp

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