Interview „Benchmarking ist ein kritisches Thema“

22.06.2012

Sich Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten und zu bewahren ist die Überlebensversicherung von Unternehmen, auch beim Einsatz von Energie. Was bringen aber Energiekennzahlen, wenn man sie nicht solide mit denen ähnlicher Unternehmen vergleichen kann? Wir haben uns mit einem Energiemanagement-Experten darüber unterhalten, wofür das Datensammeln eigentlich gut ist.

Energy 2.0: Herr Theis, Transparenz im Energieverbrauch - wie soll das gehen?

Stephan Theis: Heute ist es so, dass Unternehmen im industriellen Umfeld zwölf Werte pro Jahr bekommen: die monatliche Strom- oder Gasrechnung. Es fehlt der Durchblick um dort Maßnahmen ergreifen zu können zur Steigerung der Energieeffizienz.

Wo sollten die Zähler sitzen?

Da gibt es diverse Ansätze. Viele Unternehmen möchten einen Anhaltspunkt, wo die größten Energieströme hinfließen. Manche gehen direkt auf die Maschinenebene, manche auf die Unterverteilung, manche auf die Hauptverteilung. Die Philosophien sind sehr unterschiedlich in den Unternehmen selbst. Vom System her ist es aber unerheblich, das muss jeder bedarfsbezogen entscheiden.

Um welche Messgrößen geht es?

Der reine Verbrauch bringt noch keine Erkenntnis. Man muss den Verbrauch in Bezug zu Prozessdaten, Stückzahlen oder zu ähnlichen produktionsrelevanten Größen setzen. Solche Kennzahlen sind auch im Rahmen eines Energiemanagements notwendig. Sie müssen ermittelt werden, um zu entscheiden, wo Optimierungspotenziale bestehen.

Wie gut sind solche Zahlen zwischen Betrieben vergleichbar?

Benchmarking ist ein kritisches Thema, weil ein Unternehmen mit der Veröffentlichung von Energiekennzahlen natürlich auch Wettbewerbsvorteile offenlegen würde. Es gibt aber genug unabhängige beratende Unternehmen, die sich in diesem Bereich gut genug auskennen um ein Gefühl dafür zu entwickeln, was ein guter Wert ist.

Was ist außer solchen Kennzahlen wichtig?

Die Erwartungshaltung, die ein Unternehmen oder ein Maschinenbediener beim Energieeinsatz hat, muss erst einmal durch die Messdaten auf den Prüfstand gestellt werden. Anhand der Daten lässt sich oft schon Verschwendung identifizieren und zur Optimierung ansetzen.

Kann man solche Energiekennzahlen quasi in Echtzeit ermitteln?

Echtzeit würde ich in der Regel nicht als notwendig ansehen, weil meist eine detaillierte Analyse notwendig ist. Wenn überraschende Werte auftreten, muss analysiert werden, ob besondere Einflüsse vorliegen und alle Parameter berücksichtigt wurden - vielleicht spielt auch menschliches Verhalten eine Rolle.

Die Analyse muss ja oft eine wahre Datenflut verarbeiten. Wie bekommt man die in den Griff?

Wichtig sind sauber geführte Visualisierungen und strukturierte Berichte. Heute herrscht ja noch das Turnschuhprinzip vor: Jemand läuft herum und schreibt Zählerdaten ab. Vom Papierblock zum iPad - das ist schon ein großer Schritt. Zurzeit sind wir noch nicht beim Energiemanager angekommen, der alles am Tablet-PC überwacht und steuert, aber das ist sicherlich die Zukunft. Ich denke mit einer zunehmenden Automatisierung bei der Datenerfassung wird das Thema schnell Einzug finden. Dann lassen sich direkt an den Anlagen Erkenntnisse gewinnen, die dann ziemlich schnell in die Umsetzung kommen können.

Das Gespräch führte Dr. Karlhorst Klotz, Energy 2.0

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