Digitaler Nachwuchs Klassenzimmer 4.0

11.05.2016

Was müssen junge Menschen mitbringen, um für die Anforderungen der Industrie 4.0 gewappnet zu sein? Die David-Roentgen-Schule in Neuwied beantwortet diese Frage nicht nur theoretisch. Mit dem Projekt Industrie4.0@school bereitet sie den Nachwuchs auf digitale Produktionsprozesse vor.

Auf dem Schulhof der David-Roentgen-Schule in Neuwied läutet ein sonorer Ton das Ende der großen Pause ein. Wie viele andere Schüler auch gehen etwa zwei Dutzend Teenager in einen Klassenraum. Auf dem Lehrplan steht heute das Thema Industrie 4.0. Wie werden sich Produktion und Logistik in einer digitalisierten Welt verändern – durch die Kommunikation von Maschinen mit Maschinen und den Werkstücken? Und welche fachlichen Kenntnisse werden in der Ausbildung der jungen Menschen an Bedeutung gewinnen, wie wird ihre zukünftige Arbeit möglicherweise aussehen? Viele Schüler, die jetzt ihrem Lehrer Werner Schnell zuhören, haben davon nur´eine abstrakte Idee. Und doch ist an der berufsbildenden Schule in Neuwied alles ein wenig anders. Denn hier können die insgesamt etwa 2.800 Schüler Industrie 4.0 ganz hautnah erleben. „Angefangen hat alles mit unserer Modellstadt EmoCity, die wir 2014 auf der Hannover Messe ausstellten – ein Modell einer Kleinstadt, die vollständig mit Energie aus regenerativen Quellen versorgt wird und in der ausschließlich elektrisch angetriebene Fahrzeuge fahren“, berichtet Schnell. „Das große Interesse bei den Schülern und in der Öffentlichkeit ermutigte uns, den nächsten Schritt zu gehen. So errichteten wir ein weiteres Exponat, das einen automatisierten und intelligent vernetzten Produktionsprozess zeigt“, sagt der Lehrer für Elektrotechnik und IT, der das daraus entstandene Projekt „Industrie4.0@school“ mit sechs weiteren Lehrern koordiniert. Zur Hannover Messe 2015 konnten Schüler und Lehrer die erste Version des Exponats auf dem Stand des ZVEI präsentieren. Jetzt geht das Projekt in die nächste Phase. Die Schüler zeigen auf der Hannover Messe 2016 einen exemplarischen Produktionsprozess, wie er in der Industrie 4.0 ablaufen kann. Die Aufgabe: eine Powerbank, also einen externen Akku für ein Mobiltelefon, mit individuellen Initialen eines hypothetischen Kunden zu versehen. Dazu programmierte das Team aus sieben Lehrern, 20 Schülern und dem Ausbilder eines benachbarten Industriebetriebs zunächst die Anbindung an ein Warenwirtschaftssystem, das die genauen Auftragsdaten aus der Cloud bezieht – etwa, nachdem ein Kunde über eine App den Auftrag und die gewünschten Initialen hochgeladen hat. Die Auftragsdaten kommen über eine Firewall in ein sogenanntes „Manufacturing Execution System“, das den mit einem RFID-Code versehenen Powerbank-Rohling durch den Produktionsprozess führt. Über eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) kommunizieren zwei Roboterarme miteinander und transportieren das Werkstück in eine computergesteuerte Fräse, welche die Initialen aufbringt, und anschließend in einen Ausgabeschacht zum Versand des Produkts an den Kunden.

SPASS AM EIGENEN ERFOLG

„So simpel das zunächst aussieht – in dem Exponat steckt eine Menge Technik, wie sie in Zukunft gebraucht wird“, erläutert Schnell. „Das Besondere ist dabei aber nicht nur, dass wir die Schüler damit in die Themen von Industrie 4.0 einbeziehen und ihnen Berührungsängste nehmen. Wir bringen so auch Schüler aus verschiedenen Fachrichtungen unserer Schule zusammen.“ So sind die Schüler aus der höheren Berufsfachschule für Informations- und Netzwerksystemtechnik unter anderem für die Datenbank, die Firewalls und die Personalisierung der Werkstücke über RFID verantwortlich. Sie arbeiten Hand in Hand mit den Mechatronikern aus der Berufsschule, die sich um den Aufbau der Hardware, die Robotik, die SPS-Programmierung und Sicherheitssysteme wie die Lichtvorhänge kümmern. Diese großflächigen Lichtschranken verhindern, dass die Roboterarme in den Außenbereich schwenken. „Wir haben dabei gelernt, das Projekt in Arbeitspakete einzuteilen und einzelne Teilprojekte selbstständig zu bearbeiten“, berichtet Schüler-Teamsprecher Tobias Krechel. „Am meisten Spaß macht es, zu sehen, wie etwas dann tatsächlich funktioniert – etwa wenn eine selbst geschriebene Software nach dem Einscannen eines RFID-Tags die zugehörigen Daten aus der Datenbank ausliest.“

Um die Anwendung auch in den Unterricht zu tragen, entwickelten die Projektteilnehmer sieben Lernmodule, die aus theoretischen Grundlagen, Praxisbeispielen, Lernaufgaben und Ergebniskontrollen bestehen. Die Lernmodule befassen sich mit Themen wie Robotik, dem Manufacturing Execution System, der SPS-Technik und der Netzsicherheit und werden sowohl im normalen Unterricht behandelt als auch als eLearning-System für zu Hause angeboten. So können beispielsweise auch die Teilnehmer der berufsbegleitenden Technikerschule die Lernmodule nutzen.

Der Ansatz der David-Roentgen-Schule fördert aber nicht nur die direkte Kommunikation zwischen den Schülern und die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Er kann auch dabei helfen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Schnell ist sich sicher: „Viele Schüler interessieren sich für IT-Themen. Da in einer digitalisierten Industrie Informationstechnologie und Mechatronik zusammenwachsen, können wir jungen Menschen zeigen, dass es auch in Produktionsbetrieben spannende IT-Aufgaben gibt.“

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