Aus für Feuer und Gift Brandfeste Ethernet-Kabel in Omnibussen

60 Prozent aller Opfer bei Bränden kommen durch das Einatmen giftiger Gase zu Tode. Ende 2015 wurde deshalb die Brandschutzanforderungen an Kabel in Fahrgasträumen durch den Standard ECE-R 118.01 verschärft.

Bild: iStock, franckreporter
27.07.2016

Brandschutz wird in der Personenbeförderung groß geschrieben – gerade bei der Elektronik, deren Anteil immer mehr steigt. Um Datenleitungen in Omnibussen nicht nur schnell, sondern auch sicher zu machen, hat Lapp Ethernet-Kabel mit Brandbremse entwickelt.

60 Prozent aller Opfer bei Bränden kommen nicht durch Verbrennungen zu Tode, sondern durch das Einatmen giftiger Gase. Vor diesem Hintergrund wurden Ende 2015 die Brandschutzanforderungen an Kabel in Fahrgasträumen durch den Standard ECE-R 118.01 weiter verschärft. Kabel, die besondere Brandschutzanforderungen erfüllen müssen, bestehen oft aus Polyvinylchlorid (PVC) und enthalten Halogene als Brandhemmer. Diese Zusätze hemmen die Verbrennung und begünstigen das Verlöschen des Brands am Kabel. Außerdem gasen PVC-Kabel Halogene aus, darunter große Mengen Chlor. Kommt Chlorgas mit Wasser in Verbindung – durch Löscharbeiten, oder wenn der Rauch in die Atemwege gerät – entsteht Chlorwasserstoff (Salzsäure), außerdem Säuren wie Fluorwasserstoff (Flusssäure) und Bromwasserstoff sowie das giftige Dioxin. Diese Säuren verätzen die Atemwege und können schlimmstenfalls zum Tod führen. PVC-Kabel mit Halogenen sind also grundsätzlich nicht unbedingt schlecht für Bereiche mit erhöhtem Brandrisiko – aber nur dort, wo keine Menschen in der Nähe sind.

Brandfeste Rezeptur

So kam für Lapp beim Auftrag eines Omnibus-Herstellers für Kabel im Fahrgastraum PVC nicht in Frage. Als Alternative hat sich in der Industrie Polyurethan (PUR) durchgesetzt. Das Material ist beständig gegen Öl und Chemikalien und zudem sehr widerstandsfähig gegen Abrieb. Allerdings hat PUR schlechtere Brandeigenschaften als PVC. Dies stellte Lapp vor die Aufgabe, das Brandverhalten von PUR auf das Niveau von PVC zu heben. Dazu werden der PUR-Rezeptur halogenfreie Stoffe hinzugefügt, die keine Gesundheitsgefahr darstellen, auch wenn sie bei einem Brand in die Luft gelangen.

Damit erfüllt das neue Kabel Etherline Heat 6722 alle Anforderungen der neuen Norm ECE-R 118.01, unter anderem den vorgeschriebenen Flammtest. Dabei wird eine Flamme 15 Sekunden lang an das untere Ende eines 60 Zentimeter langen Kabelstücks gehalten. Der Brand am Kabelmantel muss innerhalb von 70 Sekunden von selbst verlöschen, danach müssen mindestens fünf Zentimeter am oberen Ende der Leitung nicht beschädigt sein. Bei einem herkömmlichen PUR-Kabel würde sich der Brand wie bei einer Zündschnur ausbreiten und dabei im Bus weitere Kabel und die Inneneinrichtung in Brand stecken.

Vier Monate bei 125 °C

Neben der ECE-R 118.01 ist die wichtigste Norm für Kabel in Automobilen die DIN ISO 6722 mit der Temperaturklasse B bis 100 °C. Für diese Temperaturklasse B muss das Kabel über lange Zeit einen Temperaturbereich von –40 bis +100 °C aushalten – normal sind –20 bis +90 °C. Die Leitungsserie Etherline Heat 6722 ist noch viel hitzebeständiger. Sie besitzt eine erweiterte Sondertemperaturklasse B(105). Diese legt eine Dauergebrauchstemperatur für 3000 Stunden bis 105 °C fest. Die Kurzzeittemperatur für 240 Stunden ist bis 130 °C festgelegt. Dieser Sicherheitspuffer ist für Anwendungen in Bussen oder Autos sehr großzügig bemessen. In welchem Auto herrschen schon vier Monate lang 105 Grad? Bei anderen Anwendungen könnten solche Eigenschaften aber durchaus sinnvoll sein, etwa bei Photovoltaikanlagen in der Wüste.

140 Meter Datenleitung

Die Bus-Hersteller können aus drei Varianten der Etherline Heat 6722 mit unterschiedlichen Übertragungsleistungen wählen: Cat5e, Cat6A und Cat7. Cat5e ist für Datenraten bis 1 GB/s geeignet, die beiden anderen schaffen 10 GB/s. Den Unterschied beim Cat7-Kabel macht die Übertragungsfrequenz von 1000 Mhz gegenüber dem Cat6A-Kabel (500 Mhz), wenn es in Folge von Störungen zu Informationsverlusten kommt und einzelne Datenpakete erneut gesendet werden müssen. Die Kabel enthalten vier Aderpaare, über die jeweils ein Viertel der Daten übertragen wird, beim Cat6A- und Cat7-Kabel also 2,5 GB/s pro Aderpaar. Die Kabel erlauben Power over Ethernet (PoE+), das Übertragen kleiner elektrischer Leistungen bis zu 25,5 W zum Betrieb von kleinen Geräten wie Sensoren oder Überwachungskameras.

Bis zu 140 Meter Etherline Heat 6722 werden in den ersten Bussen verbaut. Sie gehen in eine europäische Hauptstadt, die kürzlich mehr als hundert Fahrzeuge dieses Typs geordert hat. Die Länge der Kabel variiert und kann auch wachsen, etwa bei Gelenkbussen oder Reisebussen mit einem Entertainment-System, das die zu transportierende Datenmenge in die Höhe treibt. Ein Umstieg auf Ethernet-Leitungen mit Lichtwellenleitern für noch höhere Datenraten ist aber unwahrscheinlich, zumal die zu überbrückenden Distanzen in Bussen nicht so groß sind wie in Flugzeugen. In den Bussen, die derzeit geordert werden, kommen Ethernet-Leitungen mit Kupfer-Adern zum Einsatz, entsprechend bietet Lapp die Leitung für Busse nur als Kupfervariante an. Auch andere Leitungen wie beispielsweise niederfrequente Datenleitungen oder stromführende Kabel können von Lapp auf Anfrage mit dem brandgeschützten PUR-Mantel versehen werden.

Bildergalerie

  • Die Kabelserie Etherline Heat 6722 von Lapp erlauben Datentransferraten von bis zu 10 GB/s. Außerdem ist darüber Power over Ethernet möglich.

    Die Kabelserie Etherline Heat 6722 von Lapp erlauben Datentransferraten von bis zu 10 GB/s. Außerdem ist darüber Power over Ethernet möglich.

    Bild: Lapp

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