Predictive Maintenance Instandhaltung: Cloud 
ersetzt Glaskugel

Bild: iStock, Alan Lagadu; SSV Software Systems
20.05.2016

Wartungseinsätze im Störungsfall und der Austausch völlig intakter Maschinen- und Anlagenkomponenten auf Grund fester Wartungstermine gehören bald der Vergangenheit an. Die Cloud, smarte Sensoren und die digitale Vernetzung der Produktionslandschaften ermöglichen eine vorausschauenden Instandhaltung, Predictive Maintenance genannt. Maschinenausfallzeiten und Produktionsunterbrechungen lassen sich damit größtenteils vermeiden.

Unter dem Oberbegriff Digitale Transformation vollzieht sich aktuell ein dramatischer Wandel. Immer mehr Objekte werden mit einer direkten oder indirekten Internetanbindung ausgestattet, um über die Cloud einen zusätzlichen Mehrwert anzubieten. Außerdem stehen inzwischen Cloud-Plattformen mit Servicediensten zur Verfügung. Sie bieten beispielsweise für nahezu jedes System und Subsystem Predictive Maintenance und andere Zusatzfunktionen an.

Die digitale Transformation verändert die Anwendungsarchitekturen. Im industriellen Umfeld verschwindet gegenwärtig die klassische Automatisierungspyramide mit Feld-, Steuerungs-, Prozess-, Betriebs- und Unternehmensleitebenen. Ihm soll das Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0) nachfolgen und eine durchgängige Kommunikation mit geeigneten Daten ermöglichen. Aufgrund der Ideen von Industrie 4.0 benötigen in der Automation verwendete Baugruppen zukünftig mehrere Schnittstellen, um zum Beispiel die vertikalen und horizontalen Kommunikationspfade im Sinne von RAMI 4.0 umzusetzen. Geplant ist in Zukunft außerdem eine sogenannte Verwaltungsschale, die ein Datenabbild der jeweiligen Baugruppe enthält. Eine solche virtuelle Entsprechung beinhaltet unter anderem die Konstruktions- und Zustandsdaten eines Objekts und eignet sich daher auch für Cloud-Verbindungen, um Datenspeicher- und Predictive-Maintenance-Dienste zu nutzen.

Ist-Zustand bewerten und erfassen

Eine wichtige Voraussetzung für Predictive Maintenance ist ein Condition Monitoring mit Cloud-basierter Zustandsdatenspeicherung. Dazu sollten möglichst viele Datenpunkte in einer Antriebsbaugruppe oder Maschine erfasst werden. Teilweise sind dafür zusätzliche Sensoren notwendig. Die anfallenden Daten werden in regelmäßigen Abständen an die Cloud übermittelt. Aus der gesamten Historie entsteht dann später ein Vorhersagemodell für Predictive-Maintenance-Anwendungen.

Ebenfalls sehr wichtig ist die Qualität der Condition-Monitoring-Daten. Betrachtet man zum Beispiel ein pneumatisches Subsystem, wie einen Führungszylinder mit einem durch Druckluft bewegten und über eine SPS gesteuerten Schlitten zum Materialtransport, müssen vor allem die Stoßdämpfer an den beiden Führungszylinderenden überwacht werden. Die dort gewonnen Daten sind entscheidend für die Auswahl des passenden Service- und Wartungskonzepts. Dadurch lässt sich die Lebensdauer der gesamten Baugruppe erheblich steigern.

Im einfachsten Fall befindet sich an den Endpunkten des Führungszylinders jeweils ein Näherungssensor mit einem Schaltpunkt, um der SPS die Position des Schlittens anzuzeigen. Die Wirkung der Stoßdämpfer lässt sich über spezielle Näherungssensoren mit zwei Schaltkontakten bestimmen. Sie ermöglichen eine Zeitmessung für die Schlittenbewegung innerhalb der Stoßdämpfer-Hubstrecke. Für das Condition Monitoring ergeben sich zwei relevante Zeitmessungen, und zwar der Anfang der Hubstrecke und das Ende der Hubstrecke. Zusammen mit der Schlittengeschwindigkeit kann daraus eine Kennzahl ermittelt werden. Diese verändert sich bei längerer Betriebsdauer und damit einhergehendem nachlassendem Stoßdämpferöldruck. Für eine vorausschauende Wartung des Führungszylinders wird die Kennzahl, zusammen mit anderen aus der SPS ausgelesenen Daten, zum Beispiel, wie oft ein Ventil oder eine Hydraulikeinheit einer Maschine genutzt wurden, in eine Cloud übertragen und dort gespeichert.

Zukunftsvorhersage als Service

Trendvorhersagen durch Auswertungen größerer Datenmengen sind im IT-Umfeld schon seit Jahren üblich. Sie werden als Predictive Analytics bezeichnet. Deshalb gibt es in verschiedenen Cloud-Serviceplattformen hochentwickelte und praxiserprobte Dienste, die sich auch zur Vorhersage der Ausfallwahrscheinlichkeit einzelner Maschinenkomponenten eignen.

Um prädiktive IT-Analyseservices zu nutzen, müssen vor Ort geeignete Daten erfasst und in die Cloud transportiert werden. Dabei sind nicht nur funktionale Aspekte, sondern auch der Datenschutz und die IT-Security zu beachten. Besitzt eine SPS lediglich eine einfache Industrial-Ethernet-Schnittstelle, ist ein physisches oder virtuelles Gateway als Bindeglied zur Cloud erforderlich. Dazu kann unter bestimmten Voraussetzungen das zur SPS gehörende Fernzugriffs- und Wartungs-Gateway genutzt werden. Häufig reichen allerdings die in der SPS vorhandenen Daten nicht für eine effektive Predictive-Maintenance aus. Es sind daher zusätzliche Sensoren im Umfeld der Steuerung erforderlich, die ausschließlich als Datenquelle für die vorausschauende Wartung auf Basis prädiktiver Analysen dienen.

Cloud und Datenanalysen einbeziehen

Wenn in Zukunft im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes ein Vor-Ort-Besuch oder ein VPN-basierter Fernzugriff an beziehungsweise auf eine Maschine erforderlich wird, ist das Wartungskonzept vermutlich nicht mehr ganz zeitgemäß. Über kommunikationsfähige Sensoren und die in den Steuerungen bereits vorhandenen Daten lassen sich bereits heute Cloud-zentrierte Condition-Monitoring-Lösungen mit intelligenten Datenanalysen realisieren. Dadurch wird eine vorausschauende Wartung und Instandhaltung möglich. Die Notwendigkeit reaktiver Wartungseinsätze und Stillstandszeiten minimieren sich.

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  • Eine wichtige Voraussetzung für Predictive Maintenance ist Condition Monitoring mit Cloud-basierter 
Datenspeicherung.

    Eine wichtige Voraussetzung für Predictive Maintenance ist Condition Monitoring mit Cloud-basierter
    Datenspeicherung.

    Bild: SSV Software Systems

  • Jede Antriebsbaugruppe hat mindestens eine kritische Komponente, deren Ausfall gravierende Folgen haben kann. Bei einem Druckluft-bewegtem Schlitten sind es die Stoßdämpfer an den Enden des Führungszylinders.

    Jede Antriebsbaugruppe hat mindestens eine kritische Komponente, deren Ausfall gravierende Folgen haben kann. Bei einem Druckluft-bewegtem Schlitten sind es die Stoßdämpfer an den Enden des Führungszylinders.

    Bild: SSV Software Systems

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