Entwicklungstools & Prototyping Dampf statt Wasser

04.06.2013

Im täglichen Leben ist Wasser ein bewährtes Reinigungsmittel. In industriellen Reinigungs-verfahren hingegen führt es zu enormen Energiekosten. Chemikalien setzen hier die Maßstäbe.

In der Produktendbearbeitung gibt es vier gängige Präzisionsreinigungsverfahren: Kohlenwasserstoff (KW), wasserbasierte Reinigung, emulsionbasierte Reinigung, Dampfentfettung. Jede Methode hat ihre Vor- und Nachteile, doch das größte Problem bei der wasser- oder emulsionbasierten Reinigung ist der hohe Stromverbrauch dieser Systeme. Bringen wir es auf den Punkt: Energiekosten steigen überall, und Strom macht da keine Ausnahme. Strom ist, im Vergleich zu früher, bereits teuer, und eine Wende in dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Kapazität ist ein weiterer Aspekt: der kürzliche kalte Winter in Texas hat zu einer Energiekrise geführt, und Unternehmen sahen sich mit „rollierenden Stromabschaltungen“ konfrontiert, weil die erzeugte Kapazität zu gering war. Darüber hinaus zählt die Energieerzeugung auf fossilen Brennstoffen zu den wichtigsten Ursachen für die globale Erwärmung. Dampfentfettung kann die im Zusammenhang mit Reinigungsverfahren entstehenden Stromkosten drastisch reduzieren.

Lösungsmittelchemie

Anders als wasserbasierte oder KW-Reinigungssysteme erfordert die Dampfentfettung Spezialflüssigkeiten mit einer besonderen Kombination an verschiedenen Eigenschaften. Idealerweise sind die Reinigungsmittel nicht brennbar und nicht mit Wasser mischbar. Sie haben eine niedrige Siedetemperatur, einen entsprechenden Kari-Butanol(Kb)-Wert, eine hohe Dichte, niedrige Oberflächenspannung, niedrige Viskosität, eine niedrige spezifische Wärme und eine niedrige latente Verdampfungswärme. Die Entwicklung solcher Flüssigkeiten mit all diesen Eigenschaften war keine einfache Aufgabe. Vier dieser Merkmale betreffen die Reinigungsleistung. Die hohe Dichte, die geringe Oberflächenspannung und die niedrige Viskosität gewährleisten, dass das Lösungsmittel alle Oberflächen benetzt und in winzige Ecken und Öffnung hinein (und wieder heraus) gelangt. Der Kb-Wert misst die Stärke der Flüssigkeit und gewährleistet, dass das Lösungsmittel genug „Muskeln“ hat, um Verschmutzungen zu lösen. So weit, so gut. Doch die niedrige spezifische Wärme und eine niedrige latente Verdampfungswärme sind die Hauptgründe, warum ein Dampfentfetter energieeffizienter ist als andere Technologien. Die Energieineffizienz der Reinigung mit Wasser resultiert aus den chemischen Eigenschaften des Wassers. Durch seine inhärenten Eigenschaften ist Wasser äußerst schwierig in der Anwendung und lässt sich nur sehr schwer von komplexen Oberflächen entfernen. Im Vergleich hierzu ist die Reinigung mit Lösungsmitteln ausgesprochen energieeffizient. Der Begriff “spezifische Wärme” definiert die Wärmemenge, die erforderlich ist, um die Temperatur einer Einheitsmasse um ein Grad Celsius anzuheben. Die spezifische Wärme von Wasser ist sehr hoch, das heißt, das Erwärmen oder Abkühlen von Wasser ist sehr energieintensiv. Ein Beispiel: Wasser hat eine spezifische Wärme von 4,2 Joule/Gramm °C und damit das Vierfache von modernen Lösungsmitteln wie nPB oder die beliebten DuPont HFC-Reinigungschemikalien (aus diesem Grund ist der Einfluss der Ozeane als Puffer für den globalen Klimawandel so groß; es wird sehr viel Energie benötigt, um die Wassertemperatur zu ändern).Nach der Reinigung wird die an den Flächen des Teils anhaftende Reinigungsflüssigkeit verdampft. Sobald eine Flüssigkeit ihre Phase ändert, das heißt vom flüssigen in den gasförmigen Zustand übergeht, spricht man nicht mehr von spezifischer Wärme, sondern von latenter Verdampfungswärme als Maß für die Verdampfung benötigte Energie. Und hier liegt das Problem: Für die Verdampfung von Wasser ist sehr viel Energie nötig. Bei Wasser sind exakt 970 BTU Energie nötig, um ein Pfund Wasser zu verdampfen. Demgegenüber benötigt nPB nur 59BTU für die gleiche Menge und die DuPont-HFC-Lösungsmittel brauchen nur 67 BTU/Pfund. Das bedeutet, dass für die Verdampfung von Wasser ungefähr 14-mal mehr Energie verbraucht wird als für die Verdampfung von Lösungsmitteln.

Energieverschwender Wasser

Die meisten wasserbasierten Reinigungssysteme sind horizontal konzipiert und verwenden Hebe- oder Fördervorrichtungen, um die Teile durch eine Serie von Tauchtanks zu bewegen. Ein typisches wasserbasiertes Chargensystem verfügt über einen Waschtank und zwei bis fünf reversierende Kaskadentanks, die pro Minute 7,5 bis 19 Liter deionisiertes Wasser verbrauchen. Diese Systeme sind in der Regel 50 bis 150 Prozent größer als Dampfentfetter der gleichen Kapazität, weil schlichtweg mehr Tanks, größere Pumpen, Gebläse, Filter usw. benötigt werden. Typischerweise benötigen diese Maschinen acht bis zehn kW pro Betriebsstunde. Die meisten wasserbasierten Reinigungssysteme verfügen über drei oder mehr Tanks mit Ultraschall, was den Stromverbrauch um weitere ein bis zwei 2kW in die Höhe schnellen lässt. Meist dauern die Zyklen wasserbasierter Reinigungssysteme länger als die von Dampfentfettern. Reinigungszyklen mit einer Dauer von 20 bis 40 Minuten sind nichts Ungewöhnliches. Viele Dampfentfetter reinigen in Zyklen zu fünf bis zwölf Minuten.

Air-Knife-Trocknung

Die Restwasserentfernung von den Teilen ist aufgrund der oben angesprochenen chemischen Eigenschaften des Wassers aufwändig. Die Restwasserverdampfung mit Wärme ist relativ langsam und kostenintensiv, sodass meist auf die „Air Knife“-Trocknung zurückgegriffen wird. Ein typisches wasserbasiertes System kann an den Trocknungsstationen leicht fünf kWh, bei größeren Maschinen aufgrund der größeren Motoren, Gebläse und Kompressoren sogar das Doppelte verbrauchen. Für die Schlusstrocknung kommt häufig ein beheiztes Air Knife zum Einsatz - was die Energieverbrauchsproblematik noch verschärft.Auch für die Wasseraufbereitung (vor und nach der Reinigung) wird viel Energie benötigt. Das deionisierte Wasser wird für die Reinigung auf 60 bis 71 °C aufgeheizt, wobei für die Pumpen und Zusatzausrüstung mindestens zwei bis drei kW benötigt werden. Auf der anderen Seite des Prozesses muss man für ein System, bei dem pro Minute beispielsweise 19 Liter Abwasser anfallen, 3 drei bis fünf kW veranschlagen, selbst bei einem bescheidenen Abwasseraufbereitungssystem. Eine letzte Überlegung soll dem Stromverbrauch im Standby-Betrieb gelten. In vielen Unternehmen werden wasserbasierte Reinigungssysteme aufgrund der mit dem Aufheizen verbundenen hohen Kosten und der langen Wartezeit nicht abgeschaltet. Dieser Fall schlägt - ohne jegliche Reinigungsaktivität - Stunde für Stunde mit mindestens zwei bis fünf kW zu Buche.Es folgt ein detailliertes Beispiel: Ein wasserbasiertes Branson-1620-System mit mittelhoher Reinigungsleistung kostet etwa 85.000 US-Dollar. Es besteht aus vier Sümpfen, hat eine Länge von etwa 4,5 m und ist damit mehr als doppelt so groß wie ein entsprechender Dampfentfetter. Der Stromverbrauch beim Anlaufen liegt bei 17 kW und sinkt dann auf zwölf kW im Betrieb ab, plus etwaige Ultraschallausrüstung, bei einer Betriebstemperatur von 60 °C. Das komplette System benötigt etwa 25 kWh.Wasserbasierte Reinigungsmaschinen erwärmen zudem die Luft in ihrer Umgebung, mit der Folge, dass die Klimaanlage stärker belastet wird. Das Branson-1620-System bringt pro Stunde etwa 300.000 BTU Wärme in einen Raum ein, dazu 15 Pfund Wasser (ungefähr 7,5 Liter), die vom HLK-System abtransportiert werden müssen. Dampfentfetter mit den neuen Niedrigtemperaturlösungsmitteln leisten in dieser Hinsicht nur minimale Beiträge.

Zahlenspiele

Die grundlegenden chemischen Eigenschaften von Wasser sind der Grund dafür, dass wasserbasierte Reinigung enorm viel Kilowatt verschlingt, da das System das Wasser purifizieren, die Teile reinigen und trocknen und das Wasser anschließend aufbereiten muss. Demgegenüber werden kleinere Dampfentfetter an 120-V-Stromnetzen betrieben. Als generelle Faustregel gilt, dass wasserbasierte Reinigungssystem zehnmal mehr Energie verbrauchen als Dampfentfetter vergleichbarer Kapazität. Eine andere Schätzung, die die technischen Spezifikationen zweier Reinigungssysteme zugrunde legt, deutet darauf hin, dass eine kleinere Einrichtung durch Umstellung auf Dampfentfettung mindestens 300 US-Dollar pro Monat einsparen kann.Doch trotz dieser Zahlen, die selbst schon gewichtig sind, halten viele Unternehmen die Kosteneinsparungen für noch größer. Ein langjähriger Anwender von wasserbasierten Reinigungssystemen konnte die massiven Einsparungen durch die Umstellung auf Dampfentfettung dokumentieren. Der lokale Energieversorger gewährte ihm für den Kauf der neuen Reinigungsanlage eine Beihilfe in Höhe von 100 Prozent.Aber das ist erst der Anfang. Andere Einsparungen, wie z. B. schnellere Durchsatzgeschwindigkeiten, höherer Output und weniger Fehler, lassen die Rentabilität weiter steigen. Angesichts steigender Energiekosten und der Problematik einer adäquaten Wasserversorgung rund um den Globus ist es sinnvoll, energieeffiziente lösungsmittelbasierte Reinigungssysteme mit anderen Augen zu betrachten.

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