Optoelektronik, Displays & HMI Effizientes Wärmemanagement

Bild: Kunze Folien
02.07.2012

Leistungselektronik ist immer mit Verlustleistung und daraus entstehender Temperaturbelastung behaftet, die abgeführt werden muss. Beim Wärmemanagement gibt es gewaltige Unterschiede. Wolfgang Reitberger, Geschäftsführer von Kunze Folien, räumt mit einigen Vorurteilen auf.

Für das optimale Wärmemanagement ist die Wahl des Wärmeleitmaterials entscheidend.

Richtig. Die Anforderung, die die Applikation stellt, muss natürlich auch auf das Wärmeleitmaterial das sogenannte TIM (Thermal-Interface-Material) umgelegt werden und umgekehrt ebenfalls. Man kann beispielsweise kein mit Wärmeleitwachs polyimid-beschichtetes phasenwechselndes Material in eine Baugruppe einsetzen, bei der größere Luftspalte zwischen Halbleiter und Wärmesenke überbrückt werden müssen. Das Material ist selber oft nur 50 oder 100 µ dick - damit können Sie keine Toleranz von beispielsweise 1 oder mehr Millimeter überbrücken. Der Einsatz von bestimmten Thermal-Interface-Materialien in festgelegten Prozessen ist wirklich ausschlaggebend.

Wärmeleitendes Material benötigt man nur bei hohen Strömen.

Falsch. Es gibt auch Wärmeleitmaterialien, die nicht elektrisch isolierend sind. Generell versucht man zwar, mit wärmeleitenden Materialien auch die Anforderungen an elektrische Isolation abzudecken, aber zwingend notwendig ist es nicht. Der Entwickler muss entscheiden, ob er für seine Anwendung elektrisch isolierendes TIM benötigt oder nicht. Hohe Ströme entscheiden nicht darüber, ob wärmeleitende Produkte eingesetzt werden müssen oder nicht.

Zwischen Wärmeleitfolie und Wärmeleitpaste gibt es keinen Unterschied.

Falsch. Da gibt es erhebliche Unterschiede. Bei sehr dünnen Interfaces mit ca. 30 bis 50 µ Luftspalt werden in der Regel Wärmeleitpasten zur thermischen Anbindung an die Wärmesenke eingesetzt. Die Wärmeleitpaste kann aber nur optimal funktionieren, wenn der thermischen Kontakwiderstand so gering wie möglich gehalten wird - dieser ist aber abhängig von der Fläche, der Oberflächengüte und der Ebenheit. Im Lauf der Jahre haben wir allerdings festgestellt, dass beispielsweise durch die immer höhere Leistungsdichte und die daraus resultierenden höheren Temperaturen Wärmeleitpaste nicht immer unbedingt die beste Lösung ist. Wärmeleitpasten können hier austrocknen oder ausbluten. Gerade im Fertigungsbereich haben sich Wärmeleitfolien als prozesssichere Alternative zum pastösen Warmeleitmaterial erwiesen. Die Wärmeleitpaste hat so gesehen also keine Vorteile gegenüber Wärmeleitfolien.

Für jede Elektronik sollte ein Mission Profile erstellt werden, um ein optimales Entwicklungsergebnis zu erzielen.

Richtig. Man sollte prinzipiell ein Mission Profile erstellen, weil das zunächst einmal dem Entwickler die Arbeit erleichtert. Außerdem wirkt es sich positiv auf die Lebensdauer des Bauteils aus, wenn man im Vorfeld die verschiedenen Umwelteinflüsse und die verschiedenen Anforderungen, die eine Applikation stellt, angemessen berücksichtigt. Die Entwicklung ist so besser strukturiert und das Mission Profile bietet eine hunderprozentige Gewährleistung, dass dieses Produkt auch fehlerfrei arbeitet.

Der spezifische thermische Übergangswiderstand sagt etwas über die Qualität eines wärmeleitenden Materials aus.

Falsch. Der spezifische thermische Übergangswiderstand garantiert den Wärmefluss von A nach B in der schnellsten Art und Weise. Der thermische Widerstand ist aber abhängig von den Abmessungen der Kontaktflächen, der Druckbeaufschlagung, dem Abstand von Bauteil zur Wärmesenke und dem Wärmeleitwert. Für die Qualität des optimalen Wärmetransportes ist also auch der Wärmeleitwert ausschlaggebend - besonders dann, wenn es sich um dicke Materialien handelt, die zur Überbrückung von großen Luftspalten wichtig sind. Der Entwickler sollte prüfen, inwieweit der Wärmeleitwert ausschlaggebend ist gegenüber dem Übergangswiderstand. Das ist auch sehr wichtig. Je dicker das Material, umso höher ist natürlich auch der thermische Übergangswiderstand - und umgekehrt: Je dünner das Material, desto geringer der Übergangswiderstand. Die spezifische thermische Wärmeleitfähigkeit ist eine Materialkonstante, somit ist der Wärmeleitwert bei dicken Materialien natürlich auch mit ausschlaggebend.

Die Anwendung legt fest, welches Wärmeleitmaterial am besten geeignet ist.

Richtig. Ich würde sogar einen Schritt weitergehen und sagen, dass die Anwendung das bestgeeignetste Wärmeleitmaterial diktiert. Die Leistungs- und Packungsdichte bei Halbleitern hat inzwischen eine Größe angenommen, die ein Wärmemanagement unbedingt erforderlich macht. Bei IGBTs hat beispielsweise die Leistungsdichte in den letzten 20 Jahren um den Faktor 7 zugenommen. Die Halbleiter werden zudem in ihren Abmessungen immer kleiner und kompakter. Darauf muss man bei der Entwicklung wirklich Rücksicht nehmen. Nur die Wärme von A nach B bringen ist bei den heutigen technischen Anforderungen zu einfach.Moderne Wärmeleitmaterialien müssen beispielweise über anisotrope Eigenschaften verfügen, damit Wärme optimal in die Fläche gespreizt wird, einen hohen Wärmeleitwert aufweisen und bei Bedarf kompressibel sein, um Unebenheiten und Toleranzen überbrücken zu können. Ein wichtiger Punkt ist außerdem noch der Faktor Langlebigkeit. Je nach Applikation und Anwendung müssen wärmeleitende Produkte hier 15 bis 20Jahren den Umwelteinflüssen standhalten. Wir sehen als Heatmanagement-Spezialisten auch viele neue Anwendungen wie die regenerative Energieerzeugung oder zukunftsträchtige Antriebe, in denen das Wärmemanagement unabdingbar ist und immer mehr in den Vordergrund tritt. Das bringt natürlich auch gewisse Risiken mit sich. Man muss auch in der Industrie umdenken. Ein weiteres Beispiel sind da die neuen High-Power-LED-Generationen. Da finden Sie auf 50 mm x 50 mm eine Leistungsdichte von 45 bis hin zu über 80W, die dann in Form von Hot Spots auf dieser Fläche auftreten, das ist schon heftig. Da ergeben sich sehr hohe Anforderungen an das Wärmeleitmaterial.

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