Bauelemente & Elektromechanik Achtung Ableitströme!

SCHURTER AG ELECTRONIC COMPONENTS

Bild: Schurter
13.06.2014

Für einen guten Personenschutz werden in elektrischen Installationen vermehrt Fehlerstrom-Schutzschalter eingesetzt. Diese lösen aber, durch die von elektrischen Anlagen verursachten Ableitströme, oft unnötigerweise aus. Daraus folgen Maschinenstandzeiten, die sich jedoch verhindern lassen – mit Wissen um hohe Ableitströme und gezielten Maßnahmen dagegen.

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Heute kommen in elektrischen Anlagen vermehrt Fehlerstromschutzschalter vor – FI-Schutzschalter, RCD (Residual Current Protective Device) oder Reststromschutzgerät. Sie sorgen für einen zuverlässigen Personenschutz indem sie Fehlerströme gegen Erde erfassen und diese abschalten. Das Problem dabei ist, dass ein RCD nicht unterscheiden kann zwischen Ableitströmen, die im normalen Betrieb entstehen, und gefährlichen Fehlerströmen. Insbesondere Frequenzumrichter (FU), die es für den energieeffizienten Betrieb von Motoren braucht, verursachen große Ableitströme. Aber auch die Kapazitäten der Leitungen und die Netzfilter, die zur Einhaltung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) nötig sind, erzeugen zusätzlich Ströme gegen Erde. Die Summe aller Ableitströme kann so den Fehlerstromschutzschalter zum Ansprechen bringen und alle Verbraucher am gleichen Leitungsstrang abschalten. Doch es gibt Mittel gegen zu hohe Ableitströme, um einen effizienten, sicheren Betrieb zu garantieren.

Ableitströme von Frequenzumrichtern

Sowohl beim 1-Phasen-FU als auch beim 3-Phasen-FU wird zuerst die Netzspannung über eine Brückenschaltung gleichgerichtet und geglättet. Der Wechselrichter formt daraus eine Ausgangsspannung, die in Spannungsamplitude und Frequenz, entsprechend der gewünschten Motordrehzahl, variieren kann. Ableitströme im Frequenzumrichter entstehen durch die internen Entstör-Maßnahmen und alle parasitären Kapazitäten im FU und Motorkabel. Die größten Ableitströme verursacht aber die Arbeitsweise des Frequenzumrichters. Dieser regelt stufenlos die Motordrehzahl mit einer Pulsweitenmodulation (PWM). Dabei entstehen Ableitströme weit oberhalb der Netzfrequenz von 50 Hz. So kann die Schaltfrequenz des FU zum Beispiel 4 kHz betragen, die dazugehörigen Oberwellen aber sehr hohe Amplituden in höheren Frequenzen haben. Diese Frequenzen gehen über die Motorleitung zum Motor. Dabei wirkt die Motorleitung mit geerdeter Abschirmung wie ein Kondensator gegen Erde. Über diese Kapazität werden Ströme gegen Erde abgeleitet. Es empfiehlt sich, gefilterte und ungefilterte Leitungen zu trennen, da sonst hochfrequente Störsignale auf das gefilterte Kabel übertragen werden können.

Transiente Ableitströme

Beim Aus- oder Einschalten der Anlage können außerdem transiente Ableitströme entstehen. Das Einschalten bewirkt, je nach Phasenwinkel, steil ansteigende Spannungsspitzen infolge des schnellen Spannungsanstiegs. Dasselbe geschieht aber auch beim Ausschalten infolge der Induktivitäten im Stromkreis. Diese schnellen Spannungsspitzen erzeugen über die Filterkondensatoren einen transienten Ableitstrom gegen Erde. So kann es passieren, dass der Fehlerstromschutzschalter beim ersten Einschalten der Anlage den Betrieb lahmlegt.

Eine Möglichkeit, dies zu verhindern, ist der Einsatz von RCD mit verzögertem Ansprechverhalten. Ist kein solcher RCD verbaut, ist die Maschine relativ einfach schrittweise zu starten. So lassen sich bei Maschinen mit mehreren Einheiten die verschiedenen FU nacheinander hochfahren. Der Fehlerstromschutzschalter muss bei einer Fehlfunktion den Stromkreis sofort unterbrechen. Dabei gibt es verschiedene Ausführungen. Werden die Auslösewerte durch einen Isolationsfehler oder durch eine Berührung erreicht, schaltet der FI-Schutzschalter sofort aus. Nach der seit Juni 2007 gültigen DIN VDE 0100-410 sind für alle Steckdosenstromkreise bis 20 A Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen mit einem Bemessungsfehlerstrom bis maximal 30 mA vorzusehen. Das gilt auch für Stromkreise bis 32 A im Außenbereich zum Anschluss von tragbaren Betriebsmitteln. Die Möglichkeit, dass auch nicht fest angeschlossene Maschinen oder Geräte mit einer FI-geschützen Elektroinstallation verbunden sind, ist somit relativ groß. Ein Hersteller sollte deshalb seine Maschine auf Ableitströme überprüfen. Neben den verschiedenen Auslösewerten gilt es auch die verschiedenen Charakteristiken der RCD zu beachten. Je nach Typ lösen sie nur bei sinusförmigem Fehlerstrom aus. Oder sie sind allstromsensitiv und messen auch die anderen Ströme im Frequenzbereich von 0 bis mehreren Kilohertz. Lassen sich die Ableitströme einer Anlage nicht unterhalb der Ansprechschwelle des FI-Schutzschalters bringen, gibt es die Möglichkeit, diesen durch ein Differenzstrommessgerät (RCM) zu ersetzten. Dabei werden der möglichst konstante Ableitstrom der Anlage und der FI-Auslösewert summiert und eingestellt. Das RCM erlaubt den normalen Ableitstrom der Anlage, unterbricht aber sofort beim Überschreiten der summierten Limite. In den EMV-Filtern sind Kondensatoren von allen Leitern gegen Erde verdrahtet. Über jeden dieser Y-Kondensatoren fließt ein fortwährender Strom. In einem idealen 3-Phasen-Netz mit sinusförmiger Spannung ist die Summe all dieser Ströme null. In der Praxis entsteht aber, durch die starke Verzerrung der Netzspannung, ein andauernder Ableitstrom gegen Erde. Dieser ist auch vorhanden, wenn die Maschine nicht läuft, die Spannung also nur am Filter anliegt. Die meisten Filterhersteller geben den maximal zu erwartenden Ableitstrom an. Allerdings sind dies theoretische Werte, die wegen unsymmetrischer Belastung oder höherer Frequenz abweichen können. Deshalb sollten die Ströme gegen Erde mit eingebauten Filtern im Betrieb nachmessen werden. Viele FU werden mit bereits integrierten oder sogenannten Unterbau-Filtern geliefert. Dies sind meist einfache, preiswerte Filter mit kleinen Drosseln und großen Kondensatoren zwischen den Polleitern und Erde, welche große Ableitströme verursachen. Die Filterwirkung der großen Y-Kondensatoren lässt sich meist nur durch größere Induktivitäten ersetzen. So muss zum Beispiel ein einstufiges Filter mit großen Y-Kondensatoren durch ein zweistufiges Filter mit zwei Drosseln ersetzt werden, welches größer und teurer ist. Oftmals gibt es zu den beiliegenden Filtern auch eine EMV-Konformitätserklärung. Diese gilt jedoch nur für einen idealen Aufbau und kurze Motorleitungen. Längere Motorleitungen erfordern eine neue EMV-Messung. Lange Motorleitungen erzeugen auch eine größere Kapazität gegen Erde, die wiederum größere Ableitströme zur Folge haben. Diese zusätzlichen asymmetrischen Ströme können zu einer magnetischen Sättigung der Drossel im Filter führen. Dadurch verliert es einen großen Teil seiner Wirkung und die Anlage überschreitet die zulässigen EMV-Grenzwerte.

Ableitströme im Filter reduzieren

Abhilfe schaffen hier kürzere Leitungen oder ein Ausgangsfilter. Dieses Filter, auch Sinusfilter genannt, sollte direkt am Ausgang des FU eingesetzt werden. Es verringert, durch die Reduzierung der Flankensteilheit der Motorspannung, wirkungsvoll die Ableitströme oberhalb 1 kHz.Werden mehrere FU in einer Anlage eigesetzt, kann es sich lohnen, ein gemeinsames Filter am Netzeingang zu verwenden. Dies spart nicht nur Kosten und Platz, sondern verkleinert auch den Ableitstrom. Viele Hersteller bieten auch ableitstromarme Filter für die FU oder Summenfilter am Netzeingang an. Eine einfache und effektive Möglichkeit den Ableitstrom zu verringern ist, einen 4-Leiter-Filter mit Neutralleiter anstelle der 3-Leiter-Filter zu verwenden. Die meisten Filter mit Neutralleiter haben kleinere Ableitströme, da viele Kondensatoren zwischen Polleiter und Neutralleiter verbunden werden. Dadurch kann der Hauptteil der Ableitströme über den Neutralleiter zurückfließen. Da der Neutralleiter gleich wie die Polleiter durch den Fehlerstromschutzschalter gemessen wird, löst dieser nicht aus, da die Summe der Ströme gleich ist. Ist die Dämpfung eines Filters nicht ausreichend, kann dies mit einer zusätzlichen Netzdrossel kombiniert werden. Diese reduziert die Stromwelligkeit und Oberschwingungen und sorgt somit für kleinere Ableitströme.

Bildergalerie

  • Abbildung 1: Typische Ableitströme in einem Motorantrieb mit Frequenzumrichter

    Abbildung 1: Typische Ableitströme in einem Motorantrieb mit Frequenzumrichter

    Bild: Schurter

  • Abbildung 2: Sinusfilter sollten wie der FMAC Sine direkt am Ausgang eines Frequenzumrichters eingesetzt werden.

    Abbildung 2: Sinusfilter sollten wie der FMAC Sine direkt am Ausgang eines Frequenzumrichters eingesetzt werden.

    Bild: Schurter

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