Fachbeitrag Biogas: Statistik statt Lotto


Mehr Ausbeute: Mithilfe statistischer Versuchsplanung kann die Biogasproduktion erhöht werden.

09.03.2012

In der alternativen Energieerzeugung wird der optimale Wirkungsgrad oft noch nicht erreicht. Statistische Versuchsplanung kann in diesem Umfeld zu einer deutlichen Prozessverbesserung führen. Mit einer geeigneten Software lässt sich die Methodik auch von Personen ohne statistischen Hintergrund anwenden.

Erneuerbare Energien bergen immer noch viel Entwicklungspotenzial. Die Komplexität vieler Prozesse ist hoch, und nicht alle Mechanismen sind im Detail bekannt. Für eine erfolgreiche Prozessentwicklung oder -optimierung sind daher neben guten Ideen auch aussagekräftige Versuchsreihen unabdingbar. Hier lohnt sich der Einsatz statistischer Versuchsplanung (Design of Experiments, DoE). So können die notwendigen Experimente strukturiert durchgeführt werden anstatt sich auf das Lottospiel „Trial and Error“ einlassen zu müssen.

Biogasgewinnung

Die Gewinnung von Biogas aus Biomasse ist dabei keine Ausnahme. Je nach Ausgangsmaterial ist hier das Potenzial bei weitem noch nicht ausgeschöpft: In manchen Fällen liefern heutige Methoden sogar weniger als ein Drittel der theoretisch möglichen Gasausbeute [1]. Um einen hohen Wirkungsgrad zu erhalten, ist es wichtig, die fermentierbaren biologischen Makromoleküle möglichst vollständig aus der Biomasse herauszulösen. In mehreren Schritten erhält man dann das aus Methan und CO 2bestehende Biogas. Als Vorbehandlungsmethoden können eine Vielzahl mechanischer (verschiedenartige Mahlverfahren), thermochemischer (organische oder anorganische Säuren) oder enzymatischer (verschiedene Enzyme) Verfahren kombiniert werden.

Vielfältige Anwendungen

Der Wert des geplanten Vorgehens mittels statistischer Versuchsplanung zeigt sich beispielsweise in den Projekten, die an der FH Flensburg durchgeführt wurden [2]. Um beispielsweise die Ausbeute an Biogas auf der Basis von Mais-Silage zu optimieren, wurden hier neben anderen Einflussfaktoren die Enzym-Konzentration und die Mahldauer als quantitative Parameter verwendet sowie der Zeitpunkt der Enzym-Zugabe (vor oder nach dem Mahlen).

Ergebnisse der Variation von Parametern

In der linken Abbildung auf der nächsten Seite sieht man deutlich die Wechselwirkung zwischen Mahldauer und Enzymkonzentration: Solange die Enzymkonzentration eher klein ist, ist eine längere Mahldauer notwendig, um akzeptable Gasausbeuten zu erhalten. Bei einer höheren Enzymkonzentration fällt sie hingegen kaum mehr ins Gewicht. Der Zeitpunkt der Enzym-Zugabe hat hingegen keinen relevanten Einfluss auf die Gasausbeute.

Analog erhält man Aussagen über die Abhängigkeit der Gasausbeute von Temperatur, pH- und Enzymkonzentration (Amylase): Hohe Temperaturen, ein eher kleiner pH-Wert und eine hohe Enzymkonzentration liefern die beste Ausbeute (Abbildung rechts).

Derartige Zusammenhänge können mit DoE zuverlässig erkannt und quantifiziert werden. Die Software liefert dabei nicht nur Vorhersagen, welche Ausbeuten bei welchen Parametereinstellungen erwartet werden können, sondern gibt zudem Konfidenzintervalle aus, um die Zuverlässigkeit der Vorhersagen abzuschätzen.

Als weitere Anwendung wurde die Wirkung verschiedener Enzyme evaluiert, indem die Gasausbeute in Abhängigkeit von Temperatur und Vorbehandlungsdauer untersucht wurde, getrennt nach unterschiedlicher Fermentationsdauer. So wurde deutlich, welche Enzyme eine schnelle Gasproduktion (nach 2 Tagen) erlauben und welche eine mittlere (4 Tage) oder längere (11 bis 30 Tage) Fermentationsdauer benötigen. Einige Enzyme konnten als gänzlich wirkungslos ausgeschlossen werden.

Andere Rohmaterialien - andere Anforderungen

Bei der Verwendung von Zuckerrüben spielt neben der Mahldauer, der Temperatur und den verwendeten Enzymen auch das Massenverhältnis zwischen Rüben und Blättern eine Rolle. Die statistische Versuchsplanung ergibt hier, dass die Art der untersuchten Enzyme, sowie die mechanische Vorbehandlung (Mahldauer) keinen statistisch signifikanten Einfluss ausüben. Eine höhere Temperatur führt jedoch zu einem positiven Effekt; ein hoher Anteil an Blättern dagegen zu einer Reduktion der Gasausbeute.

Die Einstellungen sind bei Presskuchen aus der Biodieselproduktion aus Raps deutlich anders: Schon nach Durchführung von nur acht Versuchen wurde klar, dass die Enzymkonzentration vernachlässigbar ist, eine höhere Temperatur sich eher negativ auswirkt, aber eine längere mechanische Vorbehandlung (Mahldauer) einen positiven Effekt hat.

Die Verarbeitung von Algen-Seegras-Gemischen stellt hingegen immer noch eine große Schwierigkeit dar [4], denn der hohe Salzgehalt behindert die Fermentation. So wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis Seegras und Algen, die von den touristischen Stränden entfernt werden müssen, einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden können.

Systematisches Vorgehen bringt Effizienz

Das beste Verfahren in der Verarbeitung von Biomasse zu Biogas ist stark abhängig vom verwendeten Ausgangsmaterial. Um schnell gute Prozessbedingungen zu finden, ist ein systematisches Vorgehen mittels statistischer Versuchsplanung sehr effizient. Da die Methodik nicht von der untersuchten Fragestellung abhängt, kann sie in vielen anderen Situationen ebenfalls zur Prozess- und Produktentwicklung, sowie zur Optimierung eingesetzt werden.

Weitere Informationen

[1] KTBL: Gasausbeute in landwirtschaftlichen Biogasanlagen; KTBL-Heft 88, überarbeitete 2. Auflage (2010)

[2] Schneider, H. and Born, J.: Standardization of Pretreatment Methods for the Hydrolysis of Varying Biomasses to Accelerate Co Fermentation Processes; Proceedings of 16th European Biomass Conference & Exhibition; Valencia (2008)

[3] Stavex 5.1: Expertensystem für die Statistische Analyse und Auswertung von Versuchen, Aicos Technologies (2011), www.aicos.com

[4] Schneider, H.: „Biogas aus Algen, Tang und Seegras?“; FNR/KTBL-Kongress „Biogas in der Landwirtschaft - Stand und Perspektive“; Göttingen (2011)

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