Klimaschutz Pariser Abkommen: Mut ist gefragt!

Deutschlands Beitritt zum Pariser Klimaschutzabkommen ist ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.

04.11.2016

Das Klimaabkommen ging schneller über die Bühne als gedacht - genauso schnell muss es jedoch nun gehen, die Vorhaben umzusetzen. Fährt Deutschland mit angezogener Handbremse in die Energiewende?

Am 5. Oktober hat Deutschland gemeinsam mit der EU das Pariser Abkommen über die Schwelle für das Inkrafttreten gehoben. Am 7. Oktober fand in Hamburg eine symbolische Übergabe der Ratifizierungsurkunde an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon statt. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hatte dort angekündigt, dass das Pariser Klimaschutzabkommen definitiv noch im November in Kraft treten wird. Während der COP 22 in Marrakesch wird am 15. November die erste Vertragsstaatenkonferenz unter dem Pariser Abkommen in Marrakesch eröffnet.

Am 4. November 2016 trat das im Dezember 2015 in Paris beschlossene Klimaschutzabkommen offiziell in Kraft – vier Jahre früher als ursprünglich erwartet. Es wurde – mit Stand 3. November – von 94 Staaten ratifiziert, auf die ein Anteil von 66 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen entfällt. Für das Inkrafttreten mussten mindestens 55 Staaten ratifiziert haben, die einen Emissionsanteil von mindestens 55 Prozent auf sich vereinigen.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks erklärte: „Noch nie ist ein globaler völkerrechtlicher Vertrag von derart großer Bedeutung so schnell in Kraft getreten. Und noch nie standen die Zeichen besser für den Schutz unseres Weltklimas. Jetzt gilt es, den Worten auch Taten folgen zu lassen.“

Mehr „German Mut“ gefordert

Worten Taten folgen lassen will auch die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken. Sie nimmt als Mitglied der deutschen Delegation am Weltklimagipfel in Marrakesch teil, auf dem die Einzelheiten zum Erreichen der Klimaziele festgezurrt werden müssen. Im eigenen Land habe die Bundesregierung den Klimaschutzplan von Ministerin Hendricks so zusammengestrichen, dass damit kaum die Pariser Ziele erreicht werden könnten. Und selbst dieser abgespeckte Plan werde von der Bundesregierung vor Marrakesch nicht mehr beraten.

Höfken beklagte die Mutlosigkeit insbesondere der Wirtschaftspolitiker in der Regierungskoalition: „Deutschland fährt so mit leeren Händen nach Marrakesch und setzt seine Vorreiterrolle im Klimaschutz aufs Spiel. Wir brauchen mehr ‚German Mut‘ statt ‚German Angst‘ beim Klimaschutz.“ Dass ein „Weiter so“ nicht in Frage komme, macht die Ministerin an den Starkregenereignisse in diesem Jahr fest. Rheinland-Pfalz sei überdurchschnittlich stark vom Klimawandel betroffen. 2014 war das wärmste Jahr in Rheinland-Pfalz seit Beginn der Aufzeichnungen. Das Land habe deshalb den Klimaschutz im Landesklimaschutzgesetz gesetzlich verankert und wolle auch weiterhin beim Klimaschutz Vorreiter sein. Bis 2050 soll Rheinland-Pfalz weitgehend klimaneutral werden.

Nur mit einer zügigen und umfassenden Umsetzung des Abkommens könne der Klimawandel noch gebremst werden. „Wir müssen uns verabschieden von den schmutzigen fossilen Energieträgern und konsequent Energieeffizienz und Erneuerbare Energien voranbringen“, appellierte Höfken. Die Inkonsequenz der Bundesregierung setze die technologische Entwicklung und die Umstellung der Industrie auf erneuerbare Energien aufs Spiel. Zudem verunsichere das auch Investoren, die einen klaren Fahrplan für die Dekarbonisierung der Wirtschaft benötigen. Denn nichts anderes sei mit dem Abkommen von Paris beschlossen worden“, führte Höfken an.

Deutschland verfehlt Klimaziele

Noch viel Handlungsbedarf sehen auch die Energy Watch Group und ASPO Deutschland, die auf die neue Studie „Deutsche Klimapolitik – vom Vorreiter zum Bremser“ verweisen. Die aktuellen Klimaziele Deutschlands seien demnach viel zu schwach, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Selbst diese schwachen Ziele drohe die Bundesregierung zu verfehlen.

„Mit dem Inkrafttreten des Pariser Abkommens müsste die Bundesregierung ihr ,Energiekonzept und ihre Klimaziele‘ völlig neu schreiben“, erklärte Hans-Josef Fell, Ko-Autor der Studie, Präsident der Energy Watch Group und ehemaliger Bundestagsabgeordneter. „Eine Minderung der nationalen Treibhausgas-Emissionen um 80 bis 95 Prozent bis 2050 im Vergleich zu 1990 ist komplett ungeeignet, um die Pariser Ziele zu erreichen“, führt er weiter aus. „Die momentanen Klimaschutz-Maßnahmen der Bundesregierung führen nicht einmal mehr zu nennenswerten Emissionsminderungen.“ Fell fordert deshalb eine Abkühlung auf das vorindustrielle Niveau.

Laut der Studie wurde der von der Bundesregierung vorgegebene, nationale Emissionsminderungspfad seit 2010 in jedem Jahr überschritten, was besonders auf die Sektoren Straßenverkehr, Elektroenergie und Landwirtschaft zurückzuführen sei. „Der Emissionsminderungspfad von 2010 ist schon in den ersten Jahren verfehlt worden. In Kombination mit den deutlich ambitionierteren Zielen des Pariser Abkommens sind nun zusätzliche Maßnahmen in erheblichem Umfang nötig, deren Ziel eine Nullemissions-Wirtschaft bis 2030 sein sollte“, rät Jörn Schwarz, Autor der Studie und Vorsitzender der ASPO Deutschland.

Erneuerbare als Hebel

Eine weltweite Nullemissionswirtschaft müsse an eine Agenda zur Schaffung wirksamer Kohlenstoffsenken gekoppelt sein. Zur Umsetzung führt die Studie verschiedene Schritte auf, etwa den 100-prozentigen Einsatz Erneuerbarer auf technischer Seite sowie eine vollständige Kreislaufwirtschaft. Politisch betrachtet sei es notwendig, Klimaschutz in die Verfassung aufzunehmen, Anreizinstrumente für Klimaschutzinvestitionen der privaten Wirtschaft zu schaffen und Forschung und Bildung im Bereich Klimaschutz gezielt zu stärken, so die Autoren der Studie.

Auch der Biogasrat unterstrich im Zuge des Inkrafttretens des Klimaschutzabkommen von Paris die Bedeutung Erneuerbarer: Er fordert die Bundesregierung auf, Vorteile von Bioenergie zu nutzen. Dazu hatte er gemeinsam mit weiteren Verbänden erst vor wenigen Tagen dafür appelliert, kein Potenzial von Gas im Energiebereich zu verschenken. „Um die ehrgeizigen Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen, müssen wir alle uns zur Verfügung stehenden erneuerbaren Energieformen technologieoffen nutzen“, ist Janet Hochi, Geschäftsführerin des Biogasrat, überzeugt.

Sowohl im kürzlich veröffentlichten Impulspapier Strom 2030 aus dem Bundeswirtschaftsministerium als auch in dem jetzt den Ressorts vorliegenden Klimaschutzplan 2050 findet in den Augen des Biogasrat mit der einseitigen Fokussierung auf fluktuierende Erneuerbare eine sträfliche Vernachlässigung der Bioenergie statt, die in allen Sektoren erneuerbare Energieversorgung ermöglichen würde.

Die anspruchsvollen Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens können nur dann tatsächlich umgesetzt werden wenn die Energiesysteme diversifiziert und langfristig eine nachhaltige, zuverlässige und erneuerbare Energieversorgung in allen Sektoren ermöglicht wird. Dazu muss auch die Bioenergie die Chance erhalten mit Biogas und Biomethan ihren Anteil an einer souveränen, flexiblen und klimaschützenden Energieversorgung zur leisten.

Damit Kunden und Verbraucher auch künftig noch die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Energiequellen haben und eine Weiterentwicklung der Energietechnologien möglich bleibt, muss die Diskussion um die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens ergebnisoffen geführt werden. Der Biogasrat sieht dabei noch erheblichen Änderungs- und Ergänzungsbedarf in den bislang vorliegenden Entwürfen der Bundesregierung.

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