Fachbeitrag Die Zukunft der Biomasse


Zweigeteilt: Im Kraftwerk Lahti wird Kohle verbrannt und direkt nebenan Biomasse vergast.

31.01.2013

Bioenergie - da geht es um mehr als nur Pellets oder Fermenter. Finnland vergast organische Reststoffe schon heute im industriellen Maßstab und arbeitet an weiteren innovativen Technologien: Lignin ersetzt Öl, und aus Biomasse entsteht Biokohle.

Für zähe Vertragsverhandlungen gibt es in Finnland eine einfache Lösung: Können die Partner sich nicht einigen, setzen sie das Gespräch kurzerhand in der Sauna fort. Auch sonst scheinen die Finnen sehr kreativ bei der Lösung von Problemen zu sein: Trotz vergleichsweise geringer Biomassereserven gilt Finnland als eines der führenden Länder bei der Nutzung von Bioenergie. Auch seine Zukunft will das Land der tausend Seen nachhaltig gestalten. Gerade in einigen Teilen Südfinnlands, wo Wasserkraft und Atomenergie schwer zugänglich sind, müssen deshalb kreative Lösungen her.

Einen Beitrag dazu möchte auch das finnische Unternehmen Metso leisten, das seine Wurzeln in der Papierindustrie hat. Übersetzt bedeutet Metso Auerhahn und da ist es kein Wunder, dass man darauf bedacht ist, Bioenergie zu fördern und damit ein stabiles „Backup“ für andere erneuerbare Energien zu schaffen.

Biomasse vergasen

Als Vorzeigeprojekt gilt das Kraftwerk Kymijärvi II in Lahti. 2012 hat Metso das örtliche Kohlekraftwerk um eine Vergasungsanlage erweitert. Mit einer neuen Vergasungstechnologie kann die Anlage statt fossilen Brennstoffen Biomasse vergasen. Sie arbeitet mit sogenanntem Solid Recovery Fuel (SRF), das außer Biomasse noch Papier- und Holzanteile enthält. Der neue Anlagenteil ist der erste weltweit, der ausschließlich mit SRF befeuert werden kann, aus dem bei rund 900°C Gas entsteht.

250.000TonnenSRF kommen pro Jahr zum Einsatz und sparen 170.000Tonnen Kohle sowie 230.000TonnenCO 2. Insgesamt bringt das Verfahren nicht nur der Umwelt Vorteile, erklärt Jaana Lehtovirta, Leiterin Kommunikation bei Lahti Energia: „SRF ist billiger als Kohle, weil die Steuern für Kohle hoch sind.“ Weil das verwendete Gas so sauber sei, sinke außerdem die Korrosionsgefahr in der Anlage.

Was in die Energie-Tüte kommt

Der Rohstoff stammt zum großen Teil aus der Industrie in der Region, der Rest wird aus gewöhnlichem Haushaltsmüll aus der Lahti-Region gewonnen. Wichtig ist, dass kein Metall und keine Essensreste darin enthalten sind. Für den in Frage kommenden Müll nutzen die rund 200.000 Einwohner zu Hause einen speziellen „Energy Waste“-Beutel.

Laut Metso und dem Energieversorger Lahti Energia, die gemeinsam die Anlage erweitert haben, ist die Resonanz sehr gut, resümiert Jaana Lehtovirta: „Die Leute trennen gewissenhaft, und das ist essentiell für die Technologie.“ Um die Bürger zum Mitmachen zu animieren, führen Energieversorger, Stadt sowie Müllunternehmer Werbekampagnen durch; zudem gibt es finanzielle Vorteile bei der Müllentsorgung.

Neben der SRF-Vergasung stellt auch die Vergasung von Synthesegas eine elegante Möglichkeit dar, Energie aus Biomasse zu gewinnen. Im schwedischen GoBiGas-Projekt (Gothenburg Biomass Gasification) ist dieses Verfahren bereits im Einsatz und erzeugt in einer 20-MW-Anlage Biomethan aus Holz.

Aus Sicht von Metso sind derzeit vor allem Großbritannien, Schweden und - im Hinblick auf Retrofit - auch Polen gute Märkte für Biomasse. Obwohl Deutschland über große Biomassereserven verfügt und das holzreichste Land Europas ist, sei der Markt hier eher begrenzt. Dabei bietet es sich gerade hier in Deutschland an, Wärme lokal zu produzieren. Pasi Laine, Präsident des Papier- und Energiesegments bei Metso, sagt dazu: „Die Idee der Dezentralisierung ist gut, aber die Energie sollte noch effizienter erzeugt werden.“ Solange aber nur Anlagen unter 5 MW gefördert werden, bleibe der Markt für Anlagen in Deutschland eingeschränkt.

Blick in die Zukunft

Das Deutsche Biomasse-Forschungs-Zentrum (DBFZ) hat Bioenerge einmal als Rückgrat der Erneuerbaren bezeichnet, da sie in wind- und sonnenarmen Zeiten die Versorgung sichern, solange nicht ausreichend Speicherkapazitäten vorhanden sind. Es lohnt sich also, in die Erforschung weiterer Verfahren zur Verwertung von Biomasse zu investieren. Als besonders aussichtsreich gilt bei Metso das Ligno-Boost-Verfahren. Dabei wird ein ölähnliches Kondensat aus Biomasse gewonnen. Das Besondere: Das Verfahren extrahiert Lignin aus den Chemikalien, die im Zellstoffgewinnungsprozess zum Einsatz kommen. Das gewonnene Lignin, das in Holz vorkommt, kann dann als Biokraftstoff verwendet werden und könnte künftig fossile Brennstoffe wie Kohle und Öl bei der Stromerzeugung ersetzen.

Laut Metso liegt das Einsparpotenzial bei 50 Liter Öl pro Tonne Zellstoff. Eine erste kommerzielle Anlage sei bereits für dieses Jahr geplant. Während das Lignin als Kohleersatz dient, könne das Bio-Öl Schweröl ersetzen und darüber hinaus auch als Grundlage für neue Biokraftstoffe dienen.

Industrieller Einsatz von Biokohle ist noch fern

Großes Potenzial sieht man außerdem in der Torrefizierung. Bei Metso schätzt man, dass es noch etwa zehn Jahre dauern wird, bis der industrielle Einsatz von Biokohle möglich sei. Dennoch wird bereits jetzt eifrig geforscht: Im Tisco Projekt (Torrefaction - Integration and Suitability for CO-firing) untersucht das Unternehmen, inwieweit sich das Heizmaterial aus Torrefizierung für die Zufeuerung in Kohlekraftwerken im industriellen Maßstab eignet.

Auch RWE Innogy und Topell Energy sind dabei, Erfahrungen zu sammeln und haben 2010 in den Niederlanden eine Anlage zur Produktion von Biokohlepellets errichtet. Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg koordiniert zudem das EU-weite Forschungsprojekt Biochar Europe, bei dem Forscher aus 23 Ländern im Rahmen eines Netzwerks die schnelle und sichere Nutzung von Biokohle in Europa vorantreiben wollen.

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