Entwicklungstools & Prototyping Leuchtet wie gedruckt

02.07.2012

In vielen Anwendungsbereichen stößt die klassische Elektronik beispielsweise aus Kosten- oder Platzgründen an ihre Grenzen. Als Alternative steht die Polymer-Elektronik bereit. Was bisher oft als Nischenprodukt belächelt wurde, hat für einige Anwendungen längst Marktreife erlangt.

Leuchtende Tapeten als Zimmerbeleuchtung, womöglich mit eingedrucktem Fernsehgerät; Fenster aus durchsichtigen Solarzellen, die das Haus mit Energie versorgen; gedruckte Bildschirme und Laptops zum Aufrollen: Hinsichtlich der organischen Elektronik sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. Die Polytronik (aus Polymer-Elektronik) führt intelligente Kunststoff-basierte Systemfunktionen zusammen und zählt zu den Schlüsseltechnologien mit zunehmender Bedeutung für eine Vielzahl von Anwendungen. Als aktuelle Zukunftstechnologie will die OLAE (Organic and Large Area Electronics) elektronische Bauteile auf Basis leitender und halbleitender Kunststoffe herstellen. Ihre Vorteile liegen in ihrer Ressourcenschonung, ihrer einfachen Herstellung und einer umweltfreundlichen Entsorgungsmöglichkeit.Merkmal der Kunststoffelektronik ist die Verwendung mikroelektronischer Bauelemente auf Trägermaterialien aus organischen Folien und mit Leiterbahnen und Bauelementen, die aus leitfähigen organischen Molekülen (organische Halbleiter) gefertigt werden. Die Moleküle - neben Monomeren und Oligomeren vor allem Polymere - werden dabei in Form dünner Filme oder kleiner Volumina auf die Folien aufgebracht: gedruckt oder geklebt. Für die Herstellung der dünnen Schichten kommen alle Verfahren in Betracht, die auch für Elektronik auf keramischen oder halbleitenden Trägern verwendet werden.

Einfacher zu handhaben

Kunststoffe mit metallischen oder halbleitenden Eigenschaften sind bereits seit Jahrzehnten bekannt. Doch erst in den letzten Jahren erreicht die Leistungsfähigkeit dieser Materialien durch intensive Forschung die Grenze zur Wirtschaftlichkeit. Schon alleine aus Kostengründen ist es erstrebenswert, bewährte Materialien wie Kupfer, Silizium oder Metalloxide durch funktionalisierte Kunststoffe zu ersetzen, zumal sie eine nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit aufweisen. Sie können allerdings wegen wesentlich geringerer Wirkungsgrade oder Leitfähigkeiten die bisherigen Lösungen nur in bestimmten Bereichen ergänzen, für welche die bisherige anorganische Elektronik zu teuer ist. Während beispielsweise die Si-Technologie nach wie vor auf hohe Temperaturen von über 1.000 °C, auf Reinraumbedingungen und die Verarbeitung in Chargen angewiesen ist, können organische Kunststoffe recht einfach bei Raumtemperatur verarbeitet werden. Sie sind einfach zu entsorgen; Fernziel ist sogar eine Kompostierbarkeit. Zudem sind die mechanischen Eigenschaften der organischen Elektronik attraktiv, weil sie auf flexiblen, transparenten Kunststofffolien (später auch auf Papier) hergestellt werden kann. Sie ermöglicht so völlig neue Anwendungen, die mit der Si-Technologie nicht ohne Weiteres realisierbar sind. OLAE-Anwendungen finden sich zurzeit vor allem in der Photonik, vertreten durch organische Leuchtdioden (OLED) und organische Photovoltaik (OPV). In Entwicklung sind zudem Sensoren, Speicherbausteine, Transistoren und Batterien. Neben marktreifen RFID-Chips und Preisetiketten hat ein Forscherteam schon Mikroprozessoren aus Polymerfolien erzeugt. Darüber hinaus haben erste organische Laser für die optische Messtechnik und für Batterien das Forschungslabor verlassen.

Schon marktreif

Bereits marktreif und effizient eingesetzt wird die Technik bei organischen Leuchtdioden: Die selbstemittierenden organischen Halbleiter ermöglichen als OLEDs völlig neuartige Leuchtmittel. Schon heute haben die hauchdünnen Halbleiter den Schritt in die Massenproduktion geschafft. Bislang werden sie überwiegend in (Handy-)Displays verwendet. Großflächig aufgetragen, sind sie künftig in der Lage, Energie sparend beispielsweise Auto-Innenräume, Wohnzimmer, Möbel oder Fenster zu erhellen. Sie bilden auch die Basis für organische Solarzellen, die etwa auf Folien in unterschiedlichen Farben an Außenfassaden Sonnenlicht einfangen können. Mit ihnen lassen sich dünne, leuchtende Flächen mit verschiedenen Farben erzeugen. Im abgeschalteten Zustand können OLEDs auch transparent sein. Große deutsche Lampenhersteller haben längst erste Produkte auf dem Markt, so einen Flächenstrahler mit 80 mm Durchmesser und 2,1 mm Tiefe. Im Bereich der organischen Photovoltaik (OPV) werden so genannte Dünnschichtsolarzellen verarbeitet. Die bislang erreichten Wirkungsgrade um 8 Prozent lassen noch höheres Potenzial vermuten: Transparente Folien mit Solarzellen auf Handys, Laptops und anderen Mobilgeräten könnten deren Batterie-laufzeiten erheblich verlängern. Vor diesem Hintergrund meldete das Dresdener Start-up-Unternehmen Heliatek für seine neuesten organischen PV-Zellen mit einer Zelleffizienz von 10,7 Prozent auf einer aktiven Fläche von 1,1 cm² eine neue weltweite Bestmarke.

Einsatzfähige Systemlösungen

Die weltweit größte internationale Konferenz und Fachmesse LOPE-C (Large-area Organic & Printed Electronics Convention), die am 21. Juni in München ihre Pforten schloss, bot einen umfassenden Überblick über marktfähige Produkte und präsentierte Live-Demonstrationen aktueller Fertigung, Forschung und Entwicklung. Die Veranstaltung konzentrierte sich auf einsatzfähige integrierte Systemlösungen als umfassende Basistechnologie komplementär zur klassischen Silizium-Technik - mit der Einbettung innovativer elektronischer Funktionalitäten in Gebrauchsgütern, Gebäudefassaden, Fahrzeuge und funktionale Textilien mit umweltbezogener Sensorik und eigenständiger Energieversorgung. Aufsehen erregten dort die ersten großen, auf organischen LEDs basierenden Fernsehempfänger mit extrem flachem und leichtem 55-Zoll-Breitbildschirm, die neue Maßstäbe für Helligkeit und Farbkontrast im Vergleich zu LCD-TVs setzen. Die OLED-TVs sind das Aufbruchssignal in die �?ra der organischen und gedruckten Elektronik. Für die neue, multidisziplinär aufgestellte organische Technologie, mit halbleitenden Kunststoffen aus Polymeren oder kleinen Molekülen auf dünnen, flexiblen, sogar transparenten Trägerfolien, ist das ein wichtiger Schritt. Das zu erwartende Marktvolumen der organischen Elektronik als umweltfreundliche und kostengünstige Ergänzung zur klassischen Mikroelektronik liegt in der Größenordnung der heutigen, weitaus aufwändiger produzierten Siliziumchips. Die LOPE-C zeigte die gesamte Wertschöpfungskette von der akademischen Forschung über die industrielle Entwicklung bis zum anwenderseitigen Einsatz im fertigen Produkt. In diesem Jahr standen industrielle und Consumer-orientierte Anwendungen im Mittelpunkt: organische Solarzellen und Sensoren, OLED-Displays und OLED-Beleuchtungen, ultraflache, nahtlos in die Produkte integrierte Datenspeicher und Batterien sowie Touchscreens für Datengeräte, Unterhaltungselektronik im Heim und Infotainment im Auto. Einen Ausblick in die Zukunft gaben autonom agierende und per Funkanbindung großräumig vernetzte Smart Objects.

Organische Photovoltaik

Neben den OLEDs für Displays und großflächigen, in ihrer Helligkeit und Farbstimmung steuerbaren Leuchtelementen ist auch die organischen Photovoltaik (OPV) auf dem Weg in die Kommerzialisierung. In künftigen Niedrig-Energie-Häusern finden organische Solarmodule wegen ihres dünnen, leichten und beliebig formbaren Aufbaus nachhaltige Einsatzfelder in der gebäudeintegrierten Photovoltaik (BIPV). Das Ziel ist die robuste Rundum-Integration von organischen PV-Modulen in komplette Gebäudehüllen - nicht nur in Dächer, sondern auch in senkrechte Fassadenelemente. Die entsprechende Drucktechnologie ist mittlerweile so weit entwickelt, dass sich die smarten Flüssigkeiten mit Standard-Druckmaschinen aufbringen lassen. Das Forschungsgebiet der Polytronik hat damit das Potenzial, Produkte, Bedien- und Servicekonzepte radikal zu verändern. Funktionen werden ohne zusätzliche Bauteile und Prozessschritte integriert. Die intelligente Oberfläche wird zum Gestaltungselement.

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