Fachbeitrag Drahtseilakt mit Energierückspeisung


Schwindelerregende Höhe: Blick von der 30 Meter hohen Plattform des Prüfturms auf Antriebstechnik und Lasteinheit.

19.11.2013

Kranseile müssen enorme Spannungen aushalten. In Tests beweisen sie ihre Tragkraft im ständigen Heben und Senken von Lasten - bis die Fasern reißen. Rückspeisefähige Antriebe gewinnnen dabei freiwerdende Energie zurück. Das führt zu hohen Einsparungen.

16 Millimeter Durchmesser, 54 Tonnen Tragkraft - ein Drahtseil muss beweisen, was es aushält, bevor es in Kränen, Baumaschinen und individuellen Anwendungen große Lasten auf und ab bewegt. Diesen Beweis liefert das Memminger Unternehmen Pfeifer Seil- und Hebetechnik. Nicht nur beim einlagigen Wickeln auf eine Trommel, seit Januar 2013 auch bei mehrlagigen Wicklungen. Dabei sind die Seile erheblich stärkerem Verschleiß ausgesetzt. Ein 33 Meter hoher Prüfturm für Mehrlagenwicklungen bewegt die Last eines fast voll beladenen Gigaliners an bis zu 300 Meter langen Seilen auf und ab - so lange, bis sie definierte Schäden in Form einer bestimmten Anzahl äußerlich sichtbarer Drahtbrüche zeigen. Ein Kran müsste dann das Seil ablegen. Am Prüfturm geht die Tortur weiter: Hebe- und Senkzyklen zerren an dem Seil, bis die erste Litze aus verdrillten Drähten bricht. Auch dieses Ereignis erkennt die Prüfeinrichtung automatisch, so dass die Situation beherrschbar bleibt.

Höhere Kosten sind vermeidbar

Das permanente Heben und Senken belastet nicht nur das Seil, es kostet mehr Geld als nötig. Dabei kann man mit rückspeisefähigen Antrieben Energie zurückgewinnen. Generatorisch arbeitende Elektromotoren speisen beim Abbremsen oder Senken einer Last die freiwerdende Energie über einen Frequenzumrichter ins Versorgungsnetz zurück.

Nach anderthalb Jahren amortisiert

Je nach Größe der Last und dem Fahrdiagramm kann Pfeifer auf diese Weise jährlich eine Strommenge von bis zu 100.000 kWh aus dem Prüfturm ins Netz zurückspeisen - Energie, die dann für andere Verbraucher im Betrieb zur Verfügung steht. Der Wirkungsgrad der Netzrückspeisung liegt bisher bei knapp über 50Prozent. Durch den wiederverwertbaren Strom amortisiert sich die Rückspeiseeinrichtung nach etwa anderthalb Jahren.

Robuste rückspeisefähige Antriebe

Als Antrieb für den Prüfturm kam ein Drehstrommotor von SEW-Eurodrive zum Einsatz, der die Seiltrommel über ein Getriebe antreibt. Da der Antrieb im Freien jeder Witterung ausgesetzt ist, wurde er mit Korrosions- und Oberflächenschutz ausgerüstet. Zudem trägt der Motor ein Schutzdach gegen Regen und Schnee. Auf dem Turm sind neben den erforderlichen Sicherheitseinrichtungen Sensoren für die Seilgeschwindigkeit und die Zugspannung im Seil angebracht. Aufgrund der hohen geforderten Leistung wurden pro Motorphase zwei Adern verlegt. Die beiden Kabel am Motoranschlusskasten führen in das benachbarte Gebäude, wo die Antriebselektronik untergebracht ist.

Der Schaltschrank der Anlage enthält den Frequenzumrichter, die Rückspeiseeinheit und die Steuerung einschließlich der Sensorikauswertung sowie den Ein- und Ausspeiseschrank. Der Frequenzumrichter hat eine Nennleistung von 160 kW, die Rückspeisung ist für die gleiche Nennleistung ausgelegt.

Regelung fängt Lastspitzen ab

Ein Absolutwertgeber liefert die Position der Last an den Frequenzumrichter, der in der Betriebsart Voltage Flux Control (VFC) mit Drehzahlregelung arbeitet. Dieses spannungsgeführte Flussregelverfahren für dynamisch und präzise gesteuerte Drehstromantriebe mit großer Drehzahlkonstanz wird eingesetzt, um bei Fördertechnikanwendungen kurzzeitige hohe Lastspitzen abzufangen und schnell auszuregeln. Die Last kann auch in der Schwebe gehalten werden - die Bremse fällt erst ein, wenn der Antrieb gesperrt wird.

Die sinusförmige Netzrückspeisung in der Leistungsklasse 160 kW versorgt die angeschlossenen Umrichter und Motorwechselrichter mit Energie. Im Grundgerät der Netzrückspeisung sind bereits Taktfrequenzfilter, Stellerdrossel, Netzschütz sowie die automatisierte Vorladung des Zwischenkreises integriert. Der abgesicherte Netzanschluss kann also ohne die Vorschaltung zusätzlicher netzseitiger Komponenten erfolgen. Das senkt den Montage- und Installationsaufwand, speziell bei den erforderlichen Leitungsquerschnitten. Die geregelte Zwischenkreisspannung sorgt für stabile Verhältnisse auf der Gleichspannungsseite.

Steuerung und Anzeige

Der gesamte Prüfturm ist über Profinet verkabelt. Der Bediener kann sich an mehreren Stellen über ein mobiles Gerät mit dem Netzwerk verbinden. Die Anlagensteuerung erfolgt über eine sicherheitsgerichtete SPS. Auch die beiden Energiezähler in der Rückspeiseeinheit, welche die motorische und die generatorische Energie getrennt erfassen, werden über Profinet ausgelesen und im Prozessvisualisierungssystem angezeigt.

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