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Energietechnik Präziser messen

Bild: Juri Hahhalev, iStock
26.07.2016

Der Elektronikhersteller LEM hat ein neues System für eine exakte Strommessung entwickelt. Herzstück davon ist eine spezielle Art von Induktionsspule.

Intelligente Stromnetze (Smart Grids) bilden das Rückgrat jeder entwickelten Stadt der Zukunft. Sie informieren sogenannte Energie-Prosumer, die zur selben Zeit Verbraucher und Erzeuger sind, über ihren Energiekonsum und lassen ihnen die Entscheidung offen, wie oder wann sie Energie nutzen, speichern oder sogar weiterverkaufen. Dadurch können Wohn-, Büro- und Industriegebäude an Konzepten zur Energieeinsparung, -effizienz sowie Demand-Response-Programmen teilnehmen.

Smart-Grid-Anwendungen wie Stromgeneratoren, Energiemanagement im Wohnumfeld, Mittel-/Niederspannungs-Umspannwerke und Solarkraftwerke enthalten immer mehr Stromsensoren und ermöglichen dadurch eine zuverlässige Integration von dezentralen erneuerbaren Energiequellen. Sie verbessern das Stromnetz und ermöglichen Steuerung, Automatisierung, Fernüberwachung und Datenweitergabe in Echtzeit. Die Module liefern der Steuerzentrale Informationen über die aktuelle und zukünftige Leistung des Netzes sowie den detaillierten Status kritischer Netzkomponenten, etwa Transformatoren.

Das Kernstück des Smart Meters

Als Bestandteil effizienter Stromsensoren eignet sich besonders die sogenannte Rogowski-Spule. Das zeigt sich zum Beispiel an einem kürzlich vorgestellten Smart-Metering-System. Bei diesem wurden erstmals Rogowskispulen-Sensoren, in dem Fall die ART-Serie von LEM, eingesetzt. Diese Kombination ist auf der Niederspannungs-Seite eines Verteilertransformators in einem Umspannwerk angeschlossen, das eingehende Mittel- in Niederspannung umwandelt. Die Software des Smart Meters berechnet die thermischen und elektrischen Modelle des Transformators und liefert neben dessen Temperatur und Alterungsrate auch die Mittelspannungs-Stromwerte und Energieflüsse. Die Technik ermöglicht eine wirtschaftlichere Steuerung und Überwachung des Verteilungsnetzes ohne zusätzliche Sensoren auf der Mittelspannungsseite.

Aufbau der Rogowski-Spule

Eine Rogowski-Spule besteht aus einer wendelförmigen Drahtspule, bei der ein Anschluss durch die Mitte zurück zum anderen Ende geführt wird. Dadurch befinden sich beide Stecker am selben Ende der Wicklung. Auf diese Weise lässt sich ein offener und flexibler Sensor aufbauen, der problemlos um einen zu messenden Leiter herumgeführt werden kann. Um ein optimales Übertragungsverhalten zu erzielen, wird die Wendellänge entsprechend des relevanten Primärkabel-Durchmessers ausgewählt.

Diese Technik ermöglicht eine sehr akkurate Ermittlung der Änderungsgeschwindigkeit des Primärstroms, der eine proportionale Spannung an den Anschlüssen der Spule induziert. In der Regel kommt noch eine elektronische Integratorschaltung hinzu, die das Spannungssignal in ein zum Primärstrom proportionales Ausgangssignal umwandelt. Aus einer Rogowski-Spule, zusätzlicher Elektronik und einer Kalibrierung ergeben sich dann sehr genaue und lineare Stromsensoren. Rogowski-Spulen eignen sich allerdings ausschließlich zur Messung von Wechselströmen.

Eine Rogowski-Spule besitzt eine geringere Induktivität als ein Strom-Transformator und hat ein entsprechend besseres Frequenzverhalten, da sie kein magnetisches Kernmaterial nutzt. Sie arbeitet selbst bei hohen Primärströmen ausgesprochen linear. Ein solcher Sensor eignet sich dementsprechend besonders gut für Energie-Messsysteme, die hohen oder sich schnell ändernden Strömen ausgesetzt werden. Gegenüber konventionellen, großen und schweren Strom-Transformatoren bietet die Rogowski-Spule für die Hochstrom-Messung die zusätzlichen Vorteile einer kompakten Größe und einfachen Installation.

Die mathematische Formel für das Funktionsprinzip der Rogowski-Spule finden Sie als Grafik in der Bildergalerie (Bild 4).

Das Betriebsverhalten der Stromsensoren hängt stark von der Fertigungsqualität der Spule ab. Gleichmäßige Wicklungsabstände sind notwendig, um ein hohes Maß an Unempfindlichkeit gegenüber elektromagnetischen Störungen zu erzielen. Auch die Wicklungsdichte muss gleichmäßig sein, damit sich der Koeffizient M nicht in Abhängigkeit von der Position des Primärleiters in der Messöffnung verändert.

Ein weiteres wichtiges Merkmal ist der Ringspulen-Verschluss. Er bildet eine Inhomogenität in der Spule und bewirkt eine gewisse Empfindlichkeit gegenüber externen Leitern sowie gegenüber der Position des zu messenden Leiters innerhalb der Schleife. Das Verriegelungs- oder Klemmsystem sollte eine präzise und reproduzierbare Position der Spulen-Endpunkte sicherstellen und annähernd symmetrisch sein, obwohl nur einer der Endpunkte mit der Anschlussleitung verbunden ist. Neuere Rogowski-Spulen gewährleisten durch deren spezielle mechanische und elektrische Merkmale eine wesentlich bessere Genauigkeit und Unempfindlichkeit gegenüber der Positionierung des Primärleiters. Während der durch die Primärleiter-Position verursachte Fehler im Bereich 50/60 Hz meistens bestenfalls ±3 Prozent betrug, ließ er sich bei einigen der neuesten Rogowski-Spulen-Sensoren auf weniger als ±1 Prozent senken.

Rogowski-Spulen verbessern

Auf dem Markt gibt es aktuell zwei Techniken, um die Genauigkeit von Rogowski-Spulen zu verbessern. Die erste Möglichkeit besteht darin, einen normalen, gewickelten Drahts zu kaufen und mit Hilfe von diesem eine mit einem Widerstand verbundenen Schleife zur Kalibrierung anzufertigen. Die zweite Möglichkeit ist die Herstellung einer echten Rogowski-Spule. Bei dieser bestimmt der über die gesamte Länge der Wendel gewickelte Kupferdraht die endgültige Genauigkeit des Sensors. Zwar ermöglicht die erste Option eine einfache und kostengünstige Herstellung, sie reagiert aber äußerst empfindlich auf externe Umgebungsbedingungen. Sie ist außerdem ungenauer und weniger zuverlässig, da sie aus einer größeren Anzahl von Bauteilen besteht. Die Herstellung einer echten Rogowski-Spule ist hingegen im Fertigungsprozess wesentlich kostenintensiver und erfordert mehr Fachwissen.

Die LEM-Rogowskispule folgt dem zweiten Prinzip und bietet ein Übertragungsverhältnis von 22,5 mV/kA. Zum Schutz gegen externe Felder weist sie zudem eine elektrostatische Abschirmung auf, die das Übertragungsverhalten bei der Messung kleiner Ströme verbessert. Die Gesamtgenauigkeit des Smart Meters übersteigt ein Prozent und ist damit herkömmlichen Messgeräten der Klasse 0,5 überlegen.

Der ART-Stromsensor von LEM kann Ströme von bis zu 10.000 A und mehr registrieren. Er ist eine Messspule, die IEC-61869-Klasse-1-Genauigkeit erzielen kann, ohne dass man dazu weitere Komponenten wie Widerstände oder Potentiometer benötigt. Deren Wert könnte im Laufe der Zeit nämlich driften. Außerdem besitzt der ART einen speziellen Spulenverschluss; dieser eliminiert Ungenauigkeiten, die durch Einflüsse der Primärleiter-Position im Inneren der Schleife bedingt sind.

Auch das Verschlusssystem spielt eine entscheidende Rolle, um Klasse-1-Genauigkeit zu erzielen. Dafür ist ein wirksames Design nötig, um die Schleife so effizient wie möglich zu schließen. Zum Ausgleich von Toleranzen im Verschlussmechanismus sowie in den Verbindungen der Sekundärleitungen des Sensors entwickelten LEM-Ingenieure eine Manschette, die als magnetischer Kurzschlusswiderstand wirkt und die beiden Spulenabschnitte auf jeder Seite virtuell miteinander verbindet. Der mit dem Spulenverschluss verbundene Fehler verringert sich dadurch auf eine fast vernachlässigbare Größe.

Bildergalerie

  • Im Inneren des Mittelspannungs-/Niederspannungs-Umspannwerks wird der ankommende Energiefluss von der Mittelspannungsseite (1) durch die Mittelspannungs-Schaltanlage (2) gesteuert, bevor er vom Transformator (3) in Niederspannung (LV) (6) umgewandelt wird. Das im Niederspannungs-Schaltschrank (4) installierte Smart Meter (5) misst den Funktionszustand des Transformators (3) mit drei voneinander unabhängigen Stromsensoren

    Im Inneren des Mittelspannungs-/Niederspannungs-Umspannwerks wird der ankommende Energiefluss von der Mittelspannungsseite (1) durch die Mittelspannungs-Schaltanlage (2) gesteuert, bevor er vom Transformator (3) in Niederspannung (LV) (6) umgewandelt wird. Das im Niederspannungs-Schaltschrank (4) installierte Smart Meter (5) misst den Funktionszustand des Transformators (3) mit drei voneinander unabhängigen Stromsensoren

    Bild: LEM

  • Die Rogowski-Spule ist eine wendelförmige Drahtspule. Sie kann sehr einfach um einen Stromleiter herumgeführt werden.

    Die Rogowski-Spule ist eine wendelförmige Drahtspule. Sie kann sehr einfach um einen Stromleiter herumgeführt werden.

    Bild: LEM

  • Die ART-Stromsensoren von LEM beinhalten eine Rogowski-Spule und können Ströme bis zu 10.000 A registrieren.

    Die ART-Stromsensoren von LEM beinhalten eine Rogowski-Spule und können Ströme bis zu 10.000 A registrieren.

    Bild: LEM

  • Hier das mathematische Formel für das Funktionsprinzip der Rogowski-Spule. Dabei ist M die Gegeninduktivität zwischen Primärleiter und Spule. Sie entspricht zu einem gewissen Grad der Kopplung zwischen dem Primär- und Sekundärkreis.

    Hier das mathematische Formel für das Funktionsprinzip der Rogowski-Spule. Dabei ist M die Gegeninduktivität zwischen Primärleiter und Spule. Sie entspricht zu einem gewissen Grad der Kopplung zwischen dem Primär- und Sekundärkreis.

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