Digital Factory VIP TALK

16.07.2012

Die Interviewserie auf der ROTEN COUCH ging in diesem Jahr in die dritte Runde. Zu Gast waren unter anderem folgende Gesprächspartner. Diese und alle weiteren Interviews finden Sie online in voller Länge unter www.youtube.de/publishindustry - alternativ weisen Ihnen die QR Codes auf dieser Seite den Weg.

Die Entdeckung der Einfachheit

Dr. Erhard Tellbüscher, Vorstandsvorsitzender, Lenze

Die Technik der Endkunden ist heute leistungsfähig und komplex wie nie. Trotzdem ist die Bedienung eines Smartphones im Vergleich zu einem Faxgerät der 90iger Jahre ein Kinderspiel. Lässt sich der Trend auch in der Industrie beobachten?

Ja. Dieser Trend ist auch zwingend notwendig. Die komplexer werdenden Maschinen müssen in der Bedienung einfacher werden. Die Komplexität muss hinter einer einfach vorgedachten Oberfläche verborgen werden.

Welche Rolle spielen zeitgemäße Methoden und moderne Technik an dieser Stelle?

Idealerweise wäre die Technik schon so weit, dass ich eine Überlegungen ausspreche und die Maschine sie versteht und den Prozess im Hintergrund in Gang setzt. So wie es heutzutage bei Smartphones möglich ist. Die Maschine sollte auf eine intelligente Basis zugreifen, in der einmal Ausgeführtes oder Installiertes zur Verfügung steht und wiederverwendet werden kann. Das könnte man dann auch in Form von Apps umsetzten: Vorgedachte Lösungen können auf diese Weise versteckt werden und über die Steuerebene dahinterstehende Programme und Abläufe kommen zur Wirkung.

Multitechnologielösungen reduzieren Engineeringaufwand

Steffen Winkler,Bereichsleiter Vertrieb & Branchenmanagement, Bosch Rexroth

Was hat Bosch Rexroth zu dem Schritt bewogen, die Anzahl seiner Software- und Elektronikentwickler massiv zu erhöhen?

Der Software- und Elektronikanteil im Maschinenbau wächst und gleichzeitig wird die Ressource Ingenieur immer knapper. Dem wollen wir Rechnung tragen, indem wir den Lösungsansatz bei unserem Kunden stärker unterstützen. Dafür sind entsprechende Entwicklungsressourcen Voraussetzung.

Verlagert sich die industrielle Wertschöpfung heute generell in Richtung Elektronik und Software?

Auf jeden Fall. Hier gibt es eindeutige Statistiken von verschiedenen Fachverbänden. Das erkennt man nicht nur bei der Hardware sondern auch beim Personal.

Bedeutet das, dass wir mehr Software und Elektronikentwickler benötigen als klassische Maschinenbauer?

Der ein oder andere Maschinenbauingenieur mag das Gegenteil behaupten, aber ja, es ist so.

Sicherheit ade - Stuxnet‘s Nachfolger sind da!

Christoph Gusenleitner, EVP of Operations and Global Connectivity, Belden

Herr Gusenleitner, seit Stuxnet weiß man: Industrieanlagen sind nicht mehr sicher vor Cyber-Angriffen. Warum ist das so?

In den letzten Jahren wächst die Systemintegration in den Prozessen. Neuanlagen und Nachrüstungen werden weg von den proprietären Kommunikationssystemen auf Ethernet-Basis geführt. Insofern gab es früher eine horizontale Kommunikation innerhalb der Systeme, während sich heute eine vertikal durchgängige Kommunikation etabliert.

Aber gibt es tatsächlich ein signifikantes Gefährdungspotenzial für Industrieanlagen?

Stuxnet war gewissermaßen die Stunde Null. Der Wurm wurde zwar zielgerichtet und mit extrem hohen Aufwand programmiert, aber es gibt schon weitere prominente Beispiele: etwa Nightdragon. Hier gibt es wirtschaftliche beziehungsweise politische Hintergründe. Das trifft auch für normale Anwender zu, denn die meisten Anwender sind in wirtschaftlichen und sehr profitablen Geschäften tätig. Auch wenn man öffentliche Bereiche betrachtet, etwa Energieerzeugung und Verteilung, sind diese gegebenenfalls für Angreifer interessant.

Track&Trace - Probates Mittel gegen Plagiate?

Markus Paschmann, Vorstand, Sick

Wie wirkt sich die Entwicklung der BRIC-Staaten auf die Plagiatsituation aus?

Man muss sagen, dass im Bereich des Maschinenbaues ungefähr 90 Prozent der Plagiate aus China kommen. Man kann nicht vorhersehen, ob sich das ändern wird. Dort ist Kopieren Volkssport - man kopiert den Besten und ist stolz darauf. Dies wird uns noch eine Zeit lang begleiten.

Bietet die Rückverfolgbarkeit von Industrieprodukten ein wirksames Mittel gegen Produktpiraten?

Track & Trace ist mit Sicherheit eine Möglichkeit, um Produktpiraterie in Grenzen zu halten. Aber es ist nur eine Form und zeigt auch gewisse Grenzen, was die Realisierbarkeit angeht. Die normale Form des Produktschutzes beginnt ja mit Sicherheitslabeln mit nicht sichtbaren Aufdrucken. Track&Trace geht einen Schritt weiter. Man versucht Produkte so zu markieren, dass man sie über den gesamten Lebenszyklus nachverfolgen kann - auch noch am Ort des Konsumenten. Dies wird in der Pharmaindustrie schon eingesetzt. Dort gab es entsprechende Pilotprojekte, aber man benötigt eine relativ große Infrasturktur, um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten.

Verwandte Artikel