Trendbericht Das bewegt die Distribution

Bild: Bürklin
02.04.2015

Print-Katalog ja oder nein, eine riesige Auswahl an Artikeln im Portfolio nötig oder nicht, reines E-Commerce oder doch ein Ladengeschäft? Diese Fragen werden im Distributionsumfeld immer wieder diskutiert. Eine Einschätzung hierzu gibt Alfred Lipp von Bürklin Elektronik.

(Print-)Katalogdistribution ist nicht mehr zeitgemäß.

Falsch. Fast alle Distributoren drucken weiterhin ihren Printkatalog oder haben ihn gar wieder aufgelegt. Auch wenn die Auflagen in den letzten Jahren zurückgegangen sind, kann ein etabliertes Medium nicht einfach durch ein neues ersetzt werden. Für den Katalog als Printprodukt, gibt es nicht einfach eine Zielgruppe, die ihn nutzt oder nicht nutzt. Der Nutzen für die Kunden entsteht bereits bei der Katalogarbeit an sich, welche eng mit der Sortimentsgestaltung zusammenhängt. Der Printkatalog ist ein begrenztes Medium, für das Produktinformationen nach Relevanz und Gehalt geprüft und aufbereitet werden müssen. Außerdem muss eine konsistente Logik für die Struktur und den Aufbau der Kapitel und Produktgruppen geschaffen werden. Wenn das gelingt, können Kunden sich einen schnellen und unkomplizierten Überblick über das Angebot zu ihrem konkreten Bedarf machen. Diesen Nutzen online genauso verfügbar zu machen, ist ungleich schwerer. Der Printkatalog ist also komplementär zu anderen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung zu sehen. Bei Bürklin Elektronik ist „Die gelbe Bibel“ seit Jahrzehnten in den Köpfen der Kunden verankert. Aufgrund der Nachfrage mussten wir in diesem Jahr sogar Printkataloge nachdrucken.

Die Beschaffung wird heute zunehmend elektronisch abgewickelt.

Richtig.Wir beobachten bei uns selbst, ebenso wie in der gesamten Branche, ein starkes Anwachsen der Online-Bestellungen, bei gleichzeitigem Zurückgehen beziehungsweise Verschwinden der klassischen Bestellkommunikation über Fax oder Briefpost. Wobei telefonische Kontakte auf Grund der persönlichen und direkten Kommunikation eine gewisse Sonderrolle einnehmen. Auch kleinere, mittelständische Unternehmen wickeln ihre Warenwirtschaft heute bereits mit einem EDV-zentrierten Warenwirtschaftssystem ab. Steigerung der Effizienz und planvolle Steuerung der Wertschöpfungskette mit Hilfe eines umfassenden E-Procurements stehen dabei im Vordergrund. Mangels direkter, verbaler Kommunikation und weitgehender Standardisierung der Kommunikation über Websites und Webshops, muss besonderes Augenmerk auf die Customer Journey, das heißt auf den gesamten Weg des Kunden vom Kennenlernen bis zur Lieferung, gerichtet werden. Flexibel und innovativ werden dadurch neue Marktplätze erschlossen und eine Ausweitung der Möglichkeiten und der Geschäftstätigkeit ermöglicht.

Eine dezentrale Organisationsstruktur von Lagerlogistik, Vertrieb und Einkauf wirkt sich negativ auf die Qualität der Dienstleistungen aus.

Richtig. Die Qualität der Dienstleistungen ist maßgeblich von der Leistung und dem Zusammenspiel dieser drei Unternehmensbereiche abhängig. Eine dezentrale Organisationstruktur ist dabei nicht förderlich. Sind die Wege zwischen diesen Bereichen durch klare Prozesse definiert, lassen sich spürbare Mehrwerte für Kunden durch Dienstleistungen entwickeln.

Beratung und Service wie in einem Ladengeschäft anzubieten ist dann auch in einer vom E-Commerce dominierten Branche möglich. Fragen der Kunden können dadurch in den meisten Fällen vornehmlich und direkt am Telefon geklärt werden, da unsere Kundenservicemitarbeiter auch die Prozesse der Beschaffung und der Lagerlogistik kennen. Gerade spezifische Fragen zu unseren Artikeln lassen sich oft besser klären, weil unser Lager physisch vor Ort ist. Den Satz „Das muss ich erst nachfragen…“ und „Ich verbinde Sie weiter…“ bekommen die Kunden somit selten zu hören. Dieser bereichsübergreifende Kompetenzaufbau ist durch eine zentrale Organisationsstruktur erst möglich. Dabei kann man schnell und direkt jeden Prozess des Kerngeschäfts analysieren und wenn nötig optimieren. Das macht uns besonders anpassungsfähig, wenn Kunden individuelle Wünsche zur Abwicklung eines Auftrags oder auch zur Aufmachung und Verpackung eines Artikels anfragen.

Das Outsourcen von Bereichen des Kerngeschäfts in Niedriglohnländer birgt aus unserer Sicht daher ein großes Risiko. Dass die Prozesse dadurch nicht zwangsläufig rationalisiert werden, erkennt man auch an den Lieferkonditionen. Unser Lieferversprechen haben wir in dieser Form als Erste in der Branche eingeführt. Dabei haben wir von Anfang an den Zeitpunkt der Zustellung des Pakets als Zielgröße definiert und orientieren die Bearbeitung eines Auftrags jeweils daran. Eine solche Leistung können wir nur durch ein optimales Zusammenspiel der Bereiche des Kerngeschäfts garantieren.

Alle B2B-Kunden wollen eine „unendliche“ Auswahl an Artikeln.

Falsch. Gerade bei kleinen und mittleren Bedarfsmengen steht nach wie vor die Verfügbarkeit im Fokus. Kunden aus Forschung, Entwicklung und Kleinserie schätzen ein klar gegliedertes Lieferprogramm und absolute Liefertreue. Eine Auswahl von über 100 Varianten eines Typs bedeutet für den Kunden Arbeit, diese auf Qualität, Kompatibilität und Verfügbarkeit zu prüfen. Um dabei bestmögliche Unterstützung leisten zu können, ist es notwendig die genauen Bedarfe der Kunden zu kennen und zu erkennen. Einfach alles anzubieten ist sicher einfacher für den Distributor, nicht aber für den Kunden. Die Integration in die Wertschöpfungskette ist auf diese Weise deutlich höher.

Ein Ladengeschäft als POS bietet auch im E-Commerce-Zeitalter einen unternehmerischen Mehrwert.

RICHTIG. In unserem Ladengeschäft sind alle Prozesse des Kerngeschäfts exemplarisch abgebildet. Dort findet direkter und ungefilterter Kontakt zu den Kunden und unmittelbarer Umgang mit den Produkten statt. Alle 75.000 Artikel sind hier physisch verfügbar. Ein solcher Ort, an dem Waren, Kunden und Servicemitarbeiter aufeinandertreffen, liefert relevante und vor allem qualitativ hochwertige Informationen, die direkt für die Unternehmensstrategie von Bedeutung sind. Wir nutzen unser Ladengeschäft deshalb auch als Testgelände und Kaderschmiede für Dienstleistungen, neue Artikel und qualifizierte Mitarbeiter. So können wir direkt beobachten, wie unsere Kunden mit den Produkten umgehen, und lernen die Anwendungen kennen.

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