Für den Regen gerüstet Energieautark automatisiert

Solarpanels auf dem Dach der Pilotanlage versorgen die Steuerung der Regenrückhaltebecken mit Strom. Fällt die Stromversorgung länger aus, erlaubt eine Notlauffunktion das mehrmalige Betätigen der Armaturen.

Bild: Festo
24.08.2016

Große Niederschlagsmengen können Klärwerke überlasten. Regenrückhaltebecken schützen sie davor. Für mehr Sicherheit und niedrigere Kosten sorgt ein energieautarkes, automatisiertes Steuerungssystem mit pneumatischen Antrieben, wie ein Pilotprojekt es beweist.

Klärwerke müssen nicht nur mit Haushalts- und Industrieabwässern fertig werden. Auch das Regenwasser gelangt über die Kanalisation in den Reinigungsprozess. Da Kläranlagen genau wie Industriebetriebe jeweils für eine bestimmte Auslastung konzipiert sind, bringen überdurchschnittlich große Niederschlagsmengen die Anlagen an ihre Kapazitätsgrenzen. Die Lösung dafür heißt Regenrückhaltebecken. Sie fangen das überschüssige Wasser aus der Kanalisation auf und schützen Klärwerke und Gewässer so vor Überlastung. Es besteht jedoch ein Problem: Regenrückhaltebecken befinden sich häufig an abgelegenen Orten, zu denen keine reguläre Stromversorgung besteht. Diese Einrichtungen können daher nicht automatisiert betrieben werden, und Mitarbeiter müssen Schieber mühsam per Hand betätigen oder manuell überprüfen, was wertvolle Zeit kostet.

Das Management der Regenrückhaltebecken ist auch für den Abwasserverband Weißach und Oberes Saalbachtal in Baden-Württemberg immer wieder eine Herausforderung. Aus 22 Gemeinden fließen Abwässer in das zentrale Klärwerk bei Heidelsheim. Nach jedem Regen müssen streng genommen alle 39 Regenrückhaltebecken vor Ort kontrolliert werden. Das ist eine Aufgabe, die gerade in regenreichen Wetterphasen nur schwer zu bewältigen ist. Hinzu kommen in der kalten Jahreszeit teilweise Komplikationen mit den elektrisch angetriebenen Abfluss-Drosselschiebern, die den Abfluss des Abwassers in die Kanalisation regeln. Der elektrische Spindelantrieb kommt bei festgefrorenen Drosselklappen immer wieder an seine Leistungsgrenzen.

Eine energieautarke Lösung

Im Rahmen einer Bachelorarbeit ist ein praxistaugliches Konzept erstellt worden, das schließlich in einer zukunftsweisenden Komplettlösung resultierte: dem energieautarken, automatisierten und ferngesteuerten Handling der Schieberarmaturen. In kurzer Zeit wurde daraufhin mit dem Abwasserverband Weißach und Oberes Saalbachtal ein erstes Pilotprojekt realisiert. Hierbei versorgt mittels Photovoltaik gewonnene Sonnenenergie die Steuerungseinheit und betätigt die pneumatisch angetriebenen Schieberventile. Fällt die Stromversorgung über einen längeren Zeitraum aus, erlaubt eine integrierte Notlauffunktion noch das mehrmalige Betätigen der Armaturen. Selbst bei schlechtem Wetter arbeitet die Anlage so noch rund eine Woche.

Ein GSM-Modem (Global System for Mobile Communications) leitet alle relevanten Daten an die Leitstelle des Klärwerks weiter. Von dort aus können die Schieberventile zentral geöffnet und geschlossen werden. Für eine doppelte Sicherheit und eine verkürzte Reaktionszeit bei Störungen wird gleichzeitig der zuständige Festo-Mitarbeiter benachrichtigt. Dieser kann seinerseits schon mögliche Lösungen vorbereiten, noch bevor ihn die Zentrale des Abwasserverbands informiert.

Zusätzliche Arten Energie bereitzustellen, wie Windenergie, wurden ebenfalls erfolgreich eingesetzt. Je nach Anforderung und Standort der Anlage müssen diese individuell ausgewählt und dimensioniert werden.

Störungen frühzeitig erkennen

Das Herzstück der pneumatischen Komplettlösung bildet ein elektrisches Remote-I/O-Terminal, kombiniert mit einer Pneumatikventilinsel. Das System löst Steuerungsaufgaben direkt vor Ort und ermöglicht eine umfassende Ferndiagnose. So können zum Beispiel Module zur Temperaturerfassung, Druckregler oder auch Drucksensoren installiert und die Signale über das RIO-Terminal verarbeitet werden.

Zusätzlich dokumentiert ein Datenlogger fortlaufend den Ladestand der Akkus und protokolliert das Ladeverhalten. Auch die Laufzeiten der Drucklufterzeugung werden überwacht und die Daten an die Abwasserzentrale übermittelt. Auftretende Leckagen, Defekte an der Stromversorgung oder andere Tendenzen können frühzeitig erkannt und beseitigt werden.

Die ehemals elektrisch per Spindelstange betätigten Abfluss-Drosselschieber werden nun durch pneumatische Linearantriebe bewegt. Sie eignen sich für den Außenbereich. Robust und korrosionsbeständig sind diese prädestiniert für den Einsatz in der Wassertechnik und können auch im Ex-Bereich verwendet werden. Mit Arbeitsdrücken zwischen fünf und sieben bar, die sich bei Bedarf kurzzeitig erhöhen lassen, können sie selbst festsitzende Drosselschieber lösen. Ein Vorteil, der den Wartungsmitarbeitern des Abwasserverbands Weißach und Oberes Saalbachtal den Arbeitsalltag erleichtert.

Für den Regen gerüstet

Nach Abschluss der Testphase wurde die energieautarke Komplettlösung auch für andere Regenrückhaltebecken des Abwasserverbands ausgeschrieben. Die Vorteile sind: mehr Sicherheit und ein geringerer Arbeitsaufwand durch zuverlässige Technik, autarke Energieversorgung sowie zentrale Steuerung und Kontrolle. Damit ist der Abwasserverband Weißach und Oberes Saalbachtal mit seiner anspruchsvollen Infrastruktur gerüstet, selbst für das Auftreten unerwartet großer Niederschlagsmengen.

Die automatisierten Lösungen mit Solarenergie und Pneumatik sind effizient und zuverlässig. Sie können überall da angewendet werden, wo elektrische Versorgungsnetze fehlen, wie bei der dezentralen Steuerung von Regenüberlaufbecken im Wasser-/Abwasserbereich.

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