Messtechnik & EMV Zurück in die Zukunft

Diego Waser, Geschäftsführender Gesellschafter bei EMCO Elektronik

Bild: EMCO Elektronik
09.04.2014

Das Thema Elektromagnetische Verträglichkeit ist mehr denn je die Bremse in der Produkt- entwicklung und Markteinführung. Wie geht es künftig damit weiter?

In den 80-er Jahren war ich für einen Hersteller von Entstörfiltern tätig. In der Branche wurde damals ernsthaft diskutiert, ob in der Zukunft weiterhin diese EMV-Komponenten benötigt würden, seien sie doch nur ein Flickwerk für ungenügende Ingenieurskunst. Heute stellt man fest, dass, obwohl unser EMV-Wissen extrem gut ist, mehr Filterkomponenten in immer komplexeren Varianten zum Einsatz kommen, um der Problematik der Störaussendung und Störimmunität Herr zu werden. In den 90-er Jahren war der Mobilfunk das EMV-Schreckgespenst, allerdings vorrangig im Bereich der Umweltverträglichkeit und des Personenschutzes. Heute weiß auch der Durchschnittsbürger, dass mit Hilfe des Mobilfunks eher Leben gerettet wird, als dass man an einem Gehirntumor stirbt. Die Gefahren liegen derzeit und künftig eher darin, dass technische Systeme durch ungenügende EMV-Entwicklung und -Verifizierung versagen und dadurch Menschen zu Schaden kommen oder große wirtschaftliche Ausfälle eintreten können. Derzeit erleben wir eine rasante technische Entwicklung in vielen Lebensbereichen: Nicht nur im Mobilfunk, sondern auch bei der drahtlosen Kommunikation von Maschinen, in der Gebäude- und Medizintechnik, in der Energieversorgung und vor allem beim Thema der elektrischen Mobilität.

Die Automobilindustrie, die förmlich von der Entwicklung im Bereich drahtloser Sensorik und Kommunikationstechnik überrannt wird, steht vor der großen Aufgabe, die EMV in den Griff zu bekommen. Mehr als 25 Antennensysteme können in einem modernen Fahrzeug verbaut sein: Navigation, Medien, Assistenzsysteme bis hin zur Reifendruckkontrolle, alles ist „wireless“. Soll all dies auf engstem Raum in einem Fahrzeug mit Hybridantrieb oder einem vollelektrischen Fahrzeug untergebracht werden, kommen weitere Anforderungen hinzu: Niedervolttechnik (12 bis 48 V) in unmittelbarer Nachbarschaft der Hochvolttechnik (bis 1.000 V) und dazu noch Steuergeräte mit Mikrochips und Datenbussystemen (CAN/FlexRay). Da kann sich auch der Laie die schweißtreibende Arbeit der EMV-Ingenieure vorstellen.

Zur Komplexität der Aufgaben tragen noch die zunehmende Verwendung von Verbundwerkstoffen (keine Masseverbindung) und die Vorgaben nach Gewichtsminimierung (keine geschirmten Leitungen) hinzu. Über allem schwebt das Damoklesschwert der Produkthaftung in punkto Sicherheit! Sollte jemand nachweislich aufgrund eines EMV-Problems zu Schaden kommen, bedeutet dies katastrophale Auswirkungen für den Hersteller. Die Industrie und Dienstleister investieren daher weltweit beträchtliche Summen in EMV-Test-
ausrüstung, Personal und Know-how.

Vom Mikrochip über E-Mobility bis zur Industrieanlage: die Elektro Magnetische Verträglichkeit sollte von Anfang an im Fokus der Entwicklung stehen. Time to Market ist das A und O in vielen Marktsegmenten. Und so rächt sich eine unzureichende Betrachtung der EMV-Problematik während der Entwicklungsphase, wenn erst bei der Erprobung oder den Verifikationsmessungen Mängel festgestellt werden, die dann zeit- und kostenintensiv bereinigt werden müssen. Bei vielen Produkten ist es schon lange kein Thema mehr, die Mindestanforderungen der verschiedenen EMV-Normen zu erfüllen (CE-Kennzeichnung), sondern die ureigene Definition von EMV sicherzustellen: „Das Funktionieren eines Systems in seiner EMV-Umgebung zu gewährleisten, ohne dabei diese Umgebung zu stören oder von ihr selbst gestört zu werden.“ Dieser Leitsatz wird nicht nur auf der diesjährigen EMV-Messe, sondern auf lange Zeit bei künftigen Messen und Veranstaltungen von entscheidender Bedeutung sein.

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